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Porsche 718 Cayman GT4 RS
Der letzte (Auf-)Schrei

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Ein würdiger, aber unvernünftiger Abschluss: Der Porsche 718 Cayman GT4 RS.
Ein würdiger, aber unvernünftiger Abschluss: Der Porsche 718 Cayman GT4 RS.
Ein würdiger, aber unvernünftiger Abschluss: Der Porsche 718 Cayman GT4 RS.
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«Das letzte Auto, das gebaut werden wird, wird ein Sportwagen sein», prophezeite einst Ferry Porsche, Sohn des Fahrzeugkonstrukteurs und Markengründers Ferdinand Porsche. Noch ist ein Ende des Autozeitalters zwar nicht in Sicht – Rohstoffkrise, Lieferengpässe und Mobilitätswende hin oder her wurden von Januar bis Ende August 2022 mehr als 140’000 Neuwagen in der Schweiz immatrikuliert, und die steigende Nachfrage nach umweltverträglichen Modellen hält die Maschinerie am Laufen. Doch angenommen, das Automobil verbliche tatsächlich aus unserem Strassenbild: Der Porsche 718 Cayman GT4 RS wäre ein würdiger Abschluss.

Gewiss ist die um 80 auf 500 PS erstarkte Weiterentwicklung des vormaligen Top-Caymans GT4 in erster Linie ein Tracktool – also für die Rennstrecke gebaut. Der 4,0 Liter grosse, freisaugende statt zwangsbeatmete 6-Zylinder-Boxer wurde – wie auch der frei stehende Heckflügel mit Schwanenhalsanbindung – vom Le-Mans-Klassensieger 911 RSR abgeleitet. Die 1415 Kilo Kampfgewicht sind unter anderem Leichtbaumaterialien wie carbonfaserverstärktem Kunststoff und reduziertem Dämmmaterial zu verdanken. Jeder Aspekt und jede Komponente, von der Aerodynamik über das Fahrwerk, die Bremsen und das Doppelkupplungsgetriebe bis hin zum mechanischen Sperrdifferenzial wurde auf maximale Performance getrimmt. Und wenn schon, denn schon gehört auch das optionale Weissach-Paket mit Karosserieelementen aus Sichtcarbon, Überrollkäfig und Endrohren aus Titan sowie Schmiederädern aus Magnesium dazu. Das Ergebnis: 2,83 kg/PS, 3,4 Sekunden von 0 auf Tempo 100, eine von Porsche vermeldete Traum-Rundenzeit auf der Nürburgring-Nordschleife von 7:09.300 – und zunächst eine gewisse Ratlosigkeit, was mit einem solchen Boliden im öffentlichen Strassenverkehr anzufangen ist.

Eine kompromisslose Fahrmaschine

Denn weder ist der GT4 praktisch (nur zwei Sitze und minimaler Stauraum) oder vernünftig (13,2 l/100 km Normverbrauch!), noch besonders komfortabel (das Fahrwerk informiert gefühlt über jeden Kaugummi, den die 20-Zöller auf dem Asphalt überrollen). Von A nach B geht es bei Einhaltung der Tempolimits kaum schneller als mit jedem beliebigen Kleinwagen, der maximal 120 statt 315 km/h fährt. Und wehe, man vergisst vor einer noch so niedrigen Verkehrsschwelle, den Vorderwagen per Knopfdruck anzuheben, so tief wie der Sportwagen am Boden kauert und teuer er mit einem Basispreis von 176’900 Franken ist! Aber nicht obwohl, sondern gerade weil sich der GT4 RS als Strassenmodell jeglicher Sinnhaftigkeit entzieht und vielmehr das zelebriert, was Autogegner so gern verkennen – nämlich, dass die schnöden Transportmittel schon immer auch Sehnsuchtsort und Lustobjekt, erweitertes Ich, Alltagsfluchtvehikel und Adrenalinspender waren –, ist er so herrlich faszinierend.

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Hochwertig, aber eng geschnitten: Das Cockpit des Top-Cayman.
Schafft auf der Rennstrecke 315 km/h.
Ein 4-Liter-6-Zylinder-Boxermotor leistet – ohne Turboaufladung – 500 PS.

Seine Stärken spielt er im Laufe der Testwoche jedenfalls nicht nur auf Papier und Rennstrecke aus. Freunde und Familienmitglieder, die «sonst nicht so autoverrückt, aber...» sind, wollen unbedingt eine Runde mitfahren. Die Nachbarkids dürften noch lange davon zehren, dass sie einmal am Steuer eines (freilich parkierten) GT4 RS sitzen durften. Am Zürcher Bellevue tauchen aus der Passantenmenge urplötzlich die Handys und Kameras unzähliger Carspotter auf (übrigens allesamt Vertreter der vermeintlichen Fridays-for-Future-Generation). Ganz zu schweigen von der unweigerlichen Euphorie, wenn der Hochdrehzahlmotor auf über 8000 U/min hochjubelt, während sich diese perfekt ausbalancierte Fahrmaschine mit unglaublicher Präzision und satter Strassenlage einen Kurvenpass hinaufwindet. Ein Fest der Sinne? Nein, Fest klingt nach Bratwurst, Holzbänken und höflichem Applaus. Wie der Motor kreischt, grollt und schlürft, wie die Ansaugluft über die Einlässe hinter den Seitenfenstern, wo sonst kleine Scheiben verbaut sind, direkt auf Ohrenhöhe in Richtung Motor geleitet wird, sollte man eher von einer Orgie sprechen. Der ganze Hype, der im Internet um dieses Modell entstanden ist: absolut berechtigt – wenn auch in der heutigen Zeit ein wenig fragwürdig.

Einer der letzten seiner Art

Dass dem Verzicht auf verbrauchsdämpfende Massnahmen wie Turbolader und Downsizing oder gar Elektrifizierung etwas Reaktionäres anhaftet, lässt sich nicht wegdiskutieren. Selbst bei Porsche bilden Sportwagen mit Saugmotor, zu denen auch der kürzlich vorgestellte 911 GT3 RS zählt, mittlerweile zum Nischenprogramm. Andererseits lässt sich der GT4 RS auch als zeitgeistige Rebellion gegen den Elektrifizierungswahn werten – oder zumindest als fulminanten Abgesang auf eine alte Konstruktionskunst, die es in dieser Form nicht mehr lange geben dürfte. Nebst anderen Porsche-Modellen soll die nächste Generation der 718er-Baureihe ab 2025 nämlich stromern, und selbst der Ikone 911 steht eine elektrifizierte Zukunft bevor. Das kann (und sollte) man begrüssen oder man kann es bedauern. Oder aber als das akzeptieren, was nötig ist, damit das letzte Auto, das dereinst gebaut werden wird, tatsächlich ein Sportwagen sein kann – ein hoffentlich genauso sinnlicher.