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Politische Reaktionen nach Eklat bei Olympia
Der lange Arm des Diktators

Die Sprinterin Kristina Timanowskaja gibt an, dass sie in Tokio zur sofortigen Rückkehr nach Weissrussland gezwungen wurde. Jetzt flüchtet sie nach Polen. 
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Die Instagram-Fotos von Kristina Timanowskaja zeigen auch das Leben, in das sie nicht mehr zurückkann, ihr Training in Minsk, Ausflüge mit dem Ehemann. Die weissrussische Sprinterin kehrt von den Olympischen Spielen in Tokio nicht heim. Sie flieht nach Polen, weil sie Repressionen durch das Regime von Diktator Alexander Lukaschenko fürchtet, nachdem sie dessen Sportfunktionäre öffentlich kritisiert hatte. Diese wollten sie daraufhin aus Tokio verschleppen, sagt die 24-Jährige.

Warschau hatte ihr Asyl angeboten, von dort kommt nun auch die schärfste Kritik: Einen «kriminellen Versuch, eine Sportlerin zu entführen», prangerte Ministerpräsident Mateusz Morawiecki auf Facebook an. Tatsächlich wäre sie nicht die erste Sportlerin aus Weissrussland, die ihre Freiheit verliert, weil das Regime in ihr eine Gegnerin sieht. Die «Aggression der weissrussischen Sicherheitsdienste» müsse auf «entschiedenen Widerspruch der internationalen Gemeinschaft stossen», verlangt Morawiecki. Der Widerspruch aus Brüssel war bisher allerdings verhalten.

Eine Sprecherin des EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell nannte den Versuch, die Sprinterin «gegen ihren Willen» von Tokio nach Minsk zu fliegen, ein weiteres Beispiel für die Brutalität von Lukaschenkos Regime. Der Umgang mit Athleten widerspreche der olympischen Idee, sagte sie weiter und versicherte Timanowskaja die «volle Solidarität» der EU.

Die Sprinterin Kristina Timanowskaja erzählt in einem Video, dass sie hofft, ihre Sportkarriere fortsetzen zu können. Ihre Sicherheit gehe aber vor.

Seit Oktober 2020 haben die 27 EU-Länder vier Pakete mit Sanktionen gegen Personen und Firmen in Weissrussland erlassen; Lukaschenko wird nicht mehr als Präsident anerkannt, weil dessen Wahl als gefälscht angesehen wird.

In Minsk dagegen bleibt es bislang merkwürdig still um den Fall der Olympionikin. Das Regime scheint zunächst Sportler und Funktionäre vorzuschicken, um Timanowskaja zu diskreditieren: Das Olympische Komitee (NOK) des Landes nannte sie emotional und psychisch nicht in der Lage, weiter in Tokio zu starten. Das Staatsfernsehen stellte sie als Versagerin hin. Auch einige offenbar linientreue Sportler kolportierten in den Medien die Theorie, Timanowskaja habe den Eklat von Anfang an geplant.

Viele Athleten haben Kristina Timanowskaja dagegen offen unterstützt. Die «Leute auf den Führungsposten im Sport» seien der Ansicht, schrieb etwa Basketballerin Jekaterina Snytina auf Instagram, dass die Sportler dem Staat «alles zu verdanken» hätten und deshalb schweigen sollten. «Sie denken, dass sie über das Schicksal des Sportlers ohne dessen Wissen entscheiden können», schreibt sie.

Ehemann ist bereits in die Ukraine geflohen

Timanowskaja selbst fordert Ermittlungen gegen den weissrussischen Cheftrainer. Sie erwarte von den Sportbehörden, «die Situation zu untersuchen, wer die Anweisung gegeben und wer wirklich entschieden hat, dass ich nicht mehr teilnehmen darf», sagte sie der Nachrichtenagentur AP. Der Ehemann der Sprinterin ist bereits in die Ukraine geflohen.

Ein anderer Fall zeigt allerdings, dass sich Weissrussen auch im Ausland nicht sicher fühlen können: In Kiew wurde der Aktivist Witali Schischow tot aufgefunden, erhängt in einem Park unweit seiner Wohnung. Der 26-Jährige war im Herbst in die Ukraine geflohen und hatte von dort anderen Flüchtlingen geholfen. Er leitete die Organisation «Weissrussisches Haus in der Ukraine», die sich etwa um Aufenthaltsgenehmigungen und Unterkünfte kümmert. Am Montag war er von einer Jogging-Runde nicht zurückgekehrt.

Die ukrainische Polizei erklärte, sie habe Mordermittlungen eingeleitet und verfolge auch die Möglichkeiten von «Mord getarnt als Selbstmord». Das Weissrussische Haus schrieb auf Telegram, Schischow sei überwacht worden, zudem habe es wiederholt Warnungen von lokalen Quellen und weissrussischen Kontakten gegeben – auch vor «Entführungen und Liquidation». Die Organisation vermutete, der weissrussische Geheimdienst habe ihn ermordet.