Waldbrand-Experte im Interview«Der Klimawandel begünstigt das Feuerwetter»
Wenn es trockener und heisser wird, steigt die Waldbrandgefahr, sagt Marco Conedera. Allerdings macht die Prävention Fortschritte – bald soll in der Schweiz erstmals absichtlich Feuer gelegt werden, um Bränden vorzubeugen.
Herr Conedera, wie erklären Sie sich, dass oberhalb der Walliser Gemeinde Bitsch ein heftiger Waldbrand ausgebrochen ist?
Bei andauernder Trockenheit wird die ganze Vegetation, ob tot oder lebendig, sehr entzündlich. Wenn es zudem noch stark windet, ist die Feuergefahr am grössten. Einerseits, weil der Wind die Biomasse noch zusätzlich austrocknet, vor allem das Gras und die Streu am Boden. Andererseits, weil die Feuerausbreitung durch den Wind sehr stark beschleunigt wird. Da kann ein Feuer schnell ausser Kontrolle geraten, vor allem an steilen Hängen. Denn die Hanglage fördert die Ausbreitung des Feuers zusätzlich: Die Thermik geht nach oben und zieht das Feuer mit.
Ist der Waldbrand im Wallis ein typisches Ereignis für die Region?
Das Wallis ist die trockenste Region der Schweiz. Es hat immer wieder solche Brände gegeben, etwa 1997, 2003 und 2011. Mal hat es wie jetzt im Sommer gebrannt, mal auch im Frühjahr. Aber generell ist das im Wallis wie auch auf der Alpensüdseite nicht aussergewöhnlich.
Hat der Klimawandel schon einen Einfluss auf die Waldbrände in der Schweiz?
Die Brände gehen immer aus extremen meteorologischen Situationen hervor. Durch den Klimawandel können diese Situationen häufiger werden, weil es häufiger zu trockenen und heissen Sommern kommt. Aber im Moment sehen wir noch keinen klaren Trend hin zu mehr Waldbränden, auch weil wir die Brandprävention durch eine gute Information der Menschen immer besser in den Griff bekommen. Das heisst: Obwohl der Klimawandel das Feuerwetter begünstigt, heisst das nicht, dass es mehr Waldbrände gibt.
Was bedeutet eine gute Prävention?
Die Information, wie hoch die Waldbrandgefahr ist und wie man sich verhalten sollte, findet sich heute viel einfacher als früher. Es gibt mehrere Portale in der Schweiz, zum Beispiel Waldbrandgefahr.ch oder Meteo Schweiz. Dort wird tagtäglich die Waldbrandgefahr pro Region aktualisiert und werden die Massnahmen kommuniziert, die durch den Kanton erlassen werden, bis zum Verbot, Feuer zu machen.
Welche Rolle spielt die Bewirtschaftung der Gebirgswälder für die Waldbrandgefahr?
In der Schweiz ist die Waldbewirtschaftung nicht primär auf den Schutz vor Waldbränden ausgerichtet, das ist auch noch gar nicht nötig. Vielmehr liegt das Hauptaugenmerk der Bewirtschaftung auf der Schutzfunktion der Wälder. Allenfalls in der Nähe von viel begangenen Wanderwegen oder im Umfeld von Picknick-Plätzen kann es sinnvoll sein, brennbare Biomasse aus dem Wald zu räumen.
«Durch einen Waldbrand entstehen auch Naturgefahren wie Steinschlag, Rutschungen und Erosion.»
In Südeuropa legt man gelegentlich präventiv Feuer, um die Menge an Brandgut zu reduzieren. Ist das auch in der Schweiz ein Thema?
Wir haben im Tessin ein Konzept für einen kontrollierten Brand entwickelt. Dabei müssen verschiedene Faktoren berücksichtigt werden, etwa die Luftreinhaltung, die Sicherheit für die Bevölkerung und der Schutz der Biodiversität. Wir haben alle diese Aspekte durch die verschiedenen Ämter prüfen lassen. Jetzt hat die Regierung im Tessin grünes Licht gegeben: Wir dürfen im Rahmen dieses Konzepts einen kontrollierten Brand legen, sei es um Biotope zu fördern, sei es um Weidefläche zu gewinnen, oder sei es, um heftigen Bränden vorzubeugen.
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Haben Waldbrände in den Bergen auch etwas Positives, gehören sie zum Ökosystem?
Waldbrände sind immer eine Störung, aber ökologisch ist eine Störung überhaupt kein Problem, das gehört zur Natur. Im Wallis mussten jetzt allerdings Dörfer evakuiert werden. Das zeigt: In unserem gebirgigen Land können wir uns eine solche natürliche Ökosystemdynamik eigentlich nicht leisten. Denn durch einen Waldbrand entstehen auch Naturgefahren wie Steinschlag, Rutschungen und Erosion. Daher ist es besser, wenn wir durch die Bewirtschaftung dieser Wälder die natürliche Störung der Ökosysteme durch Waldbrände nachahmen und nicht unkontrolliert entstehen lassen. So haben wir die positiven Effekte, nicht aber die Probleme.
Auch wenn die Ursache des Waldbrandes im konkreten Fall noch nicht bekannt ist: Was löst solche Brände in der Regel aus?
Brandstiftung haben wir in der Schweiz zum Glück nicht so häufig. Meistens ist die Ursache der Brände jedoch Fahrlässigkeit.
Etwa ein offenes Feuer trotz Waldbrandgefahr?
Genau. Oft unterschätzt man den Effekt vom Wind oder die Tatsache, dass der Humus im Boden an der Feuerstelle weiterschwelen und nachträglich einen Brand entstehen lassen kann. Eine weitere Ursache sind Blitze: Wenn es im Sommer trockene Stürme gibt, wenn es also blitzt, ohne zu regnen, können bei Trockenheit bis zur Hälfte der Waldbrände durch Blitze ausgelöst werden. Auch Hochspannungsleitungen, die bei starkem Wind Kurzschlüsse erzeugen und dann Bäume in Flammen setzen, sind eine Brandursache.
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