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Hunde am Arbeitsplatz
«Die besseren Menschen» oder «furzende Ärgernisse»? 

Soll er mit zur Arbeit oder nicht? Über den Sinn von Hunden im Büro streiten sich selbst Tierhalterinnen und Tierhalter. 

Der «Bring Your Dog to Work Day» ist so etwas wie der Zukunftstag, bloss dass an diesem Tag Hunde statt Kinder Büroluft schnuppern dürfen. Seitdem er 1999 von einem Hundesitterverband in den USA ins Leben gerufen wurde, hat er sich auf Firmen in aller Welt ausgebreitet. Das ist ganz im Sinne von Tierschutzorganisationen wie Vier Pfoten Schweiz, die Firmen ermuntern möchten, Hunde das ganze Jahr über zuzulassen. Für die Tiere bedeute das weniger einsame Stunden zu Hause. Und wenn die Betreuung auch während der Arbeitszeit gesichert sei, könnten sich mehr Menschen den Traum vom eigenen Hund verwirklichen, heisst es bei Vier Pfoten. 

Auch der deutsche Bundesverband Bürohund e. V. setzt sich seit Jahren für mehr Vierbeiner im Büro ein und bietet unter anderem eine dreitägige Onlineausbildung zum zertifizierten Integrationsexperten (m/w/d) für die Zulassung von Bürohunden im Unternehmen an. Angesprochen sind angehende Bürohund-Botschafterinnen, die ihre Firma hundefreundlicher gestalten möchten. 

«Verschiedene Studien zeigen, dass Hunde beruhigend wirken. Sie senken das Stressempfinden und können Burn-outs vorbeugen», sagte der Hundetrainer und Vorstandsvorsitzende Markus Beyer in einem Interview mit dieser Zeitung. «Man weiss ja, dass die finanziellen Folgen psychischer Erkrankungen gigantisch sind. Ein Bürohund lohnt sich also auch wirtschaftlich.»

Keine gesetzliche Pflicht, Bürohunde zuzulassen

Grundsätzlich sind Firmen jedoch nicht verpflichtet, ihren Mitarbeitenden den Liebling im Büro zu erlauben. Dass Hunde aus Tierschutzgründen nicht zu lange allein gelassen werden dürfen, ist also nicht das Problem der Firma, sondern der Tierhalter. Es gibt jedoch auch Unternehmen, die gezielt auf ein hundefreundliches Image setzen, um als soziale Arbeitgeber punkten zu können, die eine flexible Haustierbetreuung und damit eine gute Work-Life-Balance ermöglichen. Das Ziel ist, Arbeitnehmende aus dem Homeoffice zurück ins Büro zu holen oder neue Talente zu finden und zu halten. 

Dazu zählt etwa die deutsche Mediengruppe Funke, zu der Zeitschriften wie «Myself», «Neue Welt» oder «Hörzu» gehören. In der Firma sind Vierbeiner seit 2021 fixer Bestandteil der Bürokultur. Funke hat dafür extra zwei Chief Dog Officer ernannt, die zwischen Hundehaltern und Kollegen vermitteln, denen nicht das Herz aufgeht, wenn unter dem Nachbarspult ein Neufundländer schnarcht oder sie vom wild wedelnden Mops der Kollegin abgeschleckt werden.

Im angelsächsischen Raum gehen einzelne Firmen sogar noch weiter. Dort können Angestellte, die sich einen Hund anschaffen, von einem «pawternity leave» profitieren, also von einer Art Elternzeit. Bis zu einer Woche dürfen sie auf Kosten ihres Arbeitgebers freinehmen, um sich um ihren Welpen zu kümmern.

In der Schweiz sind fast die Hälfte der Unternehmen hundefreundlich. Das zumindest zeigt eine neue Umfrage des Forschungsinstituts iVox im Auftrag der Mars Schweiz AG, die auch Hundenahrung herstellt; 1000 Schweizerinnen und Schweizer haben daran teilgenommen. Von diesen gaben 44 Prozent an, dass Hunde an ihrem Arbeitsplatz erlaubt seien. Wäre dies verboten, wäre dies für eine Mehrheit der Umfrageteilnehmenden ein Grund, seltener ins Büro zu gehen. 

Selbst Hundehalter sind sich uneins

Insgesamt fühlen sich drei von fünf Befragten mit Vierbeinern am Arbeitsplatz wohler. Doch offenbar sind sich selbst Hundehalterinnen und Hundehalter uneins, ob ein Tier tatsächlich mit ins Büro sollte. Während rund drei von vier Hundehaltern ihren Liebling mit zur Arbeit nehmen oder dies gern täten (bei Männern und jüngeren Befragten war der Prozentsatz noch höher), würden das die übrigen auf keinen Fall oder eher nicht tun – hauptsächlich, weil sie ihre Kolleginnen und Kollegen nicht stören wollen. Andere gaben an, dass dies ihren Hunden zu viel Stress bereiten würde und dass es ihnen zu viel Mühe macht.

Gleichzeitig fand es fast die Hälfte der Teilnehmenden unprofessionell, Hunde ins Büro mitzunehmen, bei den männlichen Befragten war es die Mehrheit. Auch auf unserer Redaktion gehen die Meinungen zu Hunden am Arbeitsplatz auseinander, wie das folgende Pro und Kontra von Philippe Zweifel und Martin Erdmann beweist. 

Kontra: Das Büro ist kein Ort, um Hunde-Enthusiasmus zu zelebrieren

Das Arbeitsrecht spricht sich gegen grenzenlose Tierliebe aus. Deshalb ist auch das Büro kein legitimer Aufenthaltsort für einen Hund. Für Menschen, deren Hund den emotionalen Stellenwert eines neugeborenen Menschenkindes einnimmt, ist diese Regelung schwer nachzuvollziehen. Sie sehen in ihrem Haustier eine wichtige Stütze der Gesellschaft, die es mit vorbehaltloser Liebe zu überschütten gilt. Sie glauben, ihr Hund steuere zu einem gesunden Arbeitsklima bei und leiste einen unverzichtbaren Beitrag zum Erreichen der Jahresziele.

Doch Tierliebe macht blind. So wird ausgeblendet, dass das Büro ein Ort sein soll, an dem sich alle wohlfühlen. Das setzt voraus, dass eigene Bedürfnisse aus Rücksichtnahme auf andere zurückgeschraubt werden. Deshalb ist das Büro kein Ort, um Hunde-Enthusiasmus zu zelebrieren.

Auch Exemplare mit den mildesten Charakterzügen fühlen sich manchmal dazu berufen, laut zu bellen. Meistens dann, wenn man ein wichtiges Telefonat führt.

Doch was für ein spiessbürgerlicher Kleingeist muss man sein, um sich über Hunde am Arbeitsplatz aufzuregen? Gründe dafür gibt es genug. Hunde flatulieren unkontrolliert und sorgen nur schon dadurch für dicke Luft im Büro. Auch Exemplare mit den mildesten Charakterzügen fühlen sich manchmal dazu animiert, laut zu bellen. Meistens dann, wenn man ein wichtiges Telefonat führt. Zudem gibt es Menschen, denen Hunde von Grund auf suspekt sind. Ja, auch jene Tiere, die nur spielen wollen.

Manche Leute sagen, sie seien darauf angewiesen, den Hund mit ins Büro zu bringen, weil er sonst allein in der Wohnung sitzen würde. Ein herzzerreissendes Argument. Doch wenn der eigene Lebensentwurf keinen Platz für einen Hund lässt, sollte man auch keinen halten – vor allem im Interesse des Tieres. Hunde würden ihre Tage bestimmt lieber im Park verbringen, als in einem muffigen Grossraumbüro unter einem Tisch zu liegen, wo sie genug Lethargie antrainiert bekommen, um der Sittlichkeit schweizerischer Bürokultur zu genügen.

(Martin Erdmann)

Pro: Hunde führen zu geringeren Fehlzeiten und höherer Produktivität

Zuerst: Ich bin befangen, da Hundehalter, der seinen Hund Newton sporadisch zur Arbeit mitnimmt. Weil er sonst allein zu Hause wäre. Schon klar, was die Anti-Büro-Hund-Fraktion nun einwendet: «Wieso dann einen Hund gekauft? Kann ich meinen Hamster auch mitbringen? Und was ist mit meinem Grossvater? Er ist auch einsam und furzt nur ab und zu.»

Alles schon gehört (nicht von Bürokollegen, sondern von privaten Kollegen – die aber die Bürokollegen von anderen Hundebesitzern sind). Kurz: Bürohundeskeptiker, ich höre euch. Und verstehe euch: Niemand will einen kläffenden Hund als Büronachbar oder seine Wade von ihm begattet haben.

Bürohunde schauen in der sterilen Umgebung nicht nur herzig verloren aus, sondern pimpen beim Streicheln unseren Chemiehaushalt auf.

Doch wie oft geschieht das? Einmal pro Jahr? Überhaupt nie? Die allermeisten Bürohunde fläzen in einer Ecke oder unter dem Tisch. Was eigentlich schade ist, denn Bürohunde schauen in der sterilen Umgebung nicht nur herzig verloren aus, sondern pimpen beim Streicheln unseren Chemiehaushalt auf: Das Hormon Oxytocin wird ausgeschüttet und senkt die Stresshormone Insulin und Cortisol.

Das alles ist mit Untersuchungen belegt, ebenso, dass Hunde in einem Büro zu geringeren Fehlzeiten und höherer Arbeitsmoral und Produktivität führen. Ausserdem wurde festgestellt, dass ein Büro von Jobbewerbern als attraktiv wahrgenommen wird, wenn Haustiere erlaubt sind – mit Ausnahme von schwarzen Katzen. Aber Katzen, das sehe ich wie mein Hund Newton, sind eh doof.

Ein Hundeintermezzo im Büro durchbricht übrigens auch automatisierte Abläufe und verhindert Kommunikationsinfarkte, will heissen: Die Leute lächeln und reden mehr miteinander. Das alles lässt für mich nur einen Schluss zu: Hunde sind die besseren Menschen. Okay, okay, das ist etwas hochgegriffen. Einigen wir uns darauf: freiwillige Helfer, von denen die Bürokultur nur profitieren kann.

(Philippe Zweifel)