Angelsächsische Firmen machen es vorBraucht es eine «Elternzeit» für Katzen- und Hundebesitzer?
So ungewöhnlich, wie es klingen mag, ist das nicht: Manche Unternehmen geben ihren Angestellten frei, damit die sich um tierischen Familienzuwachs kümmern können.
Es gibt diese Teamkollegin, deren Katze kürzlich die Gewohnheit angenommen hat, sich während der Videokonferenz links hinter ihr auf die Anrichte zu setzen. Sie sitzt dann dort und betreibt hingebungsvoll Körperpflege, und natürlich kann man nicht anders, als sie fasziniert zu betrachten (man vergisst darob sogar, sich selbst anzuschauen – sehr angenehm, denn die lästige Angewohnheit, seinen Blick auf sich selbst statt auf die Kolleginnen und Kollegen oder die Kamera zu richten, hat man auch nach eineinhalb Jahren Videotelefonie nicht im Griff).
Jedenfalls kann man sich den beruhigenden Effekt von Katzen, Hunden oder Meerschweinchen auf das menschliche Gemüt gut ausmalen. Während der Pandemie haben sich sehr viele Menschen einen Begleiter zugetan, man fühlte sich eben allein und verbrachte viel Zeit zu Hause. Die Tierheime waren zeitweise leer, Welpen wurden illegal importiert und in Grossbritannien sogar aus Häusern oder auf offener Strasse geklaut.
Also ist es nur konsequent, das Thema der Fürsorge für Haustiere weiterzudenken. Etwa in Form eines Betreuungsurlaubes für Tierhalter. Die Frage wurde jüngst durch eine Umfrage wieder aktuell. Der Gründer der britischen Gastro- und Detailhandelskette Boxpark stellte sie auf Linkedin zur Debatte, nachdem einer seiner Mitarbeitenden um freie Tage gebeten hatte, weil er sich einen Welpen angeschafft hatte. Über 34’000 Nutzerinnen und Nutzer stimmten ab, viele kommentierten die Frage: Einige fanden die Idee einer «Elternzeit» für Hunde- und Katzenhalter lächerlich; andere begrüssten sie – schliesslich bedeute etwa ein kleiner Welpe im Haus, nachts wenig zu schlafen und tagsüber andauernd dem Chaos hinterherzuräumen, schrieb jemand. Am Ende war das Resultat aber klar: 61 Prozent lehnten Betreuungstage für Tiere ab, 39 Prozent waren dafür.
Für Schweizer Verhältnisse mag der Vorschlag revolutionär klingen – doch im angelsächsischen Raum gibt es schon seit einigen Jahren Unternehmen, die ihren tierfreundlichen Angestellten grosszügig entgegenkommen. «Pawternity leave» nennen es die Medien – eine Wortspielerei, ausgehend vom englischen «maternity leave». Der «Business Insider» nannte vor zwei Jahren mehrere Firmen, in welchen Angestellte freibekommen, um sich um ihr junges Büsi oder den Welpen zu kümmern: unter anderem den US-Tierfutterhersteller Mars Petcare (10 Stunden) und die schottische Brauereigruppe Brew Dog (1 Woche).
Und in einigen nordamerikanischen Unternehmen gebe es bereits einen neuen Trend: freie Tage, um Abschied zu nehmen vom Haustier, nachdem es gestorben ist (schliesslich werden auch da die Angebote immer kreativer, in der Schweiz gibt es etwa seit kurzem Waldbestattungen für Tiere).
Dahinter steckt Firmenmarketing
Hinter diesen Nettigkeiten steckt natürlich mehr als nur Tierliebe: Arbeitgeber versuchen mit solchen Zückerchen, Talente an sich zu binden – wichtig besonders bei der jüngeren Generation, die nicht allein mit Geld gelockt werden will, sondern Sinn und Erfüllung in der Arbeit sucht.
Dazu gehört auch, dass immer mehr Chefs Tiere im Büro erlauben. Womit wir bei einer Frage wären, die derzeit besonders Hundebesitzerinnen und -besitzer umtreibt: Was tun, damit der womöglich noch nicht vollständig erzogene Vierbeiner nicht negativ auffällt, wenn man nun nach der Homeoffice-Pflicht an den Arbeitsplatz zurückkehrt? Auch dafür ist im Englischen bereits ein Wort kreiert worden: die «petiquette». Sie dürfte nun an Bedeutung gewinnen.
Und was die Sache mit dem britischen Boxpark-Angestellten und seinem Welpen angeht, so fand man eine Lösung: Der Mann bekam zwar keinen Urlaub, darf aber von zu Hause aus arbeiten, damit Hund Bailey sich einleben kann.
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