Euro zeitweise weniger wert als FrankenDer Euro hat eine psychologisch wichtige Grenze durchbrochen
Der Krieg in der Ukraine beschleunigt die Aufwertung des Frankens. Ein Experte schliesst nicht aus, dass die Nationalbank intervenieren könnte, um Panikreaktionen vorzubeugen.
Erstmals seit der Aufhebung des Mindestkurses im Jahr 2015 kostete nun ein Euro weniger als ein Schweizer Franken. Entspricht ein Franken einem Euro, spricht man von Parität. Diese Grenze ist aus Anlegersicht psychologisch bedeutend. Denn wenn die Talfahrt weitergeht oder sich sogar noch beschleunigt, kann es unter Anlegerinnen und Anlegern zu Panikreaktionen kommen.
Doch Thomas Flury, Devisenexperte bei der UBS, ist überzeugt, dass die Schweizerische Nationalbank (SNB) einschreitet, bevor der Euro auf 95 Rappen fällt. Aber derzeit sei noch keine Panik spürbar. Den aktuellen Anstieg des Frankens deutet Flury eher als eine gewisse Verunsicherung in der Eurozone.
Am Montag gab es erste Hinweise auf sehr geringfügige Bewegungen bei der SNB, die weit entfernt sind von den Interventionen zur Stützung des Frankens wie beispielsweise zu Beginn der Pandemie oder bei den französischen Präsidentschaftswahlen im Jahr 2017. Flury sieht derzeit auch noch keine Gründe für eine erhebliche Intervention: «Trotz Ukraine-Krieg ist die Ausgangslage für den Schweizer Franken derzeit weniger dramatisch als vor der Pandemie.»
«Die Überbewertung des Frankens ist für die Schweizer Wirtschaft insgesamt noch gut verkraftbar, einzelne Exporteure kann es trotzdem hart treffen».
Vor der Pandemie habe das reale Gleichgewicht rund 1.20 Franken zu 1 Euro betragen. «Jetzt liegt es bei 1.08 Franken.» Der Krieg habe dazu geführt, dass Anlegerinnen und Anleger vermehrt den sicheren Hafen des Schweizer Frankens ansteuern würden. Die Folge davon sei eine leichte Überwertung des Frankens. Nach Einschätzung von Flury ist diese für die Schweizer Wirtschaft insgesamt noch relativ gut verkraftbar, «was nicht bedeutet, dass es einzelne Exporteure trotzdem hart treffen kann».
Während der Euro gegenüber dem Schweizer Franken an Wert verliert, bleibt der Dollar weiterhin stabil. «Seit Mitte 2020 bewegt er sich mit einigen Schwankungen um rund 92 Rappen», sagt der Devisenexperte Thomas Flury. Er erwartet, dass der Dollar früher oder später steigt, und zwar unabhängig davon, ob der Krieg in der Ukraine noch länger dauert oder nicht.
Dass aufgrund der Auseinandersetzung in der Ukraine vor allem der Euro schwächer wird, begründet Flury mit der Nähe zu Russland: Egal, ob Investitionen oder das Handelsvolumen mit Gütern – Europa pflegt engere Beziehungen zu Russland als beispielsweise die USA.
Börse vorübergehend getaucht
Am Montag startete die Schweizer Börse tief im Minus. Der Grund dafür dürfte bei den Forderungen nach härteren Sanktionen gegen Russland liegen. So waren in den vergangenen Tagen vermehrt Stimmen zu hören, die einen Importstopp für russisches Erdöl verlangten.
Auch am 24. Februar, nach dem Start der russischen Invasion in der Ukraine, fielen die Kurse vorübergehend. Wie damals kam es auch jetzt rasch wieder zu einer gewissen Erholung – allerdings auf deutlich tieferem Niveau.
Der Grund für die aktuelle Aufwärtsbewegung am Finanzmarkt liegt womöglich auch in den Gesprächen zwischen der Ukraine und Russland, die seit Kriegsbeginn nun erstmals auf Regierungsebene stattfinden sollen.
Die Situation ist aber noch immer sehr unsicher: Anlegerinnen und Anleger müssen vorläufig weiterhin mit grösseren Kursausschlägen rechnen.
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