Führungswechsel bei RocheDer amtsälteste Schweizer Konzernchef tritt ab – das sind die Folgen
Wechsel an der Spitze des Basler Pharmakonzerns Roche: Severin Schwan will nächsten März gehen und ruft sich zu Selbstdisziplin auf.
Der amtsälteste CEO der Schweizer Börsengiganten wird kommenden März abtreten. Noch-Roche-Chef Severin Schwan wechselt auf die Tribüne der Verwaltungsratspräsidenten und ist bei dem Pharmakonzern nur noch für strategische Entscheide zuständig.
Auch der neue Konzernchef kommt aus Roches eigenen Türmen. Die Roche-Tradition einer geschlossenen – männlichen – internen Nachfolgekette lebt damit wieder auf. Dennoch könnte die Rochade zu einem Einschnitt bei dem Konzern führen.
«Ich freue mich wirklich sehr, dass wir mit Thomas Schinecker einen ausgezeichneten Nachfolger aus den eigenen Reihen gefunden haben», erklärte Schwan vor den Medien zum Stabwechsel. Tatsächlich steckt in der Ernennung jedoch Brisanz.
Zum einen gab es mehrere interne Kandidaten – einer davon war Bill Anderson, der Chef der viel grösseren Pharma-Sparte von Roche. Mit Schinecker aber erhält der Chef der kleinen Diagnostik-Sparte den Zuschlag, der mit den Corona-Tests ins Rampenlicht kam.
Die zweite Frage ist: Kann Schwan als Präsident seinen direkten Nachfolger auf dem Posten des Konzernchefs mit angemessener Distanz kontrollieren, wie dies die gute Unternehmensführung (Fachbegriff: Corporate Governance) verlangt?
Diagnostik glänzte in der Pandemie
Doch zunächst ein Blick auf den neuen Roche-Chef: Gleich zu Beginn der Corona-Krise im Januar 2020 konnte Schinecker, der die deutsche und die österreichische Staatsbürgerschaft hat und in Asien aufgewachsen ist, punkten: Roche war weltweit der erste Diagnostik-Konzern, der Tests für das neue Covid-19-Virus auf den Markt brachte. Das gelang allerdings in Zusammenarbeit mit der langjährigen kleinen Berliner Partnerfirma TIB Molbiol, die Roche vor wenigen Monaten übernommen hat. Der Molekularbiologe Schinecker schaffte es mit seinem Team, die Produktion in Rekordtempo hochzufahren und die ganze Welt mit über einer Milliarde Corona-Tests zu beliefern.
Das Erfolgsgeheimnis Schineckers ist, dass er mit dem gesamten Diagnostik-Geschäft stets bei neuen Varianten am Ball bleibt, egal, ob es sich um Coronaviren oder HIV handelt. Auch bei der Alzheimer-Diagnose entwickelt die Diagnostik-Sparte neue Ansätze. Ausserdem setzt Schinecker auf die Digitalisierung und will zum Beispiel mit einem Android-System Fotos von Wunden zur Ferndiagnose zugänglich machen.
Zukunftschef Schinecker darf noch keine Aussagen zu seinen Plänen für den Konzern machen. Es ist Schwan, der klarstellt, dass der Personenwechsel keinen Strategiewechsel bedeuten werde. Noch ist Schinecker Chef von Roches Diagnostik-Sparte und darf nur für diese sprechen. Er wird dieses Jahr 47 Jahre alt, ist seit fast zwanzig Jahren bei Roche und hat sich jugendliche Begeisterungsfähigkeit bewahrt.
Damit steht die Frage im Raum, wie viel Bewegungsspielraum der designierte CEO unter Roche-Urgestein Schwan haben wird. Beim Mediengespräch zeigt sich Schwan auf diese Frage freimütig: Er habe die anderen Verwaltungsratsmitglieder schon jetzt dazu aufgefordert, ihn daran zu erinnern, dass er dem neuen CEO Schinecker nicht zu stark dazwischenfunken solle, falls er selbst in seiner neuen Rolle als Präsident dazu nicht genügend Selbstdisziplin aufbringen könne.
Der direkte Wechsel eines CEO auf den Präsidentensessel ist umstritten, eben weil oft die Distanz zum Unternehmen wie auch zum Nachfolger fehlt. Die Schweiz erlaubt solche Wechsel zwar, andere Länder wie Deutschland oder Grossbritannien untersagen dies dagegen.
Aber bei Roche haben am Ende die Gründerfamilien Hoffmann und Oeri das letzte Wort. Nach dem Rückkauf der Roche-Aktien von Novartis konnten sie ihre Macht zementieren und halten nun 67,5 Prozent der Inhaberaktien. Familiensprecher André Hoffmann bleibt meist diskret im Hintergrund, doch zweifelt niemand daran, dass er die Eigentümerinteressen vertritt – und damit die Macht hat.
«Ich bin am Durchladen»
Bleibt die Frage nach Bill Anderson, ob der Amerikaner Leiter der Kernsparte Pharma bleibt, obwohl er bei der CEO-Wahl übergangen wurde. Der 56-jährige kommt von der Roche-Tochter Genentech und leitet das Pharma-Geschäft seit dem Jahr 2019: «Ich liebe es», sagt er nur auf die Frage, ob er denn nun bleiben werde. Eine eindeutige Antwort ist das nicht.
Roche hatte zuletzt zwei grössere Forschungsmisserfolge: Die mögliche neue Brustkrebstherapie Giredestrant und die neue Lungenkrebstherapie Tiragolumab scheiterten. Daher verlor jüngst die Roche-Aktie stärker als diejenige von Konkurrent Novartis. Pharma-Chef Anderson entgegnet hierzu: «Ich bin am Durchladen.»
Damit meint er, dass er mitten in der Umsetzung des auf zehn Jahre angelegten Programmes «Vision Pharma 2030» steckt. Ziel ist, den Nutzen der Forschung für die Patientinnen und Patienten zu verdoppeln, und zwar zu niedrigeren Kosten für die Gesellschaft. Der Erfolg dieses Projektes ist, was über die Zukunft von Roche entscheidet.
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