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Meinung

Kommentar zu Demo-Verboten
Protest auf der Strasse ist wertvoll – unsere Demokratie hält das aus

Pro-Palästina-Demo, Bundesplatz
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Die Emotionen seien «schon sehr hochgegangen» an der letzten Pro-Palästina-Demonstration, sagt Reto Nause. So flapsig begründet der Berner Sicherheitsdirektor von der Mitte-Partei ein Verbot aller öffentlichen Kundgebungen in der Bundesstadt bis Weihnachten.

Aber Nause verweist auch auf den dichten Eventkalender in der Stadt, vom Besuch des französischen Staatspräsidenten bis zu den Weihnachtsmärkten. Es klingt, als wollten sich Nause und die Berner Stadtregierung die vorweihnachtliche Glühwein- und Zimtsternstimmung nicht vermasseln lassen.

Diese Argumentation ist undemokratisch. Der Zibelemärit lässt sich nicht gegen politische Kundgebungen aufsummieren. Das Grundrecht auf Meinungsäusserung geht vor. Ausdrücken zu können, was einen als Bürgerin, als Bürger umtreibt, ist eine tragende Säule unseres Rechtsstaats, prominent verankert in den Verfassungen des Kantons Bern und der Eidgenossenschaft. 

Dadurch geschützt sind auch Meinungen, die für viele Leute unangenehm oder störend sind – solange sie die Grenze zur Illegalität nicht überschreiten. Eine ausgereifte Demokratie wie die Schweiz kann und muss Kontroversen aushalten.

Wer die Vorteile hat, muss auch die Nachteile tragen.

Bern zieht grosse Vorteile aus dem Status als Bundesstadt. Dazu gehört aber auch, Zentrumslasten zu tragen. Die sind in Bern verhältnismässig gering, wie ein Blick über die Landesgrenzen zeigt: In Berlin zum Beispiel finden pro Monat im Schnitt zwischen 200 und 600 Demonstrationen statt, wie der «Tagesspiegel» kürzlich zusammengetragen hat. Zum Vergleich: Die Berner Gewerbepolizei registrierte für das ganze Jahr 2022 394 Kundgebungen, wie deren Leiter auf Anfrage mitteilt.

Wenn Bern mehr Ressourcen braucht, um den unbestritten dichten Veranstaltungskalender polizeilich zu begleiten, dann gehört es zum Job des städtischen Sicherheitsdirektors, diese Ressourcen einzufordern. Ebenso gibt es Möglichkeiten, Verhältnismässigkeit walten zu lassen: Bei der Wahl der Route lassen sich Kompromisse finden, nicht jede Demo muss über den Bundesplatz führen. Dasselbe gilt beim Zeitpunkt der Kundgebung. Ebenso kann die Stadt Auflagen stellen.

Die Verhältnisse in Deutschland sind mit der Schweiz nicht zu vergleichen.

Interessant ist auch die Situation in Zürich, wo am Samstag die nächste grosse propalästinensische Kundgebung angekündigt – und bewilligt – ist. Der parteilose Zürcher Sicherheitsdirektor Mario Fehr übt Kritik daran und spricht sich für ein Verbot aus. Sein Argument: Er wolle «keine deutschen Verhältnisse auf Schweizer Plätzen», wie ihn die NZZ zitiert. Fehr meint damit entgleiste Anlässe wie eine Demonstration in Essen, wo Islamisten mittels Parolen auf Flaggen die Einrichtung eines Kalifats gefordert haben.

Mit Verlaub: Die Verhältnisse in Deutschland sind mit der Schweiz nicht zu vergleichen. Es ist hier besser gelungen, die Bildung von Parallelgesellschaften zu verhindern. So oder so gilt auch in Zürich (wie überall): Mit Auflagen und sorgfältiger Prüfung von Organisationskomitees lassen sich Auswüchse vermeiden. Gleich alle Kundgebungen zu verbieten, ist nicht verhältnismässig.