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Reaktion auf Proteste
Die AfD will Kurs halten

Co-leader of the far-right Alternative for Germany (AfD) party Alice Weidel speaks during the European Election Assembly of German far-right party Alternative for Germany (AfD - Alternative fuer Deutschland) at the fair grounds in Magdeburg, eastern Germany on July 29, 2023. Coming after recent local poll wins, the party is laying the ground for what it hopes will be further victories at European and state elections in 2024, as well as a national vote in 2025. (Photo by Ronny HARTMANN / AFP)
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Es bewegt sich etwas in Deutschland. So viel kann man schon einmal sagen: Seit Tagen ziehen Zehntausende Menschen bei einer der vielen Demonstrationen gegen Rechtsextremismus durch die Strassen. In Hamburg sahen sich die Organisatoren einer Kundgebung am Freitag gar gezwungen, die Veranstaltung abzubrechen, so gross war der Andrang.

Auslöser für die landesweiten Demonstrationen sind die Enthüllungen der Rechercheplattform Correctiv, die Details über ein Treffen von Rechtsextremisten in einem Potsdamer Hotel veröffentlichte, an dem auch Politiker der AfD teilgenommen haben sollen. Den Recherchen zufolge soll es bei der Zusammenkunft unter anderem darum gegangen sein, Menschen ausländischer Herkunft ausser Landes zu bringen, darunter auch deutsche Staatsbürger. (Lesen Sie hier unsere Analyse zu den Enthüllungen.)

Wie wirksam ist der Protest?

Seitdem formiert sich der Protest. Nur, wie weit hinein in die Gesellschaft reicht die Mobilisierung? Tief genug, um auch jene anzusprechen, die vielleicht doch mit dem Gedanken spielen, ihr Kreuz bei der AfD zu setzen? Und wie blickt die Partei selbst auf die Massen, die gegen sie auf die Strasse gehen? Fürchtet sie, dass die Zustimmung bröckelt?

Letzteres beantwortet einer aus der Parteiführung kurz und bündig. «Nein», sagt Carsten Hütter, Schatzmeister der AfD und Teil des Bundesvorstands. Als Begründung führt er die Erfahrungen an, die er zuletzt auf Abendveranstaltungen und an den Infoständen seiner Partei gesammelt hat. Klar, da gebe es einige Leute, die jetzt verunsichert seien, die aufgrund der Presseberichte nach Aufklärung fragten. «Selbst die eigenen Mitglieder stellen durchaus Fragen», sagt Hütter dieser Redaktion. Aber der Tenor bei vielen, mit denen er gerade spreche, sei ein anderer, da überwiege die Haltung: «Wir lassen uns nicht mehr davon abhalten, die AfD zu unterstützen und zu wählen.»

Hütter ist Landtagsabgeordneter seiner Partei im deutschen Bundesland Sachsen, Wahlkreis Meissen. Der sächsische Verfassungsschutz hat die AfD Anfang November 2023 als «gesichert rechtsextremistisch» eingeschätzt, zuvor galt sie in dem ostdeutschen Bundesland als «Verdachtsfall».

Aber selbst diese Hochstufung habe der Partei nicht geschadet, sagt Hütter, im Gegenteil. Menschen, mit denen er am Infostand spreche, sagten: «Genau darauf haben wir gewartet, das haben wir alles in der DDR schon einmal erlebt.» Die veränderte Bewertung des Verfassungsschutzes habe einige eher «gestärkt in dem Bestreben, die AfD zu unterstützen», sagt Hütter.

Weidels Entscheid stösst auf Kritik

Gänzlich unbenommen von den Enthüllungen und der anschliessenden Mobilisierung zeigt sich die AfD aber nicht. Der Vertrag von Roland Hartwig, Mitarbeiter von Parteichefin Alice Weidel und Teilnehmer in Potsdam, wurde vergangene Woche aufgelöst. Das kam nicht bei allen gut an.

People gather as they protest against the AfD party and right-wing extremism in Frankfurt/Main, Germany, Saturday, Jan. 20, 2024. Sign reads "never again 1933". (AP Photo/Michael Probst)

Der rechtsextremistische Verleger Götz Kubitschek, der als Vertrauter von Björn Höcke gilt, übte in einem Blogbeitrag deutliche Kritik – und griff Weidel damit direkt an. Den Umgang der Parteichefin mit Hartwig geisselte Kubitscheck als «Altparteienverhalten», das dem «Gegner Munition geliefert» habe. Weidels Sprecher Daniel Tapp weist diese Vorwürfe zurück, die Entscheidung über die Trennung von Hartwig sei vielschichtiger, als Kubitschek es darstelle. Tapp vermutet, mit seinem Beitrag habe der Verleger einfach Druck abgelassen.

AfD will nichts ändern

Ob und inwieweit die Partei auf die jüngsten Ereignisse reagieren soll, war offenbar auch Teil der Gespräche bei einer Klausurtagung des Bundesvorstands mit den Landesvorsitzenden am Samstag. Dort sei «kurz und intensiv über die Thematik» gesprochen worden, sagt Carsten Hütter. «Wir betrachten unseren Kurs aber nach wie vor als richtig.» Daniel Tapp berichtet von zwei Ansätzen, die hinsichtlich des Umgangs mit der derzeitigen Situation diskutiert würden. Neben der Fraktion «Kurs halten» gebe es auch Teile in der Partei, die sagten, man müsse besser und klarer kommunizieren.

Und während Politiker der AfD tagten, gingen bundesweit erneut Hunderttausende Menschen auf die Strasse, auch am Sonntag. Die Teilnehmerzahlen überschritten teils deutlich das, wovon die Organisatoren im Vorfeld ausgegangen waren. Die AfD kommt in Umfragen allerdings schon seit Monaten auf Zustimmungswerte von 20 Prozent und mehr. Ändert sich daran nun etwas?

Halbieren wird sich die AfD-Wählerschaft nicht

Ausgeschlossen ist das nicht. Der Politikwissenschaftler Frank Decker von der Universität Bonn beschäftigt sich schon seit Jahren mit der AfD. So eine grosse öffentliche Auseinandersetzung mit der Partei wie jetzt habe es bisher nicht gegeben, sagt er, nicht einmal nach den Aussagen von Björn Höcke 2017, in denen er das Holocaust-Mahnmal als «Denkmal der Schande» bezeichnete. Insofern markierten die jetzigen Demonstrationen «schon eine Zäsur», sagt Decker. Sie könnte «bestimmte Teile der AfD-Wählerschaft zum Nachdenken bringen». Er meint damit jene, die aus Verunsicherung, auch über die vielen Krisen, zur AfD tendierten und auf die die Radikalisierung der Partei sowie die Veröffentlichungen von Correctiv abschreckend wirken könnten. Vor allem auf Menschen in Westdeutschland könne das zutreffen, sagt Decker.

Naiv dürfe man aber nicht sein, sagt der Politikwissenschaftler: Halbieren, wie es Friedrich Merz einmal angekündigt hatte, lasse sich die potenzielle AfD-Wählerschaft nicht. Es könne allenfalls darum gehen, dass die derzeitigen Spitzenwerte in den Umfragen zurückgehen. Und auch hinsichtlich der Mobilisierung gesellschaftlicher Bereiche abseits des linken Milieus sieht Decker Grenzen: «Das wird», so schätzt er es ein, «zunächst nicht weit in das bürgerliche Spektrum hineinreichen.»