Schwergewicht Lombardi fehlten 45 Stimmen
Zeitenwende im Tessin: SP und SVP holen die beiden Ständeratssitze. CVP-Titan Filippo Lombardi muss nach 20 Jahren in Bern seinen Sessel räumen.

Was für ein Finale! Als am Nachmittag 113 der 115 Tessiner Gemeinden ausgezählt waren, sah es noch gut aus für Filippo Lombardi. Der CVP-Fraktionspräsident lag auf Platz zwei im Ständeratsrennen, rund 1000 Stimmen vor Kontrahentin Marina Carobbio. Erst mit den Ergebnissen von Locarno und Bellinzona schob sich die Sozialdemokratin hauchdünn vor Lombardi.
45 Stimmen betrug die Differenz zum Schluss. 45 Stimmen, in einem Kanton mit 350'000 Einwohnern. 45 Stimmen, die für die Linke eine Sensation bedeuten: Die amtierende Nationalratspräsidentin Marina Carobbio ist die erste Frau und die erste Sozialdemokratin, die für das Tessin in die kleine Kammer einzieht (lesen Sie hier die Ereignisse im Wahlticker).
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45 Stimmen aber auch, die eine der prägnantesten Figuren aus dem Bundeshaus entfernen. Filippo Lombardi, dieser 63-jährige Tessiner Titan, in dem sich finanzielle, politische und gesellschaftliche Macht zu einem eigentlichen Kraftzentrum verbinden; der im ersten Wahlgang vom 20. Oktober am meisten Stimmen auf sich vereinigte und eigentlich als unabwählbar galt; dieser Filippo Lombardi verpasst nach 20 Jahren im Ständerat die Wiederwahl.
Erstmals zieht die Tessiner SVP in den Ständerat ein.
Lombardis Schicksal ist bezeichnend für eine Tabula-rasa-Wahl im Südkanton. Neben Marina Carobbio bestimmten die Tessiner den SVP-Politiker Marco Chiesa als neuen Standesvertreter (mit einem starken Ergebnis). Auch dies ist in mehrfacher Hinsicht eine Premiere: Erstmals zieht die Volkspartei in den Ständerat ein. Derweil verliert die FDP ihren Sitz, den sie seit 1893 ununterbrochen zu verteidigen wusste. FDP-Kandidat Giovanni Merlini landete hinter Filippo Lombardi auf dem vierten Rang. Er gab noch am Nachmittag seinen Rückzug aus der Politik bekannt.
Wenn alte Feinde koalieren
Wie aber lässt sich der doppelte Sitzverlust der Mitte erklären? Viele Beobachter führen die Zeitenwende auf eine vergiftete Allianz zurück: CVP und FDP, seit dem 19. Jahrhundert die grossen Antipoden der Tessiner Politik, haben für diese Wahlen erstmals ein Bündnis geschmiedet.
Die Listenverbindung sicherte den beiden Parteien zwar die insgesamt vier Sitze im Nationalrat. Doch verzeichneten FDP und CVP am 20. Oktober bereits erhebliche Wählerverluste (lesen Sie hier nach, wie stark die Wirtschaftsparteien verloren haben, Abo+). Beim zweiten Wahlgang für den Ständerat zeigte sich nun noch viel deutlicher, dass die machtarithmetisch motivierte Mitte-Allianz nicht funktionierte. «Offenbar hat das Bündnis vielen FDPlern grosse Bauchschmerzen verursacht», sagte CVP-Mann Marco Romano.
«Die Polarisierung ist eine besorgniserregende Tendenz.»
Filippo Lombardi selbst wollte die Allianz trotz dem Wahlausgang nicht als strategischen Fehler bezeichnen. Wer Politik mache, müsse mit dem Risiko einer Abwahl leben, sagte er gegenüber dem Onlineportal Ticinonline. Er bedauere aber den Verlust der Sitze für das politische Zentrum. Die Polarisierung, die im Wahlresultat zum Ausdruck komme, sei eine besorgniserregende Tendenz. Wie seine eigene Zukunft aussieht, liess Lombardi noch offen. «Ich werde an diesem Montag nach Bern fahren für eine Kommissionssitzung.» Im Dezember werde er sich die Zeit nehmen, über die Zukunft nachzudenken.
Die CVP sucht einen Chef
Während Lombardi sich dafür nicht beeilen muss, stellt seine Abwahl seine Partei vor ein dringendes Problem. Im Grunde genommen braucht die mit BDP und EVP verstärkte CVP-Fraktion schon in zwei Wochen, wenn das neue Parlament in Bern vereidigt wird, eine neue Vorsitzende oder einen neuen Vorsitzenden. Im Kreise der Anwärter befinden sich unter anderen die Nationalräte Stefan Müller-Altermatt, Elisabeth Schneider-Schneiter und Vize-Fraktionspräsident Leo Müller. Sie alle zeigten sich betroffen über Lombardis Abwahl, hielten sich aber bedeckt, was die eigenen Ambitionen betrifft.
«Wir haben keinen Plan für dieses Szenario.»
«Wir haben keinen Plan für dieses Szenario», sagte Vize-Fraktionspräsident Leo Müller. Ob die Wahl eines neuen Fraktionsvorsitzenden binnen zwei Wochen erfolgen könne, werde sich zeigen. «Wir werden einen Prozess aufgleisen, um eine Nachfolge für Lombardi zu finden.» Wie lange diese Phase dauern werde, sei offen. Interimistisch sei es aber denkbar, dass er selbst die Führung übernehme, so Müller. «Deshalb gibt es ja einen Vizepräsidenten. Damit jemand die Geschäfte führen kann, wenn der Chef fehlt.»

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