Fifa-Geheimtreffen: Staatsanwalt abgesetztDas sind die drei gröbsten Fehler des Ermittlers gegen Infantino
Der ausserordentliche Staatsanwalt im Verfahren gegen Fifa-Chef Gianni Infantino muss in den Ausstand. Stefan Keller hat Infantino vorverurteilt und Unwahrheiten verbreitet.
Die unendliche Geschichte um die Geheimtreffen zwischen Fifa-Boss Gianni Infantino und Ex-Bundesanwalt Michael Lauber ist um ein Kapitel reicher. Seit letztem Sommer ermittelte der Obwaldner Richter Stefan Keller als Sonderstaatsanwalt in dieser Sache. Nun stoppt ihn das Bundesstrafgericht auf Antrag von Infantino. Die Richter aus Bellinzona schicken Keller in den Ausstand, weil er Infantino voreingenommen und unfair behandelt hat. Es bestünden wegen mehrerer Vorkommnisse «berechtigte Zweifel an der Unbefangenheit» Kellers, erklären die Richter.
Das Gericht stellt in seinem rechtskräftigen Beschluss vom 30. April eine Reihe von Verfehlungen Kellers fest. Das sind die drei gewichtigsten:
1. Keller hat Infantino vorverurteilt
Im letzten Dezember veröffentlichte Keller eine Medienmitteilung mit dem Titel: «Der a. o. Bundesanwalt sieht Anzeichen für strafbare Handlungen von Fifa-Chef Infantino». Darin teilte Keller der Öffentlichkeit mit, dass er auf «deutliche Anzeichen» gestossen sei, dass sich Infantino im Zusammenhang mit einem Privatjetflug aus Surinam strafbar gemacht haben könnte. Eine Strafuntersuchung wegen ungetreuer Geschäftsbesorgung sei angezeigt. Dafür sei aber nicht er, sondern die Bundesanwaltschaft zuständig.
Das Gericht hält nun fest, dass Keller damit «voreilig eine juristische Qualifikation vorweggenommen und Schuldvermutungen geäussert» habe, «was zwingend zu unterlassen gewesen wäre». Da mögliche Verfehlungen im Zusammenhang mit dem Surinam-Flug nicht in den Aufgabenbereich Kellers fielen, hätte er sich darüber auch nicht äussern dürfen. Keller habe suggeriert, dass die Bundesanwaltschaft tatsächlich ein Strafverfahren eröffnen würde und habe damit «in klarer Weise die Unschuldsvermutung verletzt». Für Infantino sei dies «zweifelsohne auch eine schwere Beeinträchtigung der sozialen Geltung und damit zumindest seiner zivilrechtlich geschützten Persönlichkeitsrechte» gewesen.
2. Keller hat irreführend kommuniziert
In der besagten Mitteilung vom Dezember schrieb Keller auch, er habe der Bundesanwaltschaft Unterlagen zum Surinam-Flug übermittelt. Doch das stimmte offenbar gar nicht. Damit habe Keller auch «irreführende und tatsachenwidrige Informationen kommuniziert», hält das Bundesstrafgericht nun fest.
Infantino brachte vor, Keller habe auch mit weiteren Medienmitteilungen «klar zum Ausdruck» gebracht, dass er sich nicht «als zu Neutralität und Objektivität verpflichteter Verfahrensleiter, sondern sich als einseitige, auf den eigenen Erfolg erpichte Gegenpartei» verstehe. Auch diesen Vorwurf bestätigt nun das Gericht.
«Ein derartiges Vorgehen ist äusserst fragwürdig.»
Keller hat mit seinen Mitteilungen wiederholt Verfahrensentscheide des Bundesstrafgerichts einseitig und verfrüht öffentlich gemacht. «Ein derartiges Vorgehen ist äusserst fragwürdig», schreiben nun die Richter dazu. Die Mitteilungen enthielten «irreführende und zum Teil unzutreffenden Äusserungen».
Tatsächlich hatte Keller in den Mitteilungen die für ihn positiven Gerichtsbeschlüsse viel prominenter wiedergegeben als die Entscheide gegen ihn – etwa als Infantino im Februar vom Gericht recht erhielt, dass Keller ihm die Namen seiner Mitarbeiter nennen müsse. Gesamthaft betrachtet entstehe der Eindruck, dass es Keller «nicht um eine objektive Kommunikation von wichtigen Zwischenschritten im Rahmen des Vorverfahrens gegangen ist, sondern vielmehr um einseitige Berichterstattung», urteilt das Gericht.
3. Keller hat ein Amtsgeheimnis ausgeplaudert
In der Januarausgabe der juristischen Fachzeitschrift «Plädoyer» erschien ein Porträt über Stefan Keller. Zentraler Aspekt des Porträts waren seine Untersuchungen gegen Infantino. Keller wurde unter anderem mit folgender Aussage zitiert: «Am Bundesstrafgericht laufen mehrere Verfahren in dieser Sache. Infantino will genau wissen, wer meine Hilfspersonen sind.»
Damit hat Keller ein Beschwerdeverfahren Infantinos öffentlich gemacht, «zu dessen Geheimhaltung er als Geheimnisträger verpflichtet gewesen wäre und zu dessen Offenbarung er als nicht zuständiger Geheimnisherr nicht befugt gewesen ist», so das Gericht. Mit diesem Fauxpas habe Keller seine Amtspflichten verletzt.
Keller weist in einem Communiqué die Vorwürfe, er habe irreführende und tatsachenwidrige Informationen kommuniziert, zurück. Es müsse nun geklärt werden, welche Auswirkungen der Beschluss «für die verschiedenen Verfahren sowie die übrigen Beteiligten» habe. Bis dahin werde er «keine weiteren Verfahrenshandlungen vornehmen». Die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft schreibt auf Anfrage, sie werde sich am 19. Mai mit der parlamentarischen Gerichtskommission über das weitere Vorgehen austauschen.
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