Affäre Lauber - InfantinoSonderermittler foutiert sich um Regeln
Stefan Keller führt eine unzulässige Befragung durch – und gefährdet so seine Verfahren gegen Fifa-Präsident Gianni Infantino und Ex-Bundesanwalt Michael Lauber.
Es ist dicke Post. Ausgerechnet Stefan Keller, der dafür eingesetzt wurde, möglicherweise unrechtmässige Handlungen der Spitze der Bundesanwaltschaft zu untersuchen, hält sich nicht an die gesetzlichen Bestimmungen. So hat Keller eine Einvernahme durchgeführt, die er nicht hätte durchführen dürfen. Dies stellt das Bundesstrafgericht in einem noch nicht publizierten Entscheid fest.
Der Sonderermittler des Bundes hatte am 17. November 2020 einen ehemaligen Fifa-Chauffeur zu Reisen seines Ex-Chefs Gianni Infantino befragt. Dazu war Keller aber nicht berechtigt. Die Beschwerderichter erklären die Einvernahme deshalb nun für nichtig. Damit könnten auch die Verfahren platzen, die Keller gegen den früheren Bundesanwalt Michael Lauber und Infantino initiiert hat.
Teurer Flug Infantinos
Keller sind zweierlei Aufgaben übertragen worden: Erstens hat ihn die Vereinigte Bundesversammlung zum ausserordentlichen Bundesanwalt gewählt. In dieser Hauptfunktion soll er die Geheimtreffen des zurückgetretenen Lauber mit Infantino untersuchen.
Zweitens hat die Aufsichtsbehörde über die Bundesanwaltschaft Keller mit einem kleineren Auftrag betraut: Er soll Vorabklärungen treffen zu weiteren Strafanzeigen im Zusammenhang mit der Bundesanwaltschaft beziehungsweise mit der Fifa. Bei einer dieser Anzeigen geht es um ein teures Privatjet-Chartern der Weltfussballspitze in Surinam. Im Surinam-Zusammenhang hat Keller im Geheimen den Ex-Fifa-Chauffeur befragt.
Ausserordentliche Bundesanwälte dürfen nur ermitteln, wenn es um Vorwürfe gegen (ehemalige) Bundesanwälte und ihre Stellvertreter geht.
Doch um dies rechtmässig tun zu dürfen, hätte ein Strafverfahren eröffnet werden müssen. Denn Staatsanwälte dürfen ohne Verfahren niemanden befragen. Ein Verfahren konnte Keller aber nicht eröffnen, denn er ist nur für die Geheimtreffen Laubers mit Infantino als ausserordentlicher Bundesanwalt eingesetzt worden.
Und überhaupt dürfen ausserordentliche Bundesanwälte nur ermitteln, wenn es um Vorwürfe gegen (ehemalige) Bundesanwälte und ihre Stellvertreter geht. In der Surinam-Sache ist dies nicht der Fall. Lauber spielt in der Sache keine ersichtliche Rolle.
Vorverurteilende Mitteilung
Keller sollte als hauptamtlicher Oberrichter in Obwalden die Grenzen der Bestimmungen wie der Strafprozessordnung kennen. Doch er verkannte die Rechtslage, wie das Bundesstrafgericht nun festhält. Und lud den Chauffeur als Auskunftsperson nach Sarnen vor.
Kurz nach der unrechtmässigen Einvernahme verkündete Keller in einer Medienmitteilung zum Surinam-Fall in vorverurteilender Weise: «Es gibt deutliche Anzeichen für ein strafbares Verhalten des Fifa-Präsidenten.» Einen Verweis auf die Unschuldsvermutung unterliess Keller.
Er erweckte zudem den falschen Eindruck, die Bundesanwaltschaft habe zugesichert, den Fall, bei dem es um ungetreue Geschäftsbesorgung geht, zu übernehmen. Keller schrieb in der Medienmitteilung nämlich, die Bundesanwaltschaft wolle sich der Sache «mit eigenen personellen Ressourcen annehmen».
Doch dies konnte bislang nicht geschehen. In Bern sind bis heute, drei Monate nach Kellers Pressemitteilung, noch nicht einmal die Akten aus Sarnen eingetroffen, «trotz schriftlicher Rückfrage», wie die Bundesanwaltschaft schreibt.
Neuerdings findet Keller, der sich ursprünglich für nicht zuständig erklärt hatte, er sei doch der Richtige für den Surinam-Fall. Dies hat er nun mitgeteilt, obschon das Bundesstrafgericht festgehalten hatte, es sei «unbestritten», dass der Fall nicht in seine Kompetenz falle.
Platini soll antraben
Auch im Hauptverfahren Kellers geht es nicht besonders schnell vorwärts. Rund ein halbes Jahr nach seiner Einsetzung als ausserordentlicher Bundesanwalt hat Keller weder Lauber noch Infantino zu den nicht protokollierten Zusammenkünften befragt.
Hingegen hat er Ex-Fifa-Präsident Sepp Blatter einvernommen. In wenigen Tagen steht zudem die Befragung des ehemaligen Uefa-Chefs Michel Platini an. Weder Blatter noch Platini haben, soweit bekannt, das Geringste mit den Geheimtreffen zu tun.
Infantinos Anwalt David Zollinger hat eine ganze Reihe von Beschwerden beim Bundesstrafgericht eingereicht. Mit mehreren ist er abgeblitzt. Mit jener wegen der Befragung des Chauffeurs nicht. Und diese könnte wichtig sein.
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