Synthetisches Benzin «Das Problem ist nicht der Motor, sondern der Kraftstoff»
Zusammen mit Partnern betreibt Porsche in Chile eine Produktionsanlage für synthetisch hergestellten Treibstoff. Was dieses Projekt erreichen soll, erklären Beschaffungsvorständin Barbara Frenkel und Entwicklungsvorstand Michael Steiner im Gespräch.
Wer die E-Fuel-Anlage von Porsche besuchen will, muss dafür ans Ende der Welt reisen. Das ist durchaus wörtlich gemeint, denn die Strasse, die vom Flughafen von Punta Arenas an der chilenischen Südspitze zum Werk Horu Oni führt, heisst «Ruta del Fin del Mundo», also die Strasse am Ende der Welt. Wieso der Sportwagenhersteller mit seinen Partnern ausgerechnet diese einsame Gegend in Patagonien für seine Pilotanlage gewählt hat, ist schnell erklärt: Hier windet es oft, und Windenergie ist eine der Zutaten für E-Fuel. Die Pilotanlage hat nur eine Produktionskapazität von 130’000 Liter pro Jahr. Doch bald sollen daraus 55 Millionen Liter und mehr werden.
Barbara Frenkel, Michael Steiner, wie kommt Porsche dazu, in Chile eine E-Fuel-Anlage zu initiieren?
Michael Steiner: Wir sehen uns hier in einer Pionierrolle und wollen zusammen mit Partnern technologische Lösungen aufzeigen. Es war bereits bekannt, dass es im Labormassstab möglich ist, synthetische Treibstoffe herzustellen. Aber keiner hatte bis dato die Initiative ergriffen und versucht, das industriell darzustellen.
Barbara Frenkel: Haru Oni ist eine Anlage, die es in diesem Massstab bislang noch nicht gab. Wir wollen hier beweisen, dass dieser verkettete Prozess tatsächlich funktioniert, dass er optimiert und skaliert werden kann.
Es ist das erste Mal, dass ein Autohersteller in die Treibstoffproduktion einsteigt. Warum dieser Schritt?
Steiner: Wir waren der Meinung, dass das Thema erst ernst genommen wird, wenn man zeigt, dass es geht. In der Vergangenheit wurde das gern als Spinnerei abgetan.
Frenkel: Für uns gehört zur Nachhaltigkeit das doppelte E: Die Elektromobilität hat für uns Priorität. E-Fuel sind eine sinnvolle Ergänzung. Sie könnten sofort einen Beitrag zur Dekarbonisierung des Verkehrs leisten. Wir denken da besonders an unsere Bestandsflotte, also all die Porsche-Fahrzeuge mit Verbrenner-Motor, die bereits auf den Strassen unterwegs sind und es noch lange sein werden.
Steiner: Weltweit sind rund 1,3 Milliarden Autos auf den Strassen unterwegs. Gemäss Prognosen wird sich dieser Bestand in den nächsten zehn, zwanzig Jahren auch nicht signifikant reduzieren. Es werden zwar viele Elektroautos hinzukommen, aber die dominierende Antriebsart bleibt wohl vorerst der Verbrennungsmotor. An dieses Thema müssen wir ran.
Frenkel: Die durchschnittliche Lebensdauer eines Fahrzeugs beträgt beispielsweise in Deutschland 18 Jahre. In anderen Ländern kann sie noch höher sein. Das heisst: Statistisch werden alle neuen Fahrzeuge, die wir heute auf der Strasse sehen, auch 2040 noch unterwegs sein.
«Die dominierende Antriebsart bleibt wohl vorerst der Verbrennungsmotor. An dieses Thema müssen wir ran.»
Es geht also nicht darum, den Verbrennungsmotor in Europa über das Jahr 2035 hinaus zu retten?
Steiner: Das hören wir immer wieder. Wir streben an, 2030 bereits mehr als 80 Prozent unserer Neuwagen vollelektrisch auszuliefern. Aber wir würden den Verbrennungsmotor nicht ohne Not aussterben lassen. Deshalb zeigen wir, dass man einen Verbrenner auch nachhaltig betreiben kann. Das Problem ist nach meiner Einschätzung nicht der Verbrennungsmotor, sondern der Kraftstoff.
Was bräuchte es für den wirtschaftlichen Erfolg von E-Fuel? Eine geringere CO2-Abgabe?
Steiner: Das wäre sinnvoll. Heute ist es günstiger, Erdöl zu raffinieren und zu verbrennen, weil nur die Förderung und die Raffinierung zu Buche schlagen und man das CO2 nicht aufwendig aus der Atmosphäre zurückgewinnen muss. Das führt dazu, dass fossile Kraftstoffe in der Herstellung viel günstiger sind als regenerative Kraftstoffe.
Frenkel: Über den zukünftigen Erfolg von E-Fuel entscheidet letztlich der Gesetzgeber. Wichtige Fragen sind dabei: Welchen Preis hat das CO2? Werden fossile Kraftstoffe mit einem Malus belegt, weil sie zusätzliches CO2 freisetzen? Werden synthetische Kraftstoffe begünstigt, weil sie nahezu CO2-neutral sind? Diese Faktoren entscheiden mit über den wirtschaftlichen Erfolg von E-Fuel.
«Statistisch werden alle neuen Fahrzeuge, die wir heute auf der Strasse sehen, auch 2040 noch unterwegs sein.»
An welchem Punkt steht denn das Thema E-Fuel derzeit in der Politik?
Steiner: Wir haben mittlerweile viel Rückenwind. Ein grosser Teil davon kommt aus den USA. Mit dem «Inflation Reduction Act» werden alle Produkte und Verfahren stark gefördert, die zur Reduzierung oder zur Rückgewinnung von CO2 beitragen, und zwar unabhängig davon, welchen Weg man wählt. In Europa gibt es Themen, die auf gutem Wege sind, etwa bei den Beimischquoten für manche Sektoren. Im Automobilsektor gibt es hier bislang aber eine deutliche Zurückhaltung.
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