Juwel im MeerDas Paradies ist nicht verloren
Ein ukrainischer Magnat wollte die ligurische Insel Gallinara kaufen. Der Vertrag war schon unterzeichnet. Doch die italienische Regierung verhinderte das Geschäft in letzter Minute.
Vor Ligurien liegt eine kleine Insel, die aussieht wie eine Schildkröte mit ausgestrecktem Kopf. Ihren Namen aber hat sie von den wilden Hühnern, von denen sie in der Antike bevölkert wurde: Gallinara. Die alten Römer neigten nun mal dazu, den Inseln Tiernamen zu geben. Capri, die Glamouröse? Kommt vom lateinischen Wort capreae, Ziegen.
Gallinara ist ein Kleinod, ein grüner Punkt im Azur, nur eineinhalb Kilometer von der Küste der Stadt Albenga entfernt, zu der sie gehört. 470 Meter lang, 450 Meter breit, im höchsten Punkt 87 Meter hoch. Im 12. Jahrhundert versteckte sich Papst Alexander III. da, als ihm Friedrich I. «Barbarossa» nachstellte. Später entstand auf Gallinara ein Benediktinerkloster, das so mächtig wurde, dass es weitherum strahlte, in die Provence und bis nach Katalonien.
Eine süsse Versuchung
Ein Industrieller aus Genua kaufte die Insel im 20. Jahrhundert, wie das Gesetz es vorsieht: unter strengen Auflagen. Er brachte Wasser und Strom. Gallinaras Faszinosum rührt wohl auch daher, dass man sie nur mit Bewilligung betreten darf: Die Insel ist ein Naturreservat. So greifbar nah und doch so verboten, eine süsse Versuchung für Liebende auf der Suche nach einem romantischen Ort.
Nun drohte plötzlich eine jähe Entfremdung, und das mitten im Sommer der Pandemie, als von den Stränden Albengas und Alassios so viele Menschen wie nie zu ihr hinüberschauten – mit diesem Verlangen nach einer einsamen, seuchenfreien Insel.
Ein vermögender Ukrainer, Olexandr Bohuslajew (42), Sohn eines Grossindustriellen, hat die Insel Gallinara im Juli jenen neun ligurischen und piemontesischen Familien abgekauft, denen sie in den vergangenen vierzig Jahren gehört hatte. Für 25 Millionen Euro, der Vertrag war schon unterzeichnet. Im Preis inbegriffen waren auch die Villa Diana auf der Anhöhe, ihre Dependancen und das Schwimmbad. Verlockend für den reichen Mann, seinen Wohnsitz hat er im steuerfreien Monaco, nur eine Autostunde entfernt. Gallinara!
Protest aus allen Richtungen
Der Kauf war rechtlich in Ordnung. Die Besitzer hatten ihre Freude an der Insel ohnehin verloren, es gab nämlich oft Scherereien mit der Gemeinde. Und die Unterhaltskosten? Horrend. Zuletzt war auch die Stromzufuhr unterbrochen, man müsste mal wieder die verrosteten Kabel am Meeresboden ersetzen. Die Millionen des Ukrainers kamen sehr gelegen.
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Doch dann erhob sich der Protest von Naturschützern und Präventivnostalgikern, von lokalen und nationalen Politikern. Es bestehe die Gefahr, hiess es, dass der neue Besitzer die Insel allein für sich beanspruchen würde und die Italiener sie nicht mehr besuchen dürften. Die Empörung schwappte bis nach Rom ins Kulturministerium und zu dessen Vorsteher, dem Sozialdemokraten Dario Franceschini. Wollte er den Verkauf noch verhindern, musste er schnell handeln. Der Staat hat bei Gütern von nationalem kulturellem Interesse, wie Gallinara eines ist, ein Vorkaufsrecht, es ist aber an Fristen gebunden.
Franceschini griff ein, gerade noch rechtzeitig. Der Staat hat nun Villa Diana gekauft, das einzige bewohnbare Haus auf der Insel. Und da zum Schutz der reichen Flora und Fauna auf Gallinara nichts Neues gebaut werden darf, verlor das ganze Objekt über Nacht allen Reiz. Der Ukrainer mit seinem vielen Geld zog sich wieder zurück. Die Italiener planen nun ein Museum in der Villa, etwas mit Archäologie, und, wer weiss, vielleicht setzen sie ja wieder Hühner aus.
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