Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Q&A zur Bundestagswahl
Warum Laschet als Verlierer deutscher Kanzler werden kann

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Am Sonntag fand die deutsche Bundestagswahl statt. Am Fernsehen traten aber fast nur die Kanzlerkandidaten auf. Wer wurde eigentlich gewählt?

Der Bundestag. Das ist die grosse Kammer des deutschen Parlaments. Er entspricht dem Schweizer Nationalrat. Die Abgeordneten wählen später den Bundeskanzler oder die Bundeskanzlerin und damit die deutsche Regierung. Grundsätzlich ist der Bundestag die Legislative, die gesetzgebende Versammlung. In den kommenden vier Jahren ändern die Bundestagsabgeordneten bestehende Gesetze und verabschieden neue. Und sie kontrollieren die Regierung, die Exekutive. Nicht gewählt wird hingegen der sogenannte Bundesrat, mit 69 Sitzen die kleine Kammer des deutschen Parlaments. Darin vertreten sind die 16 Bundesländer. Der deutsche Bundesrat ist vergleichbar mit unserem Ständerat. (Deutsche Bundestagswahl: Interaktive Übersicht der Resultate, Sitzverteilung und möglichen Koalitionen)

Wann gibt es endlich einen neuen Kanzler oder eine neue Kanzlerin?

Die Regierungsbildung beginnt, sobald alle Abgeordneten feststehen. Um regieren zu können, werden mehr als die Hälfte aller Bundestagssitze benötigt, also die absolute Mehrheit. Wenn keine Partei die absolute Mehrheit hat, was üblich ist und auch 2021 der Fall ist, tun sich verschiedene Parteien zu einer Koalition zusammen. Im Wahlkampf haben sich diese Parteien eben noch gestritten, nun müssen sie Kompromisse finden. Dafür braucht es viel Geduld und nächtelange Gespräche. Ist man sich einig, schliesst man einen Koalitionsvertrag ab. Darauf tritt der Bundestag zusammen und die Regierungskoalition wählt den Kanzler oder die Kanzlerin. (Zum Thema Koalition: Ampel, Jamaika – oder doch Groko? Wer jetzt mit wem regieren könnte)

Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.

An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.

Bedeutet das, dass der Bundestag jemand anderen als Olaf Scholz oder Armin Laschet zum Kanzler wählen könnte?

Nur theoretisch. Denn die Parteien haben vor der Wahl einen Kandidaten fürs Kanzleramt bestimmt, damit die Wählerinnen und Wähler wissen, was ihnen blüht. Das heisst: Die SPD hat zwar die Wahlen knapp gewonnen, doch nun muss es ihrem Kanzlerkandidaten Olaf Scholz gelingen, eine Regierungskoalition zu bilden. Erst dann kann er Nachfolger von Angela Merkel werden. Gleichzeitig kann auch der Wahlverlierer Armin Laschet von der CDU versuchen, eine Regierung zusammenzustellen.

Gab es das schon einmal, dass ein zweitplatzierter Kanzlerkandidat die Regierung bilden konnte?

Ja, dafür gibt es Präzedenzfälle: 1969 erhielt die CDU mit Kanzlerkandidat Kurt Georg Kiesinger am meisten Stimmen. Kanzler wurde jedoch der zweitplatzierte Willy Brandt von der SPD, der sich mit der FDP auf eine Koalition einigte. Dito 1975: Die von Helmut Kohl angeführte CDU holte zwar am meisten Sitze, Kanzler Helmut Schmidt regierte jedoch weiter zusammen mit der FDP, angeführt von Hans-Dietrich Genscher als Aussenminister. 1980 kam es ähnlich heraus mit Franz Josef Strauss als Kanzlerkandidaten der Union.

Könnte also auch die Alternative für Deutschland (AfD) eine Regierung bilden?

Sie kann es versuchen, aber es wäre reine Zeitverschwendung samt vergeudeten Telefonspesen. Denn die Partei würde keine Mehrheit zusammenbringen.

Wie läuft die Bundestagswahl ab?

Sie findet alle vier Jahre statt. 60,4 Millionen Deutsche – das sind alle, die über 18 Jahre alt sind – dürfen wählen. Entweder per Briefwahl oder am Wahltag in einem Wahllokal. Dabei können sie zwei Stimmen abgeben: die Erststimme und die Zweitstimme. Bei der Erststimme stehen Personen zur Auswahl – im Prinzip handelt es sich um eine Majorzwahl. Die Kandidatinnen und Kandidaten bewerben sich in ihrem Wahlkreis für ein Bundestagsmandat. Die meisten von ihnen sind Mitglied einer Partei, sie können aber auch als Unabhängige antreten. Wer in einem Wahlkreis am meisten Stimmen holt, ist in jedem Fall in den Bundestag gewählt. Hier spricht man von einem Direktmandat.

Wie viele Direktmandate gibt es?

299 aus 299 Wahlkreisen. Damit wird sichergestellt, dass alle Regionen Deutschlands im Bundestag vertreten sind. Die 299 Direktmandate entsprechen der Hälfte des Bundestags mit seinen 598 Sitzen.

Worum geht es bei der Zweitstimme?

Um die andere Hälfte des Bundestags. Hier stehen Parteien zur Auswahl. Die Zweitstimmen entscheiden, welchen Anteil der Sitze eine Partei im Bundestag insgesamt hat – das ist also eine Proporzwahl. Holt eine Partei 30 Prozent der Stimmen, bekommt sie mindestens 30 Prozent der Sitze. Vor der Wahl veröffentlichen die Parteien Listen für jedes der 16 Bundesländer mit Namen von Politikerinnen und Politikern, die sie in den Bundestag entsenden möchten. Entsprechend dem Anteil der Zweitstimmen kommen Kandidaten der Parteiliste neben den direkt gewählten Kandidaten ebenfalls in den Bundestag. Allerdings nur, wenn die Partei die 5-Prozent-Hürde schafft.

Was ist die 5-Prozent-Hürde?

Eine Barriere, die verhindert, dass Kleinstparteien in den Bundestag kommen. In der Schweiz gibt es diese Hürde nicht. In Deutschland aber muss eine Partei landesweit mindestens 5 Prozent der Zweitstimmen erhalten, damit sie in den Bundestag einziehen kann. Das gelingt nicht jeder Partei, die zur Auswahl steht.

Gibt es keine Ausnahmen bei der 5-Prozent-Hürde?

Doch. Wenn eine Partei mindestens drei Direktmandate holt, kann sie entsprechend dem Anteil ihrer Zweitstimmen zusätzliche Abgeordnete in den Bundestag entsenden – auch wenn der Anteil der Zweitstimmen unter 5 Prozent liegt. Dies gilt aktuell für Die Linke. Sie hat zwar laut dem vorläufigen Ergebnis die 5-Prozent-Hürde nicht geschafft, allerdings hat sie sich mit dem Gewinn von mindestens drei Direktmandaten den Wiedereinzug in den Bundestag gesichert – für alle 39 Abgeordnete.

Am Wahlabend war auf den deutschen Fernsehsendern oft die Rede von Überhang- und Ausgleichsmandaten. Das klingt kompliziert!

Halb so wild. Zuerst zu den Überhangmandaten: Diese entstehen, wenn von einer Partei mehr Direktkandidaten gewählt werden, als ihr gemäss dem Zweitstimmenergebnis – also der Parteienwahl – prozentual zustehen würden. Um diesen «Fehler» zu korrigieren, gibt es Ausgleichsmandate. Diese erhalten jene Parteien mit mehr Zweitstimmen. Mit den Ausgleichsmandaten wird der «Fehler» also korrigiert. Die Folge davon: Der Bundestag hat mehr als die vorgesehenen 598 Sitze. Im aktuellen Bundestag, der 2017 gewählt wurde, gibt es deshalb 709 Abgeordnete.

Je nachdem, wie lange die Regierungsbildung dauert, kann Angela Merkel sogar noch Rekordkanzlerin werden.

Wie lange regiert Angela Merkel noch?

Das wissen wir nicht, aber sie weiss es auch nicht. Die Kanzlerin regiert nun nach der Bundestagswahl weiter, wenn auch nur geschäftsführend, bis eine neue Regierung, sprich eine Koalition, gebildet ist. Das kann sich hinziehen. Je nachdem, wie lange die Regierungsbildung dauert, kann Angela Merkel sogar noch Rekordkanzlerin werden: Helmut Kohl regierte 5869 Tage lang (16 Jahre und 25 Tage). Um ihn zu überholen, müsste sie bis zum 17. Dezember 2021 regieren. Anders ausgedrückt: Merkel kann Kohl überholen, falls die Koalitionsverhandlungen zäh verlaufen. 2017 dauerten sie sogar eine halbes Jahr! Beobachter vermuten deshalb, dass Angela Merkel nochmals die Neujahrsansprache halten wird. An dritter Stelle mit 5143 Tagen (14 Amtsjahren) liegt übrigens Konrad Adenauer, der Gründungskanzler der Bundesrepublik.