Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Leak zum Capitol-Sturm
Das löchrigste Geheim­verfahren der USA

Mark Meadows gibt Donald Trump eine Notiz: Der frühere Stabschef im Weissen Haus war eng in den Putschversuch seines Chefs involviert, wie Textnachrichten belegen.

Diesmal sind es über 2000 Textnachrichten von Donald Trumps Stabschef, die ihren Weg zum Fernsehsender CNN gefunden haben. Die Botschaften hat Mark Meadows zwischen der Präsidentschaftswahl und der Amtseinsetzung von Joe Biden geschickt oder erhalten. Alarmiert schrieb ihm zum Beispiel Marjorie Taylor Greene am 6. Januar.

Die stramme Trump-Anhängerin aus Georgia befand sich im Parlament, als ein Mob das Gebäude stürmte, um die Bestätigung von Bidens Wahl zu verhindern («Wie Trump am 6. Januar putschen wollte»). Hektisch und ohne Interpunktion tippte Greene: «Mark Ich habe soeben erfahren dass jemand im ersten Stock des Capitol um sich schiesst Bitte sag dem Präsidenten er müsse die Leute beruhigen Auf diese Weise lösen wir gar nichts.» Schon am nächsten Tag krebste Greene zurück. «Gestern war ein schrecklicher Tag. Wir haben alles versucht (…). Es tut mir leid, dass nichts funktioniert hat.» Trump trage keine Schuld an dem Sturm. Inzwischen verteidigt Greene wie fast alle Republikaner die Capitol-Stürmer als aufrechte Patrioten, die von der Justiz zu Unrecht hart angegangen würden (hören Sie im Podcast, was mit den Capitol-Stürmern geschieht).

2319 Textnachrichten

Der Austausch mit Greene ist Teil von 2319 Textnachrichten, die Trumps letzter Stabschef Meadows an einen Untersuchungssausschuss des Repräsentantenhauses übergeben hat – Tausende andere hat er nicht herausgerückt. Gleich zwei Vorgänger von Meadows etwa haben dem Stabschef am 6. Januar geschrieben, der Sturm auf das Capitol gehe zu weit. «Mark: Er muss das stoppen, jetzt. Kann ich irgendwie helfen?», fragte ihn etwa Mick Mulvaney. In Grossbuchstaben drückte Reince Priebus unmissverständlich aus: «SAGT IHNEN, SIE SOLLEN NACH HAUSE GEHEN!!!»

«SAGT IHNEN, SIE SOLLEN NACH HAUSE GEHEN!!!»

Reince Priebus, ehemaliger Stabschef von Trump, am Tag des Capitol-Sturms

Das Gremium, das die Nachrichten erhalten hat, nimmt die Geschehnisse rund um den 6. Januar und besonders die Rolle von Trump und seinem Umfeld unter die Lupe. Unter Führung der Demokraten sucht es Material, mit dem es Trump persönlich strafrechtlich belangen könnte, um ihn politisch auszuschalten (ein Bundesrichter hat den Putschversuch bereits als «wahrscheinlich» kriminell bewertet). Die Untersuchung soll den Demokraten zudem Argumente liefern für die Zwischenwahlen im Herbst, um Trump-treue Kandidaten als Landesverräter brandmarken zu können.

Es begann am Abend der Wahl

Der unscheinbare Abgeordnete Scott Perry aus Pennsylvania etwa hat sich als besonders umtriebiger Putschist erwiesen. Bereits am 12. November, etwas mehr als eine Woche nach der Wahl, regte der frühere Minister unter Trump an, den Geheimdienst NSA einzusetzen, um angebliche Manipulationen an den Wahlmaschinen von Dominion aufzuklären. Die Nachrichten beginnen aber bereits am Wahltag: Während sich die Auszählung der Staaten in den Abend zog und das Resultat unklar war, wurde Meadows bereits mit angeblichen Hinweisen auf Wahlfälschungen bombardiert – und mit Putschplänen. Trump hatte dafür den Boden bereitet: Er hatte während seiner ganzen Kampagne immer wieder behauptet, er verliere die Wahl nur, wenn sie gefälscht werde. Meadows’ Textnachrichten lassen durchscheinen, dass er selbst nicht alle Behauptungen glaubt. Doch verbreitete er selbst dabei Verschwörungstheorien und ermutigte und koordinierte jene, die Putschmöglichkeiten suchten (lesen Sie, wie Trump seine Spuren verwischte, indem er Notizen in der Toilette entsorgte).

Der Höhepunkt der Untersuchungen des Ausschusses steht allerdings erst noch bevor. Bisher war er hinter verschlossenen Türen tätig, sammelte Tausende Gigabyte von Daten und befragte Hunderte von Zeugen (im derzeit schwierigsten Job der USA). Für den Juni aber sind öffentliche Anhörungen angesetzt. Dort wollen die Demokraten in einem tagelangen Schauprozess ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit zerren, wie Trump zu putschen versuchte, um an der Macht zu bleiben.

Doch seit Beginn des Verfahrens sind ständig vertrauliche Akten an die Öffentlichkeit gelangt – wie jetzt die Textnachrichten von Meadows. Für die Republikaner sind das zunächst schlechte Schlagzeilen. Donald Trump redet zwar bei jeder Gelegenheit über den angeblichen Betrug bei den Präsidentschaftswahlen 2020, zur Freude seiner Fans.

Kevin McCarthys peinlicher Auftritt

Doch viele Republikaner würden vor den Zwischenwahlen lieber über jene Themen reden, die den Wählern unter den Nägeln brennen: die Teuerung, die Einwanderung an der Südgrenze, Russland. Da kommt es ungelegen, wenn bekannt wird, wie Trumps Gefolgsleute Wahlmaschinen beschlagnahmen lassen wollten, unter eifriger Führung von seinem Anwalt Rudolph Giuliani. Oder der Austausch zwischen Tucker Carlson und Mark Meadows am 6. Januar, in dem der Fox-Starmoderator forderte, Trump müsse den Mob zurückrufen. Carlson, opportunistisch wie Greene, behauptete kurz darauf, Antifa-Aktivisten hätten die Gewalt angezettelt (lesen Sie, wie Republikaner vor Trump kuschen).

«Mir reicht es mit diesem Typen.»

Kevin McCarthy, republikanischer Minderheitsführer, über Donald Trump

Als Wendehals und Lügner entlarvte sich in diesen Tagen auch Kevin McCarthy, Minderheitsführer im Repräsentantenhaus. Er habe sich kurz nach dem 6. Januar sogar gefreut über den Capitol-Sturm, weil Trump damit erledigt sei. «Mir reicht es mit diesem Typen», sagte er vor Parteikadern. «Was er gemacht hat, ist inakzeptabel. Niemand kann das verteidigen, und niemand sollte es verteidigen.»

Anhänger von Präsident Donald Trump versammeln sich am Mittwoch, 6. Januar 2021, vor dem US-Kapitol in Washington.

Noch am 10. Januar kündigte McCarthy den Parteikollegen an, Trump den Rücktritt nahezulegen. Trump sei durch ein Amtsenthebungsverfahren gefährdet, und er werde ihm sagen: «Ich glaube, es käme durch, und meine Empfehlung ist, dass Sie zurücktreten sollten.» Das enthüllen Alexander Burns und Jonathan Martin von der «New York Times» in ihrem angekündigten Buch «This Will Not Pass: Trump, Biden and the Battle for America’s Future».

Beim Lügen kalt erwischt

Nach ihrem ersten Artikel vor einer Woche stellte McCarthy alles in Abrede – worauf die Journalisten eine Tonaufnahme veröffentlichten. Trump soll sich köstlich über den Schlagabtausch freuen. Er traut McCarthy ohnehin nicht, entscheidend für ihn ist jedoch, dass dieser Ende Januar in Mar-a-Lago zu Kreuze kroch und Trump inzwischen wieder vorbehaltlos verteidigt.

Bei den Demokraten wachsen allerdings die Sorgen, dass die ständigen Schlagzeilen die Öffentlichkeit auch ermüden könnten, wie das Washingtoner Medium «Axios» berichtete. Im Juni, wenn der Höhepunkt der Untersuchung folgen soll, könnte das Interesse verflogen sein. Dann würde wohl auch der erhoffte Effekt für die Zwischenwahlen verpuffen.

Bereits ziehen Demokraten Parallelen zur Mueller-Untersuchung, bei der Sonderermittler Robert Mueller versuchte, Russlands Einmischung in die Wahlen 2016 zu belegen. Das Verfahren löste einen zwei Jahre dauernden Sturm der Berichterstattung aus – bis es im Frühling 2019 implodierte. Diesmal dringen sogar noch mehr vertrauliche Unterlagen an die Öffentlichkeit, wie Ty Cobb, unter Trump Anwalt im Weissen Haus und für die Mueller-Untersuchung tätig, zu «Axios» sagte. «Ich glaube nicht, dass ich je etwas mit so vielen Leaks erlebt habe.»

«Alles klar, Amerika?» – der USA-Podcast von Tamedia
Den Podcast können Sie auf 
SpotifyApple Podcasts oder Google Podcasts abonnieren. Falls Sie eine andere Podcast-App nutzen, suchen Sie einfach nach «Alles klar, Amerika?».