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Dokumente zerrissen
Donald Trump verwischte seine Spuren

Donald Trump an seinem Bürotelefon im Oval Office: Oft benutzte er sein privates Mobiltelefon für Amtsgespräche. Das erschwert die Rekonstruktion der Ereignisse um den Sturm auf das Kapitol.
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Sonderlich überrascht es nicht, dass Donald Trump auf Regeln pfeift. Nun aber gelangt ans Licht, wie egal ihm die Gesetze waren. Im Weissen Haus war in Trumps Amtszeit regelmässig eine Toilette mit Papierfetzen verstopft. Der Präsident habe dort jeweils zerrissene Dokumente entsorgt, vermuten Angestellte. So beschreibt es Maggie Haberman, Starreporterin der New York Times, in einem neuen Buch, das demnächst erscheinen wird. Trump sei bei seinen Leuten bekannt gewesen dafür, auf Auslandreisen Akten ins Klo zu spülen.

Trump weist diese Darstellung als «fake» zurück. Für Furore sorgt sie in den USA dennoch, weil sie in ein Schema passt. Trump versucht mit allen Mitteln, die Aufklärung seines Putschversuchs vor und während des 6. Januar zu hintertreiben. Nun mehren sich die Hinweise darauf, dass er bereits im Oval Office viel unternommen hat, um eine spätere Aufarbeitung zu erschweren oder gar zu verhindern.

Ritsch, ratsch

Ein besonderes Gesetz verpflichtet den US-Präsidenten dazu, seine Amtshandlungen zu dokumentieren und die Akten am Ende seines Mandats dem Nationalarchiv zu übergeben. Trump war das jedoch von Anfang an egal. Papiere, mit denen er fertig war, pflegte er zuerst in zwei Stücke zu zerreissen, die er dann halbierte. Ab und zu zerlegte er aber auch alles in kleine Fetzchen, die er in den Papierkorb oder achtlos auf den Boden warf.

Schon 2018 hatte «Politico» beschrieben, wie Archivisten ihre Arbeitszeit hauptsächlich damit verbrachten, die Fetzen zu sichten, wie Puzzleteilchen zu sortieren und mit Klebestreifen zusammenzuflicken. Ehemalige Mitarbeiter verteidigten Trump halbherzig: Er habe die Unterlagen wahllos zerrissen, es handle sich dabei um eine Macke, nicht um einen Versuch, sensible Daten zu vernichten.

Die Macke wird politisch

Inzwischen hat die angebliche Macke aber eine sehr politische Dimension angenommen. Ein Parlamentsauschuss versucht seit Monaten, das Verhalten Trumps um den 6. Januar 2021 zu beleuchten. Trump versuchte vor Gericht zu verhindern, dass das Gremium seine Unterlagen einsehen darf. Mittlerweile hat das Gremium mehrere zusammengeklebte Dokumente aus dem Nationalarchiv erhalten. Dieses hat der «Washington Post» bestätigt, dass es von Trump eine ganze Reihe mit Klebstreifen reparierte Akten bekommen hat – nebst einem Haufen loser Papierstücke.

Andere offizielle Dokumente liess Trump nach seiner Abwahl einfach mitgehen. Ganze 15 Kisten musste das Nationalarchiv in seinem Resort Mar-a-Lago in Florida abholen lassen, was Trump erst nach monatelangen Verhandlungen billigte. In den Kisten fanden die Archivisten unter anderem die «Liebesbriefe» von Kim Jong Un, wie Trump sie nannte, und ein Schreiben von Barack Obama an seinen Nachfolger. Trumps Leute suchen laut der Archivbehörde noch immer nach weiterem Material, das eigentlich längst in die offiziellen Bestände gehört hätte. Die Archivisten haben das Justizdepartement eingeschaltet, um zu klären, ob Trump dabei Gesetze verletzt hat.

Das Telefonprotokoll hat Lücken

Fragen werfen ausserdem Trumps Telefonate vom 6. Januar auf. Der Parlamentsausschuss weiss von einer ganzen Reihe von Gesprächen, die Trump an jenem Tag führte – unter anderem mit dem republikanischen Minderheitsführer Kevin McCarthy, der ihn während des Sturms aufs Kapitol anflehte, den Mob zurückzupfeifen. In den offiziellen Telefonprotokollen sind jedoch gemäss New York Times nur lückenhafte Daten darüber zu finden. Es gibt keine Hinweise darauf, dass Trump Daten löschen liess. Doch er war bekannt dafür, Anrufe mit seinem privaten Gerät anstelle des Diensttelefons zu führen, oft lieh er sich auch das nächstbeste Telefon naher Vertrauter, insbesondere seines persönlichen Bodyguards. Solche Gespräche müsste er aber aufzeichnen oder zumindest ihren Inhalt dokumentieren lassen.

Trump selbst wies am Donnerstag in einer Stellungnahme alle Vorwürfe zurück. Mit dem Nationalarchiv habe er zusammengearbeitet und «respektvolle Diskussionen» geführt. Er sei davon ausgegangen, den Inhalt der 15 Kisten gar nicht ins Archiv liefern zu müssen.

Ablenkungsmanöver mit den Clintons

Trump rechtfertigte sich in seinem Statement mit Hillary Clintons Verfehlungen. Sie hatte als Aussenministerin einen privaten E-Mail-Server benutzt, auf dem sie klassifiziertes Material speicherte. Während der Präsidentschaftskampagne 2016 hatte Trump noch verlangt, Clinton deswegen «einzusperren».

Die Clintons waren schon nach Bills Präsidentschaft in Clinch mit einschlägigen Vorschriften geraten. Die beiden hatten Möbelstücke im Wert von 28’000 Dollar als persönliche Geschenke bezeichnet und mitgenommen, obwohl diese für die Sammlung des Weissen Hauses bestimmt waren.

In der Tat ist es nicht aussergewöhnlich, dass Präsidenten das Archivgesetz zumindest ritzen – vor allem wegen privater E-Mails und Telefonate. Lange wurden die Unterlagen ohnehin als private Dokumente betrachtet. Erst Franklin D. Roosevelt begründete eine neue Praxis, als er bei seinem Tod 1945 seine Unterlagen dem Nationalarchiv übermachte.

Watergate offenbarte das Problem

Als Problem wurde die Gesetzeslücke erst beim Watergate-Skandal erkannt: Präsident Richard Nixon weigerte sich, Tonaufnahmen aus dem Oval Office auszuhändigen, um seine Beteiligung zu vertuschen. Eilig erliess der Kongress 1974 ein Gesetz, das Nixon zur Aushändigung seiner Unterlagen verpflichtete. Seit 1981 gilt das für alle Präsidenten.

Bisher hat keiner das Gesetz so sehr gebeugt und zu seinen eigenen Gunsten auszulegen versucht wie Donald Trump. Selbst falls er es verletzt haben sollte, dürfte er aber keine Strafe zu befürchten haben. Historikerinnen, Juristen und Abgeordnete der Demokraten fordern dennoch, dass Trumps Zettelwirtschaft nun gründlich untersucht wird. Andernfalls werde er sich überhaupt nicht mehr an die Vorschriften halten, falls er für eine zweite Amtszeit gewählt werden sollte.

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