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Rätsel um Chinas Ex-Staatschef
Das geschah in den Minuten vor Hu Jintaos erzwungenem Abgang

Diese Szene gab weltweit zu reden: Hu Jintao wird am Parteitag abgeführt, sein Nachfolger Xi Jinping blickt starr nach vorne.   
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Die Welt rätselt weiter, warum Chinas früherer Staats- und Parteichef
 Hu Jintao am Samstag während der Abschlusssitzung der Kommunistischen Partei aus dem Saal entfernt wurde. Die Begründung der staatlichen Nachrichtenagentur Xinhua, Hu Jintao habe sich unwohl gefühlt, trug nicht dazu bei, die Spekulationen einzudämmen. Zumal sie nur in Englisch und auf dem in China gesperrten Kurznachrichtendienst Twitter veröffentlicht wurde.

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Nun ist ein neues Video aufgetaucht, das die Minuten unmittelbar vor dem Vorfall zeigt. Veröffentlicht hat es der Nachrichtensender CNA aus Singapur.

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Darauf ist zu sehen, dass offenbar ein Dokument eine wichtige Rolle bei Hu Jintaos Abgang gespielt hat. Der Vorsitzende des Volkskongresses, Li Zhanshu, nimmt es Hu aus der Hand und deckt es mit einem roten Blatt zu. Er redet auf Hu ein, lächelt. Offensichtlich besorgt, dass Hu versuchen wird, das Dokument wieder hervorzuholen, nimmt Li die Papiere zu sich und hält eine Hand darauf. Auch der neben ihm sitzende Chefideologe Wang Huning zeigt an, dass Hu das Dokument nicht mehr aufdecken solle.

In der Folge spricht Parteichef Xi Jinping länger mit einem herbeigeeilten Sicherheitsmann. Er tut das direkt neben Hu Jintao, der ungläubig wirkt. Der Sicherheitsmann versucht anschliessend, Hu Jintao zum Gehen zu bewegen. Li Zhanshu will offenbar aufstehen, um Hu Jintao zu helfen. Das Video legt jedoch nahe, dass er von Wang Huning zu seiner Linken am Sakko wieder auf seinen Sitz gezogen wird. Während Hu Jintao hinausbegleitet wird, sagt er etwas zu seinem Nachfolger Xi Jinping. Der scheint zu nicken.

Li Zhanshu (rechts) hält eine Hand auf die Dokumente, die er zuvor Hu Jintao weggenommen hat.   

Kein Platz mehr auf dem Eisenstuhl 

Gegenüber der BBC sagte Deng Yuwen, ein ehemaliger Redaktor der kommunistischen Parteizeitung «Study Times», es gebe keinen Grund, ein Dokument, das Hu nicht lesen dürfte, bei einem so hochkarätigen Treffen vor laufenden Kameras direkt vor ihn zu legen. Niemand könne die Situation erklären, solange nicht klar sei, was in der Akte stehe.  

Wie die FAZ schreibt, deuten Nahaufnahmen des Dokuments darauf hin, dass es sich um die Liste der Kandidaten für das neue Zentralkomitee handeln könnte. Hu wird sie missfallen haben. Sein Zögling, der bisherige Ministerpräsident, Li Keqiang, ist nicht mehr darauf vertreten. Und das, obwohl er die bislang geltende Altersgrenze von 68 Jahren nicht erreicht hat. Allerdings ist laut Experten nur schwer vorstellbar, dass Hu erst während der Abschlusssitzung davon erfahren haben soll.

Die Kommunistische Partei äusserte sich zum Fall Li Keqiang verklausuliert, liess aber wenig Zweifel daran, dass er aussortiert wurde. In der «Volkszeitung» vom Dienstag hiess es, «die Führungspositionen der Partei und des Staates sind keine Eisenstühle, und diejenigen, die die Altersvorgaben erfüllen, müssen nicht notwendigerweise weiter nominiert werden». Integrität und der öffentliche Ruf sollten darüber entscheiden, ob ein Funktionär im Amt bleibe. Das Wort Eisenstuhl bezieht sich laut der FAZ auf die Metapher der eisernen Reisschüssel, die früher Staatsangestellten ein Auskommen bis zum Lebensende versprach.

Chinas Zensur räumt auf

Klar scheint nach den Vorfällen am Parteitag, dass die chinesische Tradition beendet ist, wonach der vorherige Präsident mittels Netzwerken Einfluss auf seinen Nachfolger ausübt, wie das Jiang Zemin bei Hu gemacht hatte und davor Deng Xiaoping bei Jiang. Xi Jinping hat seine Macht zementiert und den als eher pragmatisch geltenden Hu Jintao und dessen einst mächtige Clique der Kommunistischen Jugendliga von der Spitze verbannt. In einer Rede zu Beginn des Parteitags hatte Xi mit seinen Vorgängern abgerechnet. 

In Chinas aufgeräumter Nachrichtenwelt fand der assistierte Abgang des Ex-Präsidenten keinen Widerhall. Hus Name wurde laut dem «Guardian» im Internet ebenso von der chinesischen Zensur blockiert wie der Name seines Sohnes Hu Haifeng. Viele kritische Kommentatoren vermuteten deshalb, es habe Streit auf hoher Ebene über die Positionen der beiden innerhalb der Kommunistischen Partei gegeben.

Der US-Amerikaner Bill Bishop, der den China-Newsletter «Sinocism» herausgibt, hält dem entgegen, dass Hus Sohn, selbst ein hochrangiger Parteifunktionär, während des Vorfalls im Publikum sass und nicht wegeskortiert wurde. Zudem wurde er am Montag im Staatsfernsehen gezeigt. Das spricht zwar nicht gegen eine Demütigung, aber zumindest gegen eine Säuberung. Im Übrigen stellt Hu angesichts seines Alters und seiner abnehmenden Bedeutung im System kaum mehr eine Bedrohung für Xi dar, wie «Foreign Policy» in einer Analyse schreibt.  

«Hölzerne Männer, steinernes Schweigen»

Die von staatlicher Seite vorgebrachte Begründung, Hu habe gesundheitliche Probleme gehabt, scheint allerdings auch nicht allzu plausibel. Der 79-Jährige wirkt auf den Videos zwar gebrechlich und etwas verwirrt, sein Schicksal scheint die versammelte Parteielite aber kaltzulassen. Der frühere schwedische Ministerpräsident  Carl Bildt nannte den Vorfall deshalb «bemerkenswert». Auf Twitter schrieb er: «Wenn Hu Jintao ein dringendes gesundheitliches Problem gehabt hätte, hätte man von Xi Jinping etwas Empathie erwartet. Nichts dergleichen – eher Ignoranz.»

Chinaforscher Wu Guoguang von der Universität Stanford sprach in einem Podcast von einem «wirklich aussergewöhnlichen Mangel an Anstand». Er nannte die obersten Parteikader «eine Gruppe hölzerner Männer, erstarrt und sprachlos, die alles in steinernem Schweigen verfolgten».

Die Führungsriege der Kommunistischen Partei: Hu Jintao sass vor seinem Abgang neben Xi Jinping. 

Was alle Theorien verbindet, ist der Mangel an gesicherten Informationen. Wu Guoguang glaubt, es gebe «keine Möglichkeit, zu erfahren, was wirklich passiert ist». Bestätigt sich das, ist es wohl so wie Rory Truex, ein Experte für chinesische Politik an der US-Universität Princeton, im «Atlan­tic» schreibt: «Die Interpretation dieses Moments hängt davon ab, wie Sie Chinas politisches System interpretieren.»

nlu