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Meinung

Replik zur AHV-Vorlage
Das Dümmste, was man tun kann

«Das ist politische Irreführung ersten Ranges», wirft SP-Nationalrätin Jacqueline Badran dem Kolumnisten und Sozialdemokraten Rudolf Strahm vor.
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Rudolf Strahm irrt in seiner Kolumne zur AHV-Vorlage für einmal gewaltig. Und nicht nur er. Auch die Bürgerlichen und fast die ganze Medienlandschaft haben sich verrannt. Sie fallen rein auf die ewig gleiche Geschichte: Wir alle werden älter (stimmt, aber die AHV hängt von der wachsenden Lohnsumme ab, fast nicht von der Alterspyramide), es gibt immer weniger Aktive (ihr Anteil an der Gesamtbevölkerung mäandriert seit den 50er-Jahren um die 48 Prozent), jetzt muss man die Renten sichern und nicht ausbauen (der AHV-Fonds hat 2,6 Milliarden Franken Gewinn gemacht). Oft ergänzt von weiterem widerlegbarem Unfug.

Das ist politische Irreführung ersten Ranges. Und es lenkt vom wahren Kern der Auseinandersetzung ab: der Finanzierung. In Bundesbern tobt seit Jahrzehnten ein Verteilkampf: Wohin fliesst die durch die wirtschaftliche Tragbarkeit limitierte Menge an Lohnprozenten? In die Finanzierung der AHV oder in die Pensionskassen?

Die Versicherungskonzerne lachen sich ins Fäustchen.

Das Ergebnis liegt auf dem Tisch: Für die AHV wird (erneut) die Mehrwertsteuer erhöht (neben einer Anhebung des Frauenrentenalters). In die Pensionskassen hingegen werden mehr Lohnprozente gestopft. Resultat: Wir zahlen deutlich mehr, haben aber keine höheren Renten, sogar tiefere.

Das ist falsch. Denn mit jedem Lohnfranken, der in die AHV fliesst, verdienen 92 Prozent der Bevölkerung bares Geld. Bekommen sie doch mehr AHV, als sie jemals einbezahlt haben, sind also Nettoempfänger. Mit jedem Lohnfranken hingegen, der in die zweite Säule fliesst, finanzieren wir zuerst einmal gigantische Verwaltungskosten.

Dann finanzieren wir die Gewinne der Versicherungskonzerne, die bis zu 10 Prozent der Bruttoerträge als Gewinn einbehalten dürfen. Die Versicherungen rennen entsprechend von einer Rekord-Dividendenausschüttung zur nächsten, wovon zwischen 75 und 85 Prozent ins Ausland abfliessen. Logisch, will die Privat-Assekuranz so viele Lohnprozente wie möglich für sich reservieren.

Wenn wir also wissen, dass jedes Lohnprozent, das in die AHV statt in die zweite Säule fliesst, deutlich effektiver (Höhe der Renten) und effizienter (deutlich tiefere Kosten, keine Gewinnabführung) ist, wieso machen wir dann das Gegenteil? Genau dieser Mehrwertsteuer-Finanzierung redet Rudolf Strahm das Wort. Während sich die Versicherungskonzerne, deren Unverfrorenheit er auf der steuerlichen Seite stets bekämpft hat, ins Fäustchen lachen.

Die Rentnerinnen und Rentner haben schon bezahlt.

Damit nicht genug. Rudolf Strahm schreibt auch, es sei richtig, wenn die Rentnerinnen und Rentner über die Mehrwertsteuer die AHV mitfinanzierten. Es gibt aber keinen guten Grund, warum sie das tun sollten. Denn sie haben bereits bezahlt. Die Aktivgeneration zahlt mit Steuern die Gratisschulen für die Jungen und die AHV-Renten der Pensionierten. Das ist der grosse Deal. Wenn die Leute in Rente gehen, zahlt die neue Aktivgeneration wiederum für die Jungen und die Alten. Das ist unser grandioses solidarisches System, das seit seiner Etablierung in der Nachkriegszeit einen gigantischen Wohlstand geschaffen hat: Kaufkraft für alle.

Nein, die Finanzierung der AHV durch die Mehrwertsteuer ist ökonomisch gesehen etwa das Dümmste, was man tun kann. Alles, wirklich alles spricht dafür, mehr Lohnprozente in die AHV zu schieben statt in die berufliche Vorsorge. Kernauftrag der Sozialwerke ist es, Kaufkraft zu schaffen, nicht zu schmälern. Deshalb muss die AHV-Vorlage an den Absender zurück.