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Illegale Inhalte auf Social Media
Das Ausmisten von Facebook ist ein lukratives Geschäft

Damit Facebook keine illegalen Inhalte zeigt, misten Tausende Moderatorinnen und Moderatoren das Netzwerk täglich aus. Die Arbeit ist psychisch extrem belastend.
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Tierquälerei, Kinderpornografie, Gewalt: Es sprengt die Grenzen der Vorstellungskraft, was manche Nutzer auf Facebook publizieren wollen. Um die schlimmsten Exzesse zu verhindern, hat sich Facebook mit der Unternehmensberatung Accenture verbündet. Der Beratungskonzern hilft Facebook nicht nur dabei, kriminelle, rassistische und inhumane Inhalte zu entfernen. Accenture erlaubt Facebook auch, die verstörenden Inhalte und die traumatischen Erfahrungen der Moderatoren vom Social-Media-Riesen fernzuhalten.

Accenture-Chefin Julie Sweet meldete zunächst Zweifel an, als sie 2019 die Führungsposition übernahm. Stellt das damals schon bestehende Mandat bei Facebook ein unhaltbares Geschäftsrisiko dar? Kann es sich Accenture leisten, Tausende Moderatoren zu beschäftigen, ohne sie ausreichend auf die psychisch massiv belastende Arbeit vorzubereiten?

Traumatisierte Moderatoren

Die Frage ist berechtigt. Denn die Outsourcing-Firma Cognizant hatte zuvor ihr Aufpasser-Mandat mit Facebook nicht ganz freiwillig aufgelöst. Recherchen des Onlinemagazins «Verge» hatten aufgedeckt, wie wenig die Moderatoren verdienten und wie schwer die psychologische Belastung ihrer Tätigkeit war. Das Mandat mit Facebook «deckt sich nicht mehr mit der strategischen Vision des Unternehmens», begründete Cognizant im vergangenen Jahr den Rückzug, der das Unternehmen 240 Millionen Dollar Umsatz und 6000 Stellen gekostet haben soll.

Für Jahreslöhne von teilweise nur 28’000 Dollar müssen sich die Moderatoren jeden Tag bei Facebook durch Hunderte von grauenhaften und lügnerischen Inhalten durcharbeiten und in Sekundenschnelle entscheiden, ob sie gelöscht werden müssen oder knapp erträglich sind.

Dabei ist der Produktionsdruck noch das geringste Problem. Schlimmer noch sind die Albträume und Traumata. Ein Moderator in Austin, Joshua Sklar, berichtete, dass er während einer Acht-Stunden-Schicht 500 bis 700 Posts begutachten musste, darunter Bilder von gefolterten Tieren, Todesopfern von Autounfällen und Vergewaltigungen von Kleinkindern.

«Die Arbeit eines Moderators ist eine unmögliche Aufgabe.»

Spencer Darr, ehemaliger Moderator bei Facebook

Ein anderer Moderator, Spencer Darr, schilderte vor Gericht die schwer erträglichen Widersprüche der Arbeit. Sollte er ein Video löschen, dass das Abhäuten eines lebenden Hundes zeigte, oder sollte es als verstörend gekennzeichnet und publiziert werden? «Die Arbeit eines Moderators ist eine unmögliche Aufgabe», meinte er.

Dabei seien die Moderatoren für die Arbeit oft völlig ungeeignet, sagt Izabela Dziugiel, eine Therapeutin, die für Accenture arbeitete. «Sie stellen praktisch jeden und jede an, die sich meldet.» Facebook kümmert das anscheinend wenig.

Als der Konzern mit einer Sammelklage von Moderatoren eingedeckt wurde, erklärte er sich zunächst für nicht zuständig, da die Moderatoren von Accenture beschäftigt würden. Schliesslich willigte Facebook in einen Vergleich ein, im Zuge dessen die Netz-Aufseher 52 Millionen Dollar bekommen sollen.

Accenture und Facebook sind inzwischen untrennbar verbunden. Accenture betrachtet Facebook als «Diamant-Kunden», denn der Social-Media-Riese bringt jährlich über 500 Millionen Dollar in die Kasse. Dieser Umsatz war schliesslich offenbar auch für die Accenture-Chefin entscheidend. Trotz persönlicher Bedenken liess Julie Sweet den Auftrag weiterlaufen.

18 Dollar Stundenlohn

Der Konzern verrechne über 50 Dollar pro Stunde, berichtet die «New York Times» gestützt auf Aussagen von Accenture-Angestellten. Dagegen würden die Moderatoren selbst zum Teil nicht mehr als 18 Dollar bekommen. Accenture ist der grösste aussenstehende Dienstleister für Moderationen von Facebook und stellt mehr als ein Drittel der 15’000 Moderatoren. Neben den USA arbeiten diese auf den Philippinen, in Indien, Malaysia, Portugal, Polen und Irland.

Ohne die Rückendeckung durch Accenture wäre Facebook-CEO Mark Zuckerberg noch exponierter, als er ohnehin ist. «Ein Helfershelfer wie Accenture erlaubt es Facebook, sich von den gravierenden menschlichen Erfahrungen der Moderatoren zu distanzieren», sagt Cori Crider, Mitbegründerin von Foxglove, einer Anwaltskanzlei, die Moderatoren von Facebook vertritt.

Ohne Kontrolle der Inhalte durch Moderatoren geht es nicht, obwohl Facebook, Google und Twitter zunehmend künstliche Intelligenz einsetzen, um die Inhalte auszumisten. Bis zu 90 Prozent der Inhalte können so ausgesondert werden, bevor sie öffentlich werden.

Doch machte Youtube gemäss der «Financial Times» die Erfahrung, dass künstliche Intelligenz zu scharf aussiebte. Die automatisierte Aufsicht entfernte doppelt so viele Inhalte wie die Moderatoren. Youtube musste mehr als die Hälfte der 320’000 Inhalte wieder aufschalten, gegen deren Entfernung rekurriert worden war.