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Fakten und Mythen zur Gesundheit
Was wir über die Darmflora wissen – und was nicht

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In unserem Darm tummeln sich unzählige winzige Wesen. Sie helfen bei der Verdauung und haben Einfluss auf unsere Gesundheit. Viele Studien haben das in den letzten Jahren aufgezeigt. Erst letzte Woche ist im Fachmagazin «Science» eine neue Untersuchung zur Frage erschienen, wie uns das Mikrobiom vor krankmachenden Keimen schützen kann. Aber obwohl jeden Monat neue Studien zum Thema erscheinen, gibt es viele offene Fragen. Und es kursieren falsche Annahmen. So schrieb der britische Mikrobiom-Spezialist Alan Turner vor einigen Monaten im Fachmagazin «Nature». «Kaum bewiesene Behauptungen wurden durch stete Wiederholungen zu Tatsachen erklärt.» Wichtig sei jedoch gerade bei diesem vielschichtigen Thema, dass man Behauptungen von Bewiesenem trenne. Was also wissen wir und was nicht:

«Das dichtestbesiedelte Gebiet der Erde»

So nennt Wissenschaftlerin Maria Balmer unser Mikrobiom. Balmer ist Assistenzprofessorin an der Universität Bern und forscht zur Darmflora. Für ihre Arbeit hat sie gerade den renommierten Marie-Heim-Vögtlin-Preis gewonnen. Die Innenseite unseres Darms ist so dicht besiedelt, weil dort durchschnittlich 10 Billionen Bakterien wohnen. «Wir haben 100-mal mehr Bakterien im Darm, als es in der Milchstrasse Sterne gibt», sagt Balmer.

Früher las man oft, dass das Gewicht dieser Bakterien bis zu zwei Kilogramm betragen könne. Tatsächlich sind es aber 200 bis 500 Gramm. Auch einen weiteren Superlativ korrigiert der Brite Walker in seiner Studie. Der Mensch habe nicht zehnmal mehr Bakterien im Darm als eigene Zellen. Das Verhältnis liege eher bei 1:1, was noch immer recht eindrücklich ist.

Wer wohnt in unserem Darm?

Zwei Hauptgruppen von Bakterien gibt es: die meist stäbchenförmigen Bacteroidetes und die Firmicutes, auch Bacilotta genannt. Diese Bakterien leben von unserer Nahrung und helfen dabei, sie zu verwerten. Bakterien haben einen eigenen Stoffwechsel und produzieren deshalb selbst Verdauungsprodukte, sogenannte Metaboliten, die wiederum anderen Bakterien im Darm als Nahrung dienen. Das ist einer der Gründe, warum es so schwierig ist, das Mikrobiom zu erforschen. Entscheidend ist nicht nur, welche Bakterien in welcher Zahl in unserem Darm vorkommen, sondern auch, wie sie sich gegenseitig beeinflussen.

Ob Bakterien für uns nützlich oder schädlich sind, hängt manchmal auch damit zusammen, wo sie sich aufhalten. Viele Menschen haben beispielsweise gewisse E.-coli-Bakterien in ihrem Darm, die dort keinen Schaden anrichten. Gelangen sie jedoch in die Harnröhre, kann es zu Blasenentzündungen kommen.

Was ist ein gesundes Mikrobiom?

Die alles entscheidende Frage lässt sich bisher nicht abschliessend beantworten. Doch es mehren sich gewisse Hinweise. Das zeigt auch die eben erschienene Science-Studie: Je diverser unser Mikrobiom ist, umso besseren Schutz vor Krankheitserregern bietet es. «Man sollte möglichst vielfältige Bakterien in der Darmflora haben», sagt Balmer. Und je vielfältiger die Bakterien sind, umso mehr Funktionen können sie erfüllen.

Wie kommt man zu einem vielfältigen Mikrobiom?

Das Wichtigste ist eine möglichst abwechslungsreiche Ernährung. Die Bakterien sind auf gewisse Nahrungsbestandteile spezialisiert. Je unterschiedlicher das ist, was im Darm ankommt, desto diverser ist das Personal, das bei der Verdauung hilft. Die Empfehlungen decken sich mit dem, was sowieso als gesunde Ernährung gilt: möglichst viel Frisches, möglichst viel Gemüse und Obst und Vollkornprodukte. Günstig sind vor allem Nahrungsfasern, die in pflanzlichen Lebensmitteln stecken. Neben Früchten und Gemüsen zählen auch Kräuter, Nüsse, Getreidesorten oder Kerne zur Pflanzenliste.

«Als einfache Grundregel gilt, dass man sieben Gramm Nahrungsfasern pro Tag essen sollte», sagt Expertin Balmer. Das sei nicht schwierig. Ein Apfel mit Schale hat beispielsweise drei Gramm Nahrungsfasern, eine Scheibe Vollkornbrot ebenfalls.

Weniger förderlich für ein gesundes Mikrobiom sind hochverarbeitete Lebensmittel. Sie sind meist reich an Zusatzstoffen und Konservierungsmitteln, nicht aber an Nahrungsfasern. «Je stärker ein Lebensmittel vorverarbeitet ist, umso weniger hat unsere Darmflora damit zu tun», sagt Balmer.

Dietary and healthy food themes. Table top view of fresh vegetables and legumes on rustic wooden table. Food is rich of fiber ideal for dieting and healthy eating. Includes corn, avocado, broccoli, orange fruit, grapes, bell pepper, lettuce, banana, apple  almonds and wholegrain pasta.

Was kann man noch für ein gesundes Mikrobiom tun?

Präbiotika und Probiotika sind zwei Begriffe, die man im Zusammenhang mit der Darmflora immer wieder liest. Präbiotika sind beispielsweise Nahrungsfasern wie Zellulose oder Inulin. Es gibt Hinweise, dass sie bei der Prävention von Krankheiten wie Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen helfen, weil sich günstige Bakterien von ihnen ernähren. Manche Menschen bekommen allerdings Blähungen von Präbiotika.

Probiotika sind Bakterien, die man als Nahrungsergänzungsmittel kaufen kann. «Eigentlich wäre das ein gutes Konzept», sagt Balmer. Es gibt jedoch ein Problem: Es existieren keine verlässlichen Studien zu diesen Probiotika; ob sie wirken, ist also nicht bewiesen, auch wenn sie das im Einzelfall vielleicht tun. Für Menschen mit einem geschwächten Immunsystem können sie jedoch gefährlich sein. Was der Darm und seine Bewohner auch immer schätzen, ist Bewegung.

Wie schnell verändert sich unser Mikrobiom?

Das Mikrobiom ist dynamisch, wenn man seine Ernährung umstellt. «Auf Veränderungen reagiert es schnell», sagt Balmer. Effekte zeigten sich vermutlich schon innerhalb weniger Tage. Unterschiede liessen sich sogar je nach Tageszeit feststellen. «Es gibt auch beim Mikrobiom einen zirkadianen Rhythmus», sagt Balmer. Das wisse man noch nicht allzu lange. Wer viele Stunden nüchtern ist, bei dem sind andere Bakterien aktiv, als wenn man gerade eine grosse Mahlzeit zu sich genommen hat.

Auf die Entstehung welcher Krankheiten hat das Mikrobiom Einfluss?

Die Liste ist lang. Studien haben schon einen Einfluss auf die Entstehung von Diabetes, Arteriosklerose, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Asthma, multiple Sklerose, Demenz, Parkinson oder gewissen Krebsarten nachgewiesen. All diese Studien haben jedoch die gleiche Einschränkung: Die Forschenden können zwar feststellen, dass Menschen, die an den jeweiligen Krankheiten leiden, ein anderes Mikrobiom haben als Gesunde. Unklar ist jedoch, ob die Krankheit die Darmflora verändert hat oder ob eine veränderte Darmflora zur Krankheitsentstehung beigetragen hat.

Das Mikrobiom ist schwierig zu erforschen. Die meisten Studien sind Beobachtungsstudien, die keine kausalen Zusammenhänge herstellen können. Deshalb weichen Wissenschaftler oftmals auf Tiermodelle aus, beispielsweise auf sterile Mäuse, die gezielt mit gewissen Bakterien besiedelt werden. Doch nicht alle Resultate aus diesen Studien lassen sich eins zu eins auf den Menschen übertragen. Die Zusammensetzung des menschlichen Mikrobioms kennt man zudem meist nur aus Stuhlproben. «Wir wissen noch zu wenig, was in den verschiedenen Darmabschnitten geschieht», sagt Balmer. Dort seien möglicherweise andere Bakterien aktiv als jene, die man ausscheidet. Das sollen zukünftige Studien aufzeigen.

Hat die Art der Geburt einen Einfluss auf das kindliche Mikrobiom?

Wenn ein Baby auf die Welt kommt, ist sein Darm steril. Erst mit der Geburt fängt die Besiedlung mit Bakterien an. In den letzten Jahren gab es einige Diskussionen um die Frage, ob eine natürliche Geburt für das kindliche Mikrobiom besser ist als die Geburt per Kaiserschnitt. Denn schon im Geburtskanal kommt das Neugeborene mit vielen Bakterien in Kontakt. Aber auch im Hautkontakt mit der Mutter, beim Stillen und durch seine Umgebung nimmt das Baby schon in den ersten Lebenstagen viele Bakterien auf.

Eine grosse Studie aus Schweden fand im ersten Lebensjahr einen Unterschied zwischen natürlich geborenen Kindern und Kaiserschnitt-Babys. Nach fünf Jahren war dieser Unterschied aber verschwunden. «Auf die Frage, ob die Unterschiede im ersten Jahr langfristige gesundheitliche Auswirkungen haben, beispielsweise auf das Risiko, später im Leben Übergewicht zu entwickeln, gibt es noch keine definitive Antwort», sagt Balmer.

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