US-Firma übernimmt Schweizer Start-up Dank ihr wurden mindestens 40’000 Babys geboren
Unternehmerin Lea von Bidder hat den Fruchtbarkeitstracker Ava erfunden und gehört zu den erfolgreichsten Start-up-Gründerinnen. Für die Frauengesundheit sieht sie grossen Nachholbedarf in der Medizin.
Innovativ, visionär und erfolgreich – Lea von Bidder ist eine Koryphäe in der Tech-Start-up-Szene. Mit nur 32 Jahren gehört die Mitgründerin von Ava zu den wichtigsten Jungunternehmerinnen der Schweiz. Ava hat mit seinen sogenannten Wearables, einem digitalen Fruchtbarkeitsarmband, die Femtech-Szene aufgemischt. Anhand von Sensoren misst es während des Schlafs Temperatur, Atemfrequenz sowie Puls und berechnet anhand dieser Daten die fruchtbaren Tage der Frau.
Nun geht das Start-up mit Sitz in Zürich in US-amerikanische Hände über. Die in Houston, Texas, beheimatete Firma FemTec Health übernimmt das Schweizer Innovationsunternehmen. Nach Abschluss des Deals soll das Büro in Zürich als Schweizer Hauptsitz verbleiben. Weitere Standorte sollen in London, Barcelona und Athen unterhalten werden. Wie viel die Übernahme von Bidder und ihren drei Gründerkollegen in die Kasse gespült hat, ist nicht bekannt.
Mindestens 40’000 Ava-Babys sind seit der Gründung 2014 entstanden. Die Idee für den Fruchtbarkeitstracker entstand, als die Frau eines Mitgründers der Firma schwanger werden wollte. Von Bidder stellte damals fest: Alles, was es an derartigen Fruchtbarkeitsgadgets und Trackern auf dem Markt gab, war nicht anders als das, was schon die Generation davor – und teils auch die Generation vorher – benutzt hatte.
Visionärin der Fem-Health-Branche
Kein besserer Ort für revolutionäre Ideen bot sich ihr da als der Innovationshub San Francisco, wo sie 2015 hinzog und vor ihrer Tätigkeit als Geschäftsführerin für das Marketing von Ava verantwortlich war. Gross zu denken und schon früh gross zu denken, das sei das Wichtigste, das sie in ihrer Zeit in San Francisco gelernt habe. Und dass sie dort zu anderen erfolgreichen Frauen in der Start-up-Szene aufblicken konnte, während damals in der Schweiz noch nicht viele weibliche Firmengründerinnen von sich reden machten.
An Ted-Talk-artigen Veranstaltungen trat die damals 27-Jährige selbstbewusst, überzeugt und voller Inspiration auf, um Investoren zu gewinnen. Und das mit Erfolg: Heutzutage generiert Ava 80 Prozent ihres Umsatzes in den USA. Zu ihren grössten Investoren gehören die Zürcher Kantonalbank sowie Swisscom.
Es stört sie, dass Verhütung immer noch als Frauenthema behandelt wird und Produkte für die weibliche Gesundheit immer noch eine Nische darstellen.
Für einen Knick in der Erfolgsgeschichte von Ava sorgte – wie bei so vielen Unternehmen – die Corona-Pandemie. Während in der Schweiz 2021 ein Babyboom verzeichnet wurde, nahm der Kinderwunsch bei den Amerikanerinnen ab. Grund dafür ist aber nicht, dass sie keine Kinder mehr wollten, sondern die prekäre finanzielle Lage, in der sich viele aufgrund der Corona-Pandemie befanden.
In den USA wird die Krankenversicherung privat oder durch den Arbeitgeber geregelt. Aufgrund von Entlassungen und Kurzarbeit fiel dann die gesundheitliche Absicherung bei zahlreichen Frauen plötzlich weg, und damit musste auch die Kinderplanung hintangestellt werden. Ava musste daraufhin 40 Angestellte entlassen. Das sei wohl etwas vom Schwierigsten gewesen, was die Geschäftsführerin in ihrer Karriere bislang machen musste.
Wie sich die Entscheidung des höchsten US-Gerichts, das Abtreibungsrecht auf Bundesebene zu kippen, auf die Nachfrage nach Fruchtbarkeitsapps auswirken wird, ist noch nicht abzuschätzen.
Pharma macht zu wenig für Frauengesundheit
Ava ist nicht das erste Unternehmen, das die HSG-Absolventin gegründet hat. Im Alter von 22 Jahren eröffnete sie in Indien eine Schokoladenfirma. Das Ausnahmetalent von Bidder wurde spätestens 2017 auch vom prestigeträchtigen US-amerikanischen «Forbes»-Magazin erkannt, das jährlich die erfolgreichsten Unternehmerinnen und Businessleute unter 30 Jahren kürt. So erschien von Bidder auf dieser «Forbes»-Liste sowie im darauffolgenden Jahr auf ihrer berühmten «30 unter 30»-Liste in der Gesundheitssparte.
In einem Fernsehbeitrag erzählt von Bidder, dass ihr solche Medienberichte eher peinlich seien. Über ihr Privatleben ist nicht viel bekannt, ausser dass sie seit ihrer Rückkehr aus San Francisco vor zweieinhalb Jahren mit ihrem Mann in Zürich in einer Sechser-Wohngemeinschaft wohnt. Und dass sie ein Kind bekommen hat. Das ist jedoch ein Thema, worauf sie nur Schweizer Medien ansprechen, wie sie in einem Interview gegenüber der NZZ sagt. In anderen Ländern, wie den USA, sei dies schlichtweg nicht relevant. Stören tue sie das nicht, doch falle es ihr immer wieder auf.
Vielmehr stört sie aber, dass Verhütung immer noch als Frauenthema behandelt wird und Produkte und Dienstleistungen für die weibliche Gesundheit immer noch eine Nische darstellen. Grosse Pharmakonzerne würden kaum in den Bereich investieren. Bis Big Pharma darin investiere und forsche, werde sich für die Gesundheit der Frauen leider nur wenig ändern.
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