Ihr Browser ist veraltet. Bitte aktualisieren Sie Ihren Browser auf die neueste Version, oder wechseln Sie auf einen anderen Browser wie ChromeSafariFirefox oder Edge um Sicherheitslücken zu vermeiden und eine bestmögliche Performance zu gewährleisten.

Zum Hauptinhalt springen

Mercedes-Designer auf Abwegen
Da lachen ja die Hühner

Mercedes-Designer Jan Kaupas mit seinem Einhuhn-Wagen und den Zwergseidenhühnern.
Jetzt abonnieren und von der Vorlesefunktion profitieren.
BotTalk

Alle Welt wartet auf das Apple Auto. Alle, ausser Jan Kaupa. Denn bei ihm steht der iCar bereits im Garten, nur die Schreibweise passt nicht ganz. Nicht umsonst heisst Kaupas Firma Einhuhn, und das silberne UFO auf der Wiese hinter dem Haus im Tübinger Umland ist eher ein Ei-Car – und drum herum stolziert ein halbes Dutzend Zwergseidenhühner.

Dabei ist der Mann durchaus vom Fach. Denn im echten Leben ist Kaupa Designer und zeichnet bei Mercedes-Benz in Sindelfingen an den Modellen von morgen. Doch weil er schon seit seiner Kindheit züchtet und das Freizeitangebot während der Pandemie eher eingeschränkt war, hat er für sein Federvieh nach Feierabend ein einzigartiges Fahrzeug entworfen. Denn auch wenn die meisten Hühner im Stall gehalten werden, kam eine Immobilie für ihn nicht infrage. Ersten, weil er schliesslich Autodesigner ist und nicht Architekt, und zweitens, weil Hühner jede Wiese in wenigen Wochen in einen Acker verwandeln und deshalb öfter umziehen müssen. «Und das geht nun einmal leichter, wenn der Stall auf Rädern steht», sagt Kaupa.

Also hat er den Markt sondiert und war entsprechend ernüchtert. «Alles, was es bislang gab, hat mich nicht überzeugt», schimpft Kaupa über das beschränkte Angebot: «Entweder umständlich zu reinigen, zu dunkel, nicht isoliert oder nicht mobil.» Deshalb hat Kaupa sich selbst hingesetzt, erst am Frühstückstisch und dann am Rechner, und überlegt, wie es besser geht: Statt eines Hühnerstalls steht draussen im Grünen deshalb jetzt ein Hühnerwagen, der mit seinem silbernen Look und den groben Reifen ein bisschen an ein Mondauto erinnert.

Sensual Purity auf dem Hühnerhof

Tagsüber Luxusliner für die Besserverdiener dieser Welt, und abends ein Heim für Hühner – die Zielgruppe ist eine andere, doch der Anspruch ist der gleiche: Auch das Hühnermobil ist durchgestylt, es ist nachhaltig und ziemlich luxuriös. Wenn es so etwas wie Sensual Purity aus dem Mercedes-Designcodex auch auf dem Hühnerhof gibt, dann in Kaupas Garten. Dafür hat er aber auch reichlich Zeit investiert. Über zwei Jahre lang hat er gezeichnet und getüftelt, laminiert und konstruiert und den ganzen Sommer über am 3-D-Drucker und in der Schreinerei eines Freundes gestanden, bis sein Hühnerwagen endlich fertig war.

1 / 5
Das Dach mit Solarzelle fungiert auch als Aussichtsplattform.
Mit seinem silbernen Look und den groben Reifen erinnert das Einhuhn-Mobil an ein Mondauto.
Die Beleuchtung wird von einer Solarzelle auf dem Dach gespeist.

Seitdem steht in seinem Garten ein UFO aus Holz und Kunststoff, das gross ist wie ein Einkaufswagen und je nach Rasse Platz bietet für drei bis fünf Vögel. Ohne Schrauben und Werkzeug in wenigen Minuten zusammengesteckt, ist es ein mobiler Stall der Luxusklasse mit transparenten Eckprofilen fürs Ambientelicht, mit Legenest und Stange für den nötigen Sitzkomfort, mit zugfreier Belüftung und einer Zeitschaltuhr für den geregelten Freigang. Und nachhaltig es ist natürlich auch: Denn gedruckt wird der Wagen aus recyceltem Kunststoff, das Holz ist entsprechend zertifiziert, und die Beleuchtung wird von einer Solarzelle auf dem Dach gespeist. Und weil das Hühnermobil auf groben Stollenreifen steht, sieht es ein bisschen aus wie ein Marsmobil – oder wie der EQC unter den Hühnerwagen.

Zwar ging es Jan Kaupa zuallererst um das Wohl des eigenen Federviehs. Doch womöglich werden bald auch andere Hühner was zu lachen haben. Denn Klimakrise und Pandemie hätten das Bewusstsein vieler Menschen verändert, man lebe achtsamer, ernähre sich bewusster, kaufe regionaler, hat der Designer beobachtet: «Und statt ihre Eier beim Bauern zu holen, halten mittlerweile viele Berufspendler hier draussen auf dem Land schon wieder ihre eigenen Hühner.» Und brauchen dafür natürlich auch den passenden Wagen.

Der Mercedes unter den mobilen Hühnerställen

Kein Wunder also, dass Kaupas Instagram-Account Einhuhn.design extrem gut besucht ist und ihn regelmässig Blindbestellungen erreichen. Das hat ihn zur mehr motiviert, und aus dem Pandemieprojekt wird so langsam eine Geschäftsidee für den Feierabend. Nur wie gross die Nummer wird, kann er noch nicht abschätzen. Denn ob er nur ein paar Dutzend Hühnermobile in Handarbeit baut, ob es eine dreistellige Zahl wird oder ob der Einhuhn-Wagen gleich richtig industrialisiert wird, hängt nicht zuletzt von den Partnern ab. Und daran wird sich am Ende auch der Preis entscheiden. Aber egal wie viele es am Ende werden, einen Zahn zieht Kaupa den Interessenten gleich auf Anhieb: So billig wie aus dem Baumarkt wird der Hühnerwagen kaum werden. Auch wenn nirgendwo ein Stern dran klebt und Kaupa unermüdlich den privaten Charakter des Einhuhn-Wagens betont, ist das schliesslich der Mercedes unter den Hühnermobilen.

Natürlich hat Kaupas Hühnerwagen weder einen Antrieb, noch fährt er autonom. Doch auch ohne solche Gadgets macht sein Ei-Car einen ziemlich smarten Eindruck. Und während Apple über dem echten iCar noch hockt und gluckt, ist seine Idee zumindest ausgebrütet und reif für die Serie.