Datenleck Cyprus ConfidentialPricewaterhouseCoopers kommt wegen Hilfe für Oligarchen in Bedrängnis
Mehrere russische Milliardäre versuchten 2022, Sanktionen auszuhebeln. Sie stützten sich auch auf die Wirtschaftsprüfer von PWC in Zypern ab. Rechtlich ist das heikel.
Die renommierte Beratungsfirma PricewaterhouseCoopers (PWC) ist in Erklärungsnot. Die Wirtschaftsprüfer sind in zahlreichen Ländern aktiv, darunter auch in der Schweiz. Bislang geheime Dokumente aus dem Datenleck Cyprus Confidential werfen nun die Frage auf, ob PWC in Zypern geholfen hat, Sanktionen zu umgehen – und das unter anderem für einen der reichsten und wichtigsten Oligarchen Russlands: Alexei Mordaschow.
Durch das Datenleck wurde bereits bekannt, dass der Putin-nahe Milliardär Mordaschow bis mindestens 2022 Konten bei der UBS in der Schweiz führte. Ausserdem zeigen die Unterlagen, dass von einem solchen UBS-Konto seiner Firma 2019 Hunderttausende Euro für den TV-Journalisten und vermeintlichen Russland-Experten Hubert Seipel abging. Seipel stellte Putin immer wieder in sehr vorteilhaftem Licht dar, auch in Schweizer Medien.
Aus dem Datenleck geht aber auch hervor, dass Mordaschow am 25. Februar 2022 Anteile am deutschen Reisekonzern TUI an seine Partnerin übertragen wollte – offenbar aus Angst, dass er sanktioniert wird. Am Tag zuvor, kurz nachdem die ersten russischen Panzer in die Ukraine gerollt waren, sass Mordaschow im Kreml. Eingeladen hatte Wladimir Putin persönlich, neben dem Stahlbaron noch 36 weitere wichtige russische Unternehmer. Gemäss Protokoll soll Putin auch über mögliche Sanktionen gesprochen und an die Anwesenden appelliert haben, «solidarisch mit der Regierung zu arbeiten», trotz «der sich abzeichnenden Realitäten».
Am nächsten Tag setzen Mordaschows Finanzjongleure auf Zypern also einen Vertrag auf, in dem die TUI-Aktien an Marina Mordaschowa übertragen werden sollen. Mordaschowa wird von der EU mal als seine Lebenspartnerin, mal als seine Ehefrau bezeichnet. Doch erst am 28. Februar stimmt ein PWC-Manager gemäss den Dokumenten zu. Der Preis sei noch nicht verhandelt, heisst es in einer Mail.
Bei PwC Zypern, wo Mordaschow seit Jahrzehnten Klient ist, beginnt damit offenbar ein Rennen gegen die Zeit. Denn: Mordaschow wird am 28. Februar durch die EU sanktioniert – unter anderem wegen seiner Nähe zu Putin. Eine EU-Offizielle erklärte auf Anfrage, dass die Sanktionen «ab der ersten Stunde des 28. Februar in Kraft getreten seien», weitere EU-Quellen bestätigen das.
Die Abwicklung des «Deals» auf Zypern zieht sich jedoch noch in den März, wie die geleakten Dokumente nahelegen. Auf einem Dokument ist am 1. März handschriftlich «dringend» vermerkt, anscheinend muss neu unterzeichnet werden. Ein ausgefülltes Prüfformular ist vom 2. März 2022. PWC versucht also am Tag der Sanktionierung und sogar an den darauffolgenden Tagen die Anteilsübertragung über die Bühne zu bringen.
Hilft PWC hier Sanktionen auszuhebeln, zu einem Zeitpunkt, wo es das nicht mehr hätte tun dürfen? Der deutsche Sanktionsrechtler Viktor Winkler warnt jedenfalls, dass solche Handlungen rechtlich sehr heikel sein können: «Ab dem Zeitpunkt, zu dem die politische Entscheidung der EU, die Person zu sanktionierten, veröffentlicht wird oder aber der Person anders bekannt wird, ist jeder Versuch von Vermögensverschiebungen als strafbare Sanktionsumgehung zu werten.»
Kyriacos Iordanou, Generaldirektor der zypriotischen Aufsichtsbehörde für Buchhalter und Wirtschaftsprüfer ICPAC, erklärte gegenüber der Antikorruptionsplattform OCCRP, dass «wir vor einigen Monaten auf die Überweisung aufmerksam geworden sind und sie geprüft haben». Sie hätten «gemäss den gesetzlichen Bestimmungen die entsprechenden Massnahmen ergriffen».
Das zypriotische Finanzministerium teilt auf Anfrage mit: «Wir haben Kenntnis von TUI-Aktien-Transfers, und es wird ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren durchgeführt.» Auch ein Regierungssprecher bestätigt die Untersuchung. Ob es in diesem Verfahren aber auch um PWC geht, ist unklar. Das Ministerium will sich zur laufenden Ermittlung nicht äussern. Der Staatssekretär des Finanzministeriums sagte wiederum zyprischen Medien, PWC sei nicht Teil der Ermittlung. Es gibt also widersprüchliche Aussagen.
PWC erklärte, dass ihm keine strafrechtlichen Ermittlungen bekannt seien. Als Reaktion auf die Informationen in den durchgesickerten Akten sagte ein Sprecher der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft: «Jeder Vorwurf der Nichteinhaltung geltender Gesetze und Vorschriften wird sehr ernst genommen, untersucht, und gegebenenfalls werden entsprechende Massnahmen ergriffen.»
Mordaschow lässt per Sprecherin mitteilen, ebenfalls nichts von der Ermittlung zu wissen. Er weist alle Vorwürfe zurück und sagt per Sprecherin zur erwähnten Aktienübertragung: «Alle Informationen und behördlichen Mitteilungen im Zusammenhang mit der Aktienübertragung wurden den zuständigen Behörden ordnungsgemäss offengelegt und kurz nach der Aktienübertragung im gesetzlich vorgeschriebenen Umfang veröffentlicht, was eindeutig beweist, dass keine Absicht bestand, etwas zu verbergen oder die Gesetze zu umgehen.»
Wie auch immer die Hilfe von PWC zu beurteilen ist, Erfolg hatten die Helfer dabei offenbar nicht. Offenkundig ist die Übertragung der TUI-Anteile auf Mordaschows Partnerin bis heute nicht wirksam geworden, wie das deutsche Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz auf Anfrage mitteilt – laut TUI liegen die Anteile damit weiterhin bei Mordaschow, doch dieser kann damit aktuell nichts machen.
Nicht nur Mordaschow, auch die russischen Oligarchen Alexander Abramow und Alexander Frolow unterstützte PWC gemäss den Cyprus-Confidential-Dokumenten, ihr Vermögen vor der drohenden Sanktionierung zu sichern: Ihnen hat PWC im März 2022 offenbar dabei geholfen, erhebliche Summen auf Briefkastenfirmen zu verschieben, als das britische Unterhaus bereits über die Sanktionierung von Frolow und Abramow sprach. Gemäss den geleakten Unterlagen geht es um 100 Millionen Euro, die unter dem PWC-Logo auf den relevanten Papieren schnell die Besitzer wechseln sollten. Im November 2022 wurden Abramow und Frolow dann in Grossbritannien sanktioniert. Anfragen an die beiden bleiben unbeantwortet.
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