Tesla Cybertruck auf Schweiz-TourneeElon Musks umstrittenes Monsterfahrzeug steht jetzt in Zürich
Die Neuinterpretation des amerikanischen Pick-ups ist erstmals in der Schweiz zu sehen. Geschosse können der Carosserie nichts anhaben. Fettige Finger schon.
An diesem Auto ist sogar der Scheibenwischer massiv. Er hat die Länge eines Zweihandschwerts und wird von einem Motor angetrieben, der gerade so gut in einer Vespa stecken könnte.
Der Cybertruck gehört zu den verrückteren Einfällen, die der Tech-Gigant Elon Musk in die Realität umgesetzt hat. Sein Elektro-Pick-up ist grösser, stärker und protziger als jeder andere Personenwagen.
Wie ein Rockstar tourt das Auto derzeit durch Europa. Jetzt steht es also für fünf Tage im Zürcher Tesla Store und sieht aus, als wäre es besser auf einer Marsmission aufgehoben oder wenigstens bei einer Expedition in der Antarktis. Testfahren kann man es nicht, geschweige denn kaufen. Das Fahrzeug ist in der Schweiz nicht zugelassen.
Den Cybertruck gibt es in drei Ausführungen, die Basisversion ist auf 61’000 Dollar veranschlagt, in Zürich ist die mit 96’000 Dollar teuerste Cyberbeast-Variante ausgestellt: irrsinnige 850 PS, eine Beschleunigung von 0 auf 100 in 2,7 Sekunden, ein 3-Tönner für den Privatgebrauch. An seinem höchsten Punkt überragt er mit 1,80 Metern die meisten Menschen.
Ein Publikumsmagnet
Wer bitteschön braucht so ein Biest? «Gerade in den USA hat der Cybertruck das Potenzial, die dort verbreiteten grossen Verbrenner von den Strassen zu holen und mit einer nachhaltigeren Variante zu ersetzen», sagt der freundliche Tesla-Vertreter in Zürich («keine Namen bitte!»).
Der Vertreter hat den Cybertruck schon auf den Stationen in Berlin, Düsseldorf und München begleitet, wo der Muskelprotz (das Auto) viele Menschen anlockte. In Zürich dürfte das nicht anders sein – schon am Dienstag, als die Medien eingeladen sind, bleiben viele Passantinnen und Passanten beim Anblick des Cybertrucks vor dem Ladenlokal stehen.
Der Wagen hat ein stählernes Exoskelett und ist nicht wie andere Autos auf tragende Elemente im Innern angewiesen. Der aufwendig behandelte Edelstahl ist angeblich so hart, dass er nur gebogen und nicht gepresst werden kann, weil er die Stanzpresse zerstören würde. Der Cybertruck hat deshalb ein kantiges, exzentrisches Äusseres, das an die dystopische Welt von «Blade Runner» erinnert. Die Probe zeigt: durchaus anfällig auf Fingerabdrücke.
Wer die Rollabdeckung via Touchscreen-Befehl einzieht und die Ladefläche freigibt, kann dort drei Steckdosen entdecken. Ein voll aufgeladener Cybertruck soll genug Strom liefern, um ein Haus während dreier Tage zu versorgen (bei 11,5 Kilowattstunden am Tag). Das könne gerade in entlegenen Gegenden in den USA, wo es häufiger zu Stromunterbrüchen komme, wichtig werden, sagt der Tesla-Vertreter.
Zu gross für Schweizer Strassen
Experten bezweifeln, dass der Panzer-Pick-up in Europa jemals eine Zulassung erhält. Nicht nur ist er mit seinen 5,7 Metern Länge und 2,4 Metern Breite überdimensioniert für unsere Strassen. Vor allem gewichten die europäischen Zulassungsbehörden den Aufprallschutz für andere Verkehrsteilnehmer höher als die USA, und beim Cybertruck verforme sich der Edelstahl bei einem Aufprall fast nicht und absorbiere deshalb kaum Energie.
Der Tesla-Vertreter in Zürich konnte keine Angaben dazu machen, ob das Unternehmen eine Zulassung für Europa beantragen wird. Der Fokus liege derzeit klar auf Nordamerika.
Hämische Kommentare
«Cyber Odyssey» heisst die aktuelle Showtournee von Tesla, und der Begriff der Irrfahrt passt ganz gut zum Weg, den der Cybertruck bisher zurückgelegt hat. Seine Auslieferung begann in den USA Ende 2023 erst nach jahrelangen Verzögerungen, die auf Produktionsprobleme und Lieferengpässe zurückzuführen waren. Seither fiel er immer wieder durch Mängel und Pannen auf, begleitet von hämischen Kommentaren im Netz. Zu sehen waren Cybertrucks, die in Sand, Schnee und Schlamm stecken blieben. Einer musste sogar von einem Ford-Truck abgeschleppt werden. Höchststrafe!
Einige Besitzer beklagten sich, dass ihre neuen Cybertrucks einfach nicht mehr fuhren. Andere sagten, dass der Stahl leicht roste (was Tesla dementiert) oder dass die Windschutzscheibe einen Hagelsturm nicht aushielt.
Das alles steht im starken Kontrast zur Werbebotschaft, wonach dieses Auto «für jeden Planeten» gebaut sei. Bei der Vorstellung des Fahrzeugs behauptete Elon Musk, es sei kugelsicher – bevor eine von Hand geworfene Stahlkugel die Scheibe zerbrach. Auf die Berichte von gerostetem Stahl reagierte Tesla mit einer Do-it-yourself-Anleitung: Es handle sich bei den braunen und orangen Flecken um keinen Rost, sondern um «eisenhaltige Ablagerungen», die das Fahrzeug bei der Fahrt aufnehme. Wer sie entfernen wolle, könne zu einer Alkohollösung greifen.
Am schwersten wogen bisher die Probleme mit dem Gaspedal. Cybertruck-Besitzer berichteten, bei voller Fahrt könne das Pedal im durchgedrückten Zustand feststecken. Als die US-amerikanische Verkehrssicherheitsbehörde reagierte, rief Tesla im April 2024 alle knapp 4000 bisher ausgelieferten Cybertrucks zurück, um das Problem zu beheben. Mängel in neuen Fahrzeugmodellen sind in der Autoindustrie nicht ungewöhnlich, ein klemmendes Gaspedal stellt aber einen Worst Case dar.
Die «New York Times» resümierte deshalb, dieses «seltsame Origami-Stück aus Metall» verkörpere alle Schwächen von Elon Musk: Dieser sei ein Mann des Silicon Valley, der Innovation um ihrer selbst willen schätze. Und wie die Tech-Industrie wolle Musk Produkte schnell auf den Markt bringen – und sich dann um die Folgen unvollendeter Arbeit, Fehlfunktionen oder Mängel kümmern, wenn sich Verbraucher beschwerten oder das Unternehmen verklagt werde. «Die Folgen mögen vernachlässigbar sein, wenn es sich bei dem Produkt um eine Unterhaltungsapp handelt. Aber bei Autos steht erschreckend viel auf dem Spiel.»
Der Cybertruck ist ab Mittwoch und bis Samstag im Tesla Store an der Pelikanstrasse 10 in Zürich ausgestellt.
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