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Hilfskredite werden veruntreut
Corona-Kredite flossen ins Ausland statt in die eigene Firma

Finanzminister Ueli Maurer redete das Missbrauchsrisiko bei den Covid-19-Hilfskrediten klein. Die Realität sieht anders aus.
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Finanzminister Ueli Maurer (SVP) legte sich früh fest. Als Maurer Ende März die staatlich verbürgten Covid-19-Hilfskredite an Unternehmen präsentierte, sagte er: «Der Missbrauch ist praktisch ausgeschlossen, davon bin ich grundsätzlich überzeugt.» Die Banken würden ihre Kunden kennen. Und erst Mitte Mai teilte das Staatssekretariat für Wirtschaft (Seco) mit, dass es nur wenige Fälle mit Betrugsverdacht gebe.

Nun zeigt sich, dass bei den Krediten wohl häufiger betrogen wird, als dies der Finanzminister antizipiert hat. Bei der Meldestelle für Geldwäscherei gingen seitens der Banken bis am letzten Dienstag rund 100 Verdachtsmeldungen ein: «Wir haben den Staatsanwaltschaften betroffener Kantone in rund 50 Fällen Berichte versandt, in denen ein Verdacht auf ein Betrugsdelikt vorliegt, wobei ein Bericht auch mehrere Verdachtsmeldungen enthalten kann», sagt Sprecher Florian Näf. Es seien mehrere Kantone in allen Landesteilen betroffen und es dürften weitere Fälle dazukommen, so Näf. Auch der Eidgenössischen Finanzkontrolle sind diverse Verdachtsfälle für Betrügereien gemeldet worden. Laut einer Stichprobe dieser Zeitung sind bei den kantonalen Staatsanwaltschaften daher bereits über 40 Ermittlungsverfahren hängig.

Aufgeblähte Umsatzzahlen

Die Waadtländer Staatsanwaltschaft hat am Montag ihre Ermittlungen in mehreren Betrugsfällen öffentlich gemacht. In der Waadt tätige Unternehmer bezogen für ihre Firmen Kreditlinien von insgesamt mehreren Millionen Franken. An die Kredite kamen sie, indem sie auf ihren Anträgen an die Banken mutmasslich überrissene Umsatzzahlen angaben. Es ist davon auszugehen, dass sie sich koordinierten.

Ein KMU darf einen Hilfskredit von maximal 10 Prozent des Jahresumsatzes bei seiner Hausbank beantragen. Die Obergrenze für einen Kredit liegt bei einer halben Million Franken. Der Staat übernimmt bis zu dieser Summe das vollständige Ausfallrisiko. Der fallführende Waadtländer Staatsanwalt Anton Rüsch sagt: «Um den Kreditnehmern eine rasche Finanzliquidität zu garantieren, deponiert die Bank das Geld rasch auf deren Konten und überprüft die Plausibilität der Angaben erst im Nachhinein.»

In der Waadt flogen die mutmasslichen Betrügereien nicht wegen aufgeblähter Umsatzzahlen auf, sondern weil die Kreditnehmer vom geliehenen Geld 1,5 Millionen Franken ins Ausland transferierten. Die kreditgebenden Banken informierten die Meldestelle für Geldwäscherei darüber, die wiederum die Waadtländer Justiz einschaltete.

«Ich hoffe, das Geld fliesst in die Schweiz zurück. Sicher bin ich aber nicht.»

Anton Rüsch, Waadtländer Staatsanwalt

Staatsanwalt Rüsch eröffnete gegen die Kreditnehmer ein Verfahren wegen Betrug, Veruntreuung, ungetreuer Geschäftsführung, Urkundenfälschung, Geldwäscherei und Verstoss gegen die Corona-Verordnung des Bundes. Am 19. Mai kam es an diversen Orten zu Hausdurchsuchungen. Rüsch setzte eine Person wegen Kollusions- und Fluchtgefahr in Untersuchungshaft. Die Konten der Beschuldigten liess er blockieren und leitete Schritte ein, damit die 1,5 Millionen Franken in die Schweiz zurückfliessen. «Ich gehe davon aus, dass das Geld zurückkommt. Sicher sein kann ich aber nicht», sagt Rüsch. Die Frage, in welcher Branche die Unternehmen der Kreditbezüger tätig sind, wollte Rüsch aus ermittlungstechnischen Gründen nicht beantworten. Bei den Beschuldigten handle es sich um Schweizer Staatsbürger mit türkischen Wurzeln, hält die Justiz in einem Communiqué fest.

Die Durchsuchungen im Kanton Waadt zeigen, dass die Ermittlungen zu möglichen Covid-Kreditbetrügereien Fahrt aufnehmen. Die Liste der Staatsanwaltschaften, die hierzu ermitteln, wird immer länger.

Immer mehr Strafverfahren

Mit rund 30 Fällen hat der Kanton Zürich die meisten Fälle. Die Deliktssumme betrage rund 2,5 Millionen Franken, teilt die Oberstaatsanwaltschaft mit. Ob ebenfalls bereits Hausdurchsuchungen angeordnet wurden, dazu macht sie keine Angaben.

Die Justiz in Basel-Stadt hat nach eigenen Angaben eine einstellige Zahl an Verdachtsfällen im Visier. Im Kanton Schwyz sind es drei, Hausdurchsuchungen hat es hierbei noch keine gegeben, heisst es, die Ermittler warten zum Teil noch auf die Kontoauszüge.

Neu meldet die Staatsanwaltschaft in St. Gallen, dass sie sechs Verfahren in diesem Kontext führt. «Wir haben Bankdaten ediert und Konten gesperrt, aber noch keine Hausdurchsuchungen oder staatsanwaltschaftliche Einvernahmen durchgeführt», teilt der Medienbeauftragte mit. Und nachdem Mitte Mai noch keine Fälle hängig waren, ermittelt die Staatsanwaltschaft Zug nun nach eigenen Angaben in zwei Betrugsfällen. «Die Deliktssumme beläuft sich auf mehrere Zehntausend Franken», heisst es.

Im Auftrag des Seco prüfen die Experten von PWC zwar, ob ein Unternehmen verbotenerweise Mehrfachanträge für staatlich verbürgte Hilfskredite gestellt hat. Das grosse Problem ist indes, die Mittelverwendung zu überprüfen. So berichtete die «SonntagsZeitung», dass einige Unternehmer mit den Hilfskrediten ihre Luxuskarossen wieder auslösen, die sie zuvor bei Auto-Pfandhaus.ch GmbH für einen Kredit verpfändet hatten.

Betrüger riskieren harte Strafen: Wer im Antragsformular bewusst falsche Angaben macht, begeht Urkundenfälschung und muss mit einer Busse von bis zu 100’000 Franken und bis zu fünf Jahren Haft rechnen.