Natürliche KohlenstoffsenkenBäume und Land haben im vergangenen Jahr fast kein CO₂ absorbiert
Der plötzliche Zusammenbruch der Kohlenstoffsenken wurde in den Klimamodellen nicht berücksichtigt und könnte die globale Erwärmung rasch beschleunigen.

- Natürliche Kohlenstoffsenken absorbieren rund die Hälfte der jährlichen CO₂-Emissionen.
- 2023 brach die CO₂-Aufnahme-Kapazität der Ökosysteme aufgrund von Dürren und Bränden ein, und die Wachstumsrate von Kohlendioxid in der Atmosphäre stieg um 86 Prozent gegenüber dem Vorjahr.
- Forscher warnen, dass Klimaziele ohne funktionierende Senken nicht erreicht werden können.
Ozeane, Wälder, Böden wie Moore und Steppen und andere natürliche Kohlenstoffsenken absorbieren rund die Hälfte aller menschgemachten CO₂-Emissionen. Die Ökosysteme an Land nehmen dabei ein Drittel der jedes Jahr freigesetzten Treibhausgase auf.
Untersuchungen eines internationalen Forscherteams weisen jetzt darauf hin, dass im Jahr 2023, dem bisher heissesten jemals aufgezeichneten Jahr, die vom Boden aufgenommene Kohlenstoffmenge vorübergehend zusammengebrochen ist: Starke Dürren wie im Amazonas-Regenwald und massive Waldbrände in Kanada beeinträchtigten die Fähigkeit der natürlichen Kohlenstoffsenken, Treibhausgase zu absorbieren.

Infolgedessen sei die Wachstumsrate des Kohlendioxids in der Atmosphäre 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 86 Prozent angestiegen, so die Forscher. «Die Kohlenstoffsenken sind eine Pumpe, und wir pumpen immer weniger CO₂ aus der Atmosphäre in das Land», erklärte Philippe Ciais vom französischen Labor für Klima- und Umweltwissenschaften gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. Die Wissenschaftler vergleichen den beobachteten Effekt mit einer vernachlässigten Zimmerpflanze: Wenn die Pflanze nicht gegossen wird, ist sie nicht sehr produktiv, sie kann nicht wachsen und nimmt nur sehr wenig oder kein Kohlenstoff auf.
Die Klimaziele sind ohne funktionierende Kohlenstoffsenken nicht zu schaffen
Die Forscher weisen aber auch darauf hin, dass die CO₂-Aufnahme durch die natürlichen Kohlenstoffspeicher der Erde von Jahr zu Jahr schwanken. Ein einzelnes schlechtes Jahr allein sei zu wenig, um von einem Trend zu sprechen. Es wäre jedoch ein Alarmsignal, wenn das beobachtete Phänomen von vergangenem Jahr zu einem Normalzustand würde.
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Die Wissenschaftler betonen aber auch, dass die internationalen Klimaziele ohne funktionierende Kohlenstoffsenken in Form von Steppen, Mooren und Wäldern nicht zu erreichen sind: Da es zurzeit noch keine Technologie gibt, die atmosphärischen Kohlenstoff in grossem Massstab entfernen kann, sind die Wälder, Graslandschaften, Torfmoore und Ozeane der Erde die einzige Möglichkeit, die menschlichen CO₂-Emissionen zu absorbieren. Daher müsste ihre Rolle noch viel besser erforscht werden.
«Klimawissenschaftler sind besorgt, weil sie wissen, dass in den Modellen bestimmte Dinge fehlen»
«Insgesamt sind sich die Modelle einig, dass sowohl die Kohlenstoffsenken an Land als auch im Meer durch den Klimawandel an Produktivität abnehmen werden. Die Frage ist jedoch, wie schnell das geschehen wird», erklärte Andrew Watson, Leiter der Meeres- und Atmosphärenforschungsgruppe der Exeter University, gegenüber dem «Guardian». Zurzeit gehe man davon aus, dass dies über die nächsten 100 Jahre geschehen werde, es könne aber auch sehr viel schneller passieren.
«Klimawissenschaftler sind über den Klimawandel nicht wegen der Dinge besorgt, die in den Modellen enthalten sind, sondern weil sie wissen, dass den Modellen bestimmte Dinge fehlen», betont Watson.
So fand eine im vergangenen Sommer veröffentlichte Studie heraus, dass die Gesamtmenge des von den Wäldern zwischen 1990 und 2019 aufgenommenen Kohlenstoffs zwar konstant war, aber je nach Region stark variierte: In den borealen Wäldern, die sich über Russland, Skandinavien, Kanada und Alaska erstrecken, ist die Menge des absorbierten CO2 stark zurückgegangen, und zwar um mehr als ein Drittel, was gemäss den Forschern auf durch die Klimakrise verursachte Käferausbrüche und Waldbrände zurückzuführen ist.
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