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Grosser Ärger beim Chemieriesen
Clariant-Mitarbeitende manipulierten Bilanz – Aktie stürzt ab

Mitarbeitende haben an den Kennzahlen des Unternehmens gedreht. Hauptsitz von Clariant in Pratteln. 
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Am Mittwoch wollte der Baselbieter Chemiekonzern Clariant seinen Jahresabschluss vorlegen. Nun musste der gesamte Prozess gestoppt werden: Mitarbeitende haben die Bilanz manipuliert, die Prüfgesellschaft PWC kann die Zahlen nicht beglaubigen. Wie der Chemieriese im vergangenen Jahr abgeschnitten hat, bleibt bis auf weiteres unklar. Weil die Börse solche Unwägbarkeiten hasst, stürzte die Aktie am Montag zeitweise um fast 20 Prozent in den Keller. 

Das Besondere an diesem an sich schon besonderen Fall ist: Gier als klassisches Motiv interner Buchungsmanipulationen steckt nicht dahinter. «Zum jetzigen Zeitpunkt können wir persönliche Bereicherung als Motiv ausschliessen», sagt Clariant-Sprecher Jochen Dubiel dieser Zeitung. Die Kennzahlen, an denen gedreht wurde, betreffen die Rechnungsabgrenzungen sowie Rückstellungen. Es gehe nicht um Auftragseingang oder Umsatz. 

Motiv war offenbar Liebe zum Konzern

Offenbar ging es den Mitarbeitenden darum, die Ebitda-Marge von Clariant zu verbessern. Das heisst, das Motiv war übergeordneter Natur: Die seit Jahren in einer schwierigen Restrukturierungsphase steckende Clariant sollte ihre Margen schneller erreichen, als sie das offenbar tatsächlich tut.

Auch von der Autobahn gut erkennbar: Das zylindrische Bürogebäude von Clariant in Pratteln. 

Clariant will ihre Ebitda-Marge auf 16 bis 17 Prozent steigern – im dritten Quartal schaffte sie dabei einen Sprung auf 16,4 Prozent nach 14,2 Prozent im Vorjahresquartal. Diese Zahlen könnten nun revidiert werden. Auch die Bilanz von 2020 muss möglicherweise noch angepasst werden.

Es waren Clariant-Mitarbeitende selbst, die die Manipulationen aufgedeckt haben. Über die interne Whistleblower-Stelle meldeten sie die Bilanzauffälligkeiten im September. Wie viele Angestellte in den Fall involviert sind, ist zurzeit unklar. Die internen Untersuchungen laufen noch. Der Konzern hatte gehofft, bis zum ursprünglich für diese Woche angesetzten Termin der Bilanzmedienkonferenz den Fall klären zu können, aber er musste diesen Versuch am Wochenende abbrechen.   

Bitterer Kulturerfolg 

Der Ärger im Konzern ist gross. Offenbar gibt es bei Clariant ein kulturelles Problem. Der neue CEO Conrad Keijzer leitet seit Anfang 2021 den Chemiekonzern und betont in jeder Ansprache oder jedem Brief an die mehr als 13’000 Mitarbeitenden, wie wichtig regelkonformes Verhalten (Compliance) sei. ««Insofern ist die gegenwärtig laufende Untersuchung ein Erfolg dieser Bemühungen», sagt Konzernsprecher Dubiel. 

Hauptaktionär von Clariant ist der saudiarabische Staatskonzern Sabic. Seit 2008 hatte Hariolf Kottmann die Geschicke des durch etliche Krisen und Sparprozesse gehenden Konzerns als CEO und als Verwaltungsratspräsident geprägt und eine feindliche Übernahme und Zerschlagung verhindert. Um den Konzern eigenständig zu halten und wieder auf Expansionskurs zu bringen, wurden unprofitable Geschäftsbereiche verkauft. Im Fokus stand dabei immer auch die Ebitda-Marge. Erst letzten Sommer war mit dem Pigmentgeschäft das Verkaufsprogramm beendet worden.  

Das Margenziel? Clariant bestätigt es trotzdem

Die Belegschaft ist durch immer neue Jobabbaurunden und Verkäufe von Firmenteilen in den letzten Jahren geschrumpft. Die verbliebenen Clariant-Leute sind hartgesotten – und wie sich nun zeigt, zum Teil wohl über die Grenzen des Erlaubten hinaus loyal.   

Nicht betroffen von den Problemen in der Buchführung ist der Umsatz des Konzerns für 2021. Dieser ist für die fortgeführten Geschäftsbereiche in Lokalwährungen um 15 Prozent auf rund 4,4 Milliarden Franken gestiegen, wie es hiess. Was Clariant zugleich bestätigte, war das Ebitda-Margenziel des Konzerns. Sind die Manipulationen tatsächlich erfolgt, nur um die Firmenvorgaben zu erfüllen, wären sie gar nicht nötig gewesen.