«Churchill at War» auf NetflixFührungsstärke und Charisma – warum die Gegenwart einen Mann wie Churchill braucht
Eine neue Serie erweckt den grossen Helden des zwanzigsten Jahrhunderts mit KI zum Leben. Damit scheint der Verteidiger von Demokratie und Freiheit direkt zur Gegenwart zu sprechen.
- Die Netflix-Serie «Churchill at War» beleuchtet Churchills vielschichtige Persönlichkeit.
- Malcolm Venville schafft Nähe zu Churchill durch historische und nachkolorierte Aufnahmen.
- Churchills sprachliche Begabung wird mithilfe von künstlicher Intelligenz lebendig.
Es braucht heute einiges, um sich von der Fülle historischer Dokuserien abzuheben. Die meisten erzählen ihr Thema in stereotyper Form mit den typisch ausgeleuchteten Experteninterviews, historischem Material und dramatischer Musik. Darauf setzt auch die neue Netflix-Miniserie «Churchill at War», die sich aber dennoch entscheidend hervorhebt.
Das liegt vielleicht am Subjekt, Winston Churchill. Er war ein Mann wie ein Erdbeben und als grosser Gegenspieler von Adolf Hitler eine der prägendsten politischen Figuren des 20. Jahrhunderts. Als Mann von unfehlbarer moralischer Klarheit und Verteidiger von Freiheit und Demokratie ist sein Beispiel auch für uns heute relevant. Auch wenn seine hervorstechenden Eigenschaften wie Führungsstärke, Nationalstolz und Charisma heute in Verruf geraten sind. Ganz zu schweigen von seiner privilegierten Herkunft, seinem Glauben an den Imperialismus und seinen vielen schwierigen Charaktereigenschaften.
Winston Churchill – grosser Politiker, grosser Poet
Doch Regisseur Malcolm Venville gelingt es, eine überraschende Nähe zu diesem Helden des 20. Jahrhunderts zu schaffen. Einerseits durch viele historische, nachkolorierte Aufnahmen von Churchills Jugendtagen bis zu seiner «besten Stunde» im Zweiten Weltkrieg.
Nähe schafft er aber auch durch seine Sprachgewalt, die in Churchills zahlreichen Büchern, Briefen und Reden belegt ist. Elf Millionen Wörter hat er hinterlassen, und die Filmemacher erwecken seine prägendsten Worte mit künstlicher Intelligenz zum Leben. Über weite Strecken führt Churchill so als Erzähler durch die Ereignisse, wie er sie niedergeschrieben hat. Denn Churchill war nicht nur ein grosser Politiker, sondern ein ebenso grosser Poet. Das entfaltet vor der Dramatik der Ereignisse eine unheimliche Kraft, etwa wenn er sagt: «Wir werden niemals aufgeben.»
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«Churchill at War» beginnt mit Englands Eintritt in den Krieg und blendet dann in Churchills Jugend zurück, die in wesentlichen Teilen auch seinen Charakter erklärt. Die Abenteuerlust, die Überzeugung, zu Grossem bestimmt zu sein, sein Führungsanspruch, alles Dinge, die heute eher verdächtig erscheinen, die er aber glücklicherweise dazu einsetzte, sich Totalitarismus und Barbarei entgegenzustellen.
Ein britischer Premier, ein amerikanischer Präsident
Produziert von den Hollywood-Grössen Ron Howard und Brian Grazer, versammelt die Serie auch prominente Experten, die aus heutiger Distanz Churchills Bedeutung festzulegen suchen. Neben den erwartbaren Historikern treten mit Boris Johnson ein ehemaliger britischer Premierminister auf und mit George W. Bush sogar ein ehemaliger US-Präsident. Auch der britische Aussenminister David Lammy äussert sich.
Und so liegt die wahre Stärke der Serie nicht in der Heldenverehrung, die sie durchaus auch leistet: Wir sehen Churchill, den Stumpenraucher, den Hut-und Uniformen-Liebhaber. Ohne seine politisch problematischen Seiten zu verschweigen: So war er gegen die Frauenbefreiung – und heiratete dennoch eine emanzipierte Frau. Er traf schwerwiegende Fehlentscheidungen und hatte doch in den wichtigsten Fragen den richtigen Instinkt. Zudem war er dem Alkohol zugeneigt, oft stur und manchmal unfreundlich. Und er rettete zwar Europa vor den Nazis, konnte aber den Abstieg von der Weltmacht zum Juniorpartner der USA nicht verhindern.
Gegenwärtige Bedrohungen
Die Stärke liegt in ihrem Bezug zur Gegenwart. Die Werte, die Churchill damals verteidigte, sind auch heute unter Druck, vielleicht mehr denn je seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs. Oder wie es Boris Johnson in der Serie ausdrückt: «Churchill war kristallklar, was den Wert von Freiheit angeht. In diesem Sinne redet er auch zu unserer Ära, in der die Freiheit vielerorts bedroht ist und wir uns darüber klar sein müssen, für welche Werte wir zu kämpfen bereit sind.» Ob Johnson dabei an Wladimir Putin, die Hamas oder den Iran denkt, darf hier offenbleiben.
Netflix: «Churchill at War»
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