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«The Perfect Couple» auf Netflix
Sozial­neid macht selten so viel Spass

The Perfect Couple. Nicole Kidman as Greer Winbury in episode 106 of The Perfect Couple. Cr. Courtesy of Netflix © 2024
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Die malerische Villa des Winbury-Clans liegt auf Nantucket, einer Insel vor der neuenglischen Küste, einen bequemen Helikopterflug von Manhattan entfernt. Auf Nantucket wird es nie zu heiss und selten kalt. Hier spielt die Netflixserie «The Perfect Couple».

Das Timing ist schon mal grossartig: Wenn Tagträume messbar wären, würden solche, in denen Strandhäuser vorkommen, vermutlich im September alle Hitlisten anführen, der weitverbreiteten PUD wegen.

PUD steht für Post-Urlaubs-Depression, und nein, nicht nachschlagen, die steht in keinem Lexikon, aber es gibt sie trotzdem. Die Sehnsucht nach dem ganzjährigen Privatstrand am unteren Ende eines gepflegten Gartens legt sich bei «The Perfect Couple» recht schnell, denn im Sand liegt bald eine Leiche.

Eine Paraderolle für Nicole Kidman

Die Winburys sind eigentlich unerträglich. Wenn sie das Dienstmädchen beklatschen, bevor sie wieder aus dem Esszimmer huscht, ist das so richtig schön eklig. Reiche, arrogante Heuchler. Aber es rückt ihnen nun eine Kommissarin vom Festland auf den Pelz, der sie nicht imponieren können, und so hält man es sogar ausgesprochen gut sechs Folgen lang mit ihnen aus.

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Das mit dem ausgewogenen Klima kommt der Krimiautorin Greer Garrison Winbury, die in eine der alten Familien Neuenglands eingeheiratet hat, sehr entgegen, sie ist nicht der Typ, der Schweissperlen auf der Stirn duldet – eine Paraderolle für Nicole Kidman, deren beständiges Ringen um Perfektion hier genau hinpasst. Am Anfang der Serie posiert sie mit ihren drei Söhnen, der mittlere, Benji, soll am nächsten Tag heiraten, die Strandparty ist die Generalprobe für die Festivitäten, die am Morgen beginnen sollen. Daraus wird nichts, wegen der toten Influencerin Merritt, die zu Lebzeiten die beste Freundin der Braut war.

Inszeniert hat diese Serie die Dänin Susanne Bier, die für Netflix unter anderem den Horror-Hit «Bird Box» mit Sandra Bullock gedreht hat – und vielleicht liegt es an ihren Anfängen mit Filmen im auf Authentizität konzentrierten Stil des Dogma-Manifests, dass sie ein so gutes Gefühl dafür hat, Räume sprechen zu lassen. Ausstattung ist bei ihr auch dann kein Selbstzweck, wenn sie so verführerisch ist wie das Winbury-Anwesen; und sie gestaltet ganz vielschichtige, glaubwürdige Figuren. Sie sind bloss nicht alle nett.

The Perfect Couple. (L to R) Ishaan Khattar as Shooter Dival, Sam Nivola as Will Winbury, Isabelle Adjani as Isabel Nallet, Jack Reynor as Thomas Winbury, Liev Schreiber as Tag Winbury, Dendrie Taylor as Karen Sacks, Billy Howle as Benji Winbury, Eve Hewson as Amelia Sacks, Michael McGrady as Bruce Sacks in episode 103 of The Perfect Couple. Cr. Courtesy of Netflix © 2024

Bier hat einen Oscar und einen Europäischen Filmpreis (beide für «In einer besseren Welt»), einen Emmy und einen Golden Globe. Das gibt es gar nicht oft, erklärt aber, warum die Serie bis in die Nebenrollen so hochkarätig besetzt ist. Isabelle Adjani ist als verquollene Freundin der Familie dabei, Dakota Fanning spielt die herrlich verdruckste schwangere Frau von Greers ältestem Sohn, Liev Schreiber gibt den bärig-versoffenen Familienvorstand. Die Matriarchin, das merkt man schnell, muss hinter den Kulissen ganz schön schuften, um den schönen Schein aufrechtzuerhalten, während ihr Mann nach Herzenslust alle Wälle einreisst, die sie um ungemütliche Wahrheiten herumgebaut hat.

Spannend bis zum überraschenden Schluss

Eine Leiche am Strand ist jedenfalls ganz schlecht, denn Greer hat das «People»- Magazin einbestellt, um ihr neuestes Buch zu bewerben, damit die Hochzeit wenigstens irgendeinen Nutzen hat, denn sie kann Amelia, ihre Schwiegertochter in spe, nicht leiden. Zu arm, findet Greer, aber sie bettet ihre Bedenken ein in den Anschein mütterlicher Fürsorge: Kann man sich denn bei einem solchen Mädel je sicher sein, dass sie den Sohnemann auch wirklich liebt? Greer hat ein grosses Talent, fies zu sein, ohne dass man ihr etwas nachweisen kann. Da hat sie in Detective Henry, der Kommissarin vom Festland, eine wunderbare Sparringspartnerin gefunden. Die kann das nämlich auch.

Der Mordfall Merritt häutet sich wie eine Schlange, am Ende einer jeden Episode erfährt man ein wenig mehr über das, was sich nachts am Strand zugetragen hat. Und kreist trotzdem immer nur um die Lösung herum – «The Perfect Couple» ist eine perfekte Thrillerserie, spannend bis zum überraschenden Schluss, und weil auch diese ganzen verlorenen Seelen von Nantucket, die zum Winbury-Clan gehören oder ihn umkreisen, Schicht um Schicht freigelegt werden, bis von den Fassaden nichts mehr übrig ist, bleibt der Weg dorthin das Ziel.

The Perfect Couple. (L to R) Liev Schreiber as Tag Winbury, Nicole Kidman as Greer Winbury in episode 101 of The Perfect Couple. Cr. Hilary Bronwyn Gayle/Netflix © 2024

Die meisten Serien leiden in letzter Zeit an ihren Längen: der Folgen zu viele, zu wenig zu erzählen. Bei «The Perfect Couple» ist man am Ende eher enttäuscht, dass Bier nicht doch noch eine Volte dreht. Da gibt es nichts vorzuspulen. Susanne Bier trifft immer die richtige Mischung aus ironischer Distanz, genüsslicher Missgunst und mitleiderregenden Wahrheiten. Den schönen Schein des Wohlstands beispielsweise, das findet man als Zuschauer rasch heraus, erhält Greer ganz allein aufrecht, indem sie Bestseller ausspuckt wie eine Krimischreibmaschine.

«The Perfect Couple» ist ein Genuss, denn nichts ist schöner als ein Krimi, in dem einer nach dem anderen zu Unrecht verdächtigt wird, und jeder von ihnen hat es verdient. Aber Vorsicht: Mit dem Sozialneid, der Teil dieses Vergnügens ist, treibt Susanne Bier ein doppeltes Spiel. Da geht man ihr leicht in die Falle.

«The Perfect Couple» (deutsch: «Ein neuer Sommer»), sechs Folgen, bei Netflix.