Netflix-Hit «Nobody Wants This»Wenn Hygge eine Serie wäre
Die Netflix-Serie «Nobody Wants This» ist die charmanteste Liebeskomödie dieses Herbstes. Das Rezept: Ein extrem verständnisvoller Mann.
- Die Serie «Nobody Wants This» feiert als Rom-Com auf Netflix Erfolge.
- Adam Brody und Kristen Bell zeigen eine starke Chemie als Hauptfiguren.
- Erin Foster verleiht der Serie einen einzigartigen humorvollen Charme.
- Kritiker loben die Situationskomik und die kulturellen Anspielungen der Serie.
Manchmal braucht es einen Rabbi. Nicht, um die Thora vorzulesen. Auch nicht, um die nächste Bar-Mizwa abzuhalten. Sondern für eine der reizendsten Rom-Coms des Jahres. «Nobody Wants This» läuft seit kurzem auf Netflix und setzt sich dort in den Charts fest. Im Mittelpunkt stehen ein Rabbi und eine Sex-Podcasterin – und anders als der Titel suggeriert, muss man festhalten: Alle wollen das.
Am Plot allein liegt das nicht, der ist auch schnell erzählt: Ein Rabbi, Noah (Adam Brody), hat soeben seine Verlobung aufgelöst und trifft auf einer Party auf die laute, Pelz tragende Joanne (Kristen Bell). Und mit ihr auf eine andere Welt. Viel gemeinsam haben die beiden nicht, und trotzdem funkt es.
Ausgedacht hat sich die Serie Erin Foster, selbst Podcasterin und ehemaliges leidgeprüftes Mitglied bei diversen Dating-Apps (sie hat selbst auch schon bei Bumble gearbeitet). Was sich in den zehn Folgen – jede angenehm kurze gut 20 Minuten lang – abspielt, ist beste Unterhaltung.
Lieben tun sich trotzdem alle in «Nobody Wants This»
Da wären die schnellen, scharfen, doppelbödigen Dialoge. Die California-Beach-Wave-blonde Joanne redet mit ihrer ebenso California-blonden Podcast-Partnerin live on air aus Los Angeles über Sex, Dating und Beziehungen. Ein bisschen wie beim sehr erfolgreichen echten US-Podcast «Call Her Daddy», nur ist Joannes Podcast-Partnerin ihre Schwester. Und wenn bei den Aufnahmen im Wohnzimmer auch noch Mama dabeisitzt, wird der Podcast und das Sexleben der Töchter automatisch zum «family business».
In einem Wochenendlager der jüdischen Gemeinde fragen ein paar Mädchen Joanne, ob sie mit dem «hot rabbi» Noah zusammen sei. «Ihr nennt ihn ‹hot rabbi›? Oh mein Gott, wie stolz mich das macht», antwortet Joanne. Der «hot rabbi» ist eine Anspielung auf Andrew Scotts unvergessenen «hot priest» aus «Fleabag». Niemand, den sie kenne, habe jemals einen heissen Rabbiner getroffen, zitiert der «Guardian» Macherin Erin Foster. «Ich finde, es sollte mehr heisse Rabbis geben.» Und hier sind wir schon beim Kern: Adam Brody ist als Noah der perfekte Boyfriend. Attraktiv, schlau, witzig und vor allem: wirklich extrem verständnisvoll.
Als Joanne sich für ihn in einer furchtbaren Jacke in Grund und Boden schämt, reagiert er nicht beleidigt, nicht wütend, er rennt auch nicht weg. Er hört ihr zu, bleibt und nimmt es mit Humor. Wie das Internet bereits geurteilt hat, ist Brody der Romance-Lead, auf den wir seit zehn bis fünfzehn Jahren gewartet haben.
Die Serie ist wohlig wärmend wie eine Tasse Kakao
Und für die Serie selbst gilt: Sie ist wohlig wärmend wie eine Tasse Kakao, wenn es draussen nass und kalt wird und eh alle mit Corona im Bett liegen. «Nobody Wants This» braucht keine zweite Ebene, will nicht die schlimme Welt erklären, sondern und schlicht: glücklich machen. Wäre Hygge eine Serie, es wäre wohl am ehesten diese.
Allen voran funktioniert «Nobody Wants This» wegen der Chemie zwischen den Hauptdarstellern. Kristen Bell spielt Joanne überdreht, frech, aber auch verletzlich. Und Brodys Noah ist eben einfach nur gut. Zwischen den beiden, die doch aus so unterschiedlichen Welten kommen, knistert es von Anfang an. Auf ganz subtile Weise. Und niemand hat jemals vor einem Kuss so reizend wie Brody gefragt, man möge doch seinen Eisbecher abstellen.
Für den Familienbesuch bringt Kristen Bell Prosciutto mit
Den beiden hilft natürlich, dass sie Millennial-Idole sind: Kristen Bell als Veronica Mars in der gleichnamigen Highschool-Krimiserie, Adam Brody als Seth Cohen in der Kultserie «The O.C.» über Teenager im kalifornischen Newport Beach, auch in dieser Rolle sensibel und verständnisvoll.
Und natürlich geht es auch ums Vereinen sehr verschiedener religiöser Welten. Als Atheistin Joanne und Noah für ihren Podcast in einen Sexshop gehen, treffen sie dort ausgerechnet auf Angehörige seiner Gemeinde. Und zum Antrittsbesuch bei Noahs Eltern bringt Joanne ausgerechnet eine Platte herzhaftesten Prosciutto mit.
Mit dieser Art von Situationskomik erinnert «Nobody Wants This» an «Fleabag» und «The Marvelous Mrs. Maisel». Auch in diesen Serien führt die Religion zu herrlicher Situationskomik. Es geht nicht darum, eine Weltanschauung zu propagieren, sondern religiöse Bräuche liebevoll aufs Korn zu nehmen. Das funktioniert bei «Nobody Wants This» natürlich nur, weil Erin Foster selbst für ihren Ehemann zum Judentum konvertiert ist und weiss, wovon sie schreibt.
In der Sprache des Internets: «Wholesome»
Zum Spass trägt entscheidend die Besetzung bei. Allein, wie grimmig Tovah Feldshuh als Noahs Mutter Bina das erste Mal in der Synagoge auf die «Schickse» Joanne blickt, ist sehenswert. Justine Lupe (Willa in «Succession») spielt Joannes Schwester Morgan ungeniert und todlustig, Timothy Simons ist als Noahs dusslig-bekiffter Bruder zum Niederknien komisch. Und dass in Joannes Familie Religion keine Rolle spielt, heisst gar nichts.
Ihre Mutter hängt noch Jahre nach der Scheidung ihrem Ehemann hinterher, der inzwischen in einer schwulen Beziehung lebt. Message: Irre geht es überall zu, Religion hin oder her, und trotzdem lieben sich alle. Es geht um völlig verrückte und doch liebevolle Familien, bei denen am Ende doch alles gut ausgeht. «Nobody Wants This» ist in der Sprache des Internets: wholesome.
Also alles geglückt? Na ja. Auch die beiden Protagonisten können nicht darüber hinwegtäuschen, dass für ein paar (unnötige) Handlungsstränge nicht besonders tief in die Beziehung zwischen Joanne und Noah eingestiegen wird.
Und man fragt sich die ganze Zeit: Ist dieser Noah wirklich so durch und durch gut? «Mein Ehemann ist jemand, bei dem man sich nicht schlecht fühlen kann», sagt Foster im «Guardian». Glückwunsch. In der Serie könnte die Tatsache, dass es so einfach doch nicht sein kann, der Plot einer potenziellen zweiten Staffel sein. Bis dahin ist «Nobody Wants This» ein gelungener Rom-Com-Snack des Herbstes: kurz, kitschig und lustig.
«Nobody Wants This», zehn Folgen, auf Netflix.
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