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Bodenschätze im Billionenwert
China spekuliert auf die Ausbeutung der afghanischen Rohstoffe

Arbeiter in einer Kohlenmine 100 Kilometer östlich der afghanischen Stadt Herat.
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Mit dem Post-Service DHL Express lassen sich 220 Länder beschicken – eigentlich auch Afghanistan. Der Logistikkonzern unterhielt eine Niederlassung in dem Land. Doch jetzt ist die ohnehin herausfordernde Arbeit beendet. Der Service ist «derzeit eingestellt», heisst es auf der Website.

Damit ist eine der ohnehin wenigen handfesten wirtschaftlichen Verbindungen zwischen Europa und Afghanistan gekappt. Denn so sehr das Land im Fokus stand und steht – so wenig hat es sich in den vergangenen zwanzig Jahren als Ziel für privatwirtschaftliche Investitionen oder als Absatzmarkt etablieren können.

Unter den wenigen Gütern, die trotz Sanktionskontrollen aus der Schweiz nach Afghanistan ausgeführt wurden, befanden sich Medikamente, Maschinen, Apparate und Autoteile. Das alles aber in sehr bescheidenem Umfang.

Zurück kam noch weniger. Der Ackerbau wird immer noch vom illegalen Anbau des Heroin-Grundstoffes Opium dominiert, und die Fabriken und Werkstätten im Land sind zu rudimentär, als dass sie relevant wären für europäische Abnehmer.

«Es gibt ein atemberaubendes Potenzial hier.»

David Petraeus, ehemaliger US-Oberbefehlshaber in Afghanistan

Dabei sitzt das Land eigentlich auf einem riesigen Schatz: Lithium und Kupfer, Aluminium und Gold, Kohle und Kobalt und noch viel mehr Rohstoffe im Wert von insgesamt etwa einer Billion US-Dollar liegen in der afghanischen Erde, schätzen US-Geologen, die umfangreiche Explorationen angestellt haben.

«Es gibt ein atemberaubendes Potenzial hier», so wurde vor einem Jahrzehnt der damalige US-Oberbefehlshaber David Petraeus zitiert. Die US-Armee soll intern sogar davon gesprochen haben, dass Afghanistan das «Saudi-Arabien des Lithiums» sei, in Anlehnung daran, dass in Saudi-Arabien das Öl sprudelt und Quell des Wohlstands ist.

Lithium ist eines der wichtigsten und nachgefragtesten Materialen für die Elektromobilität und Batteriezellen. In einer Werbebroschüre des afghanischen Öl- und Bergbauministeriums aus dem Jahr 2019 hat der mittlerweile geflohene Präsident Ashraf Ghani wohl treffend erklärt: Der Bergbau sei die grösste Chance, um Wirtschaftswachstum für das Land zu generieren.

Viele kritische Rohstoffe für die Energiewende

Beim Lithium, das für die Europäische Union nicht zuletzt wegen der grossen Bedeutung für die Batterieproduktion und die Energiewende seit dem vergangenen Jahr als «kritischer» Rohstoff gilt, schätzt die Internationale Energieagentur, dass sich der weltweite Bedarf bis 2040 vervierzigfachen könnte. Afghanistan sitze hier auf einem «immensen Vorrat, der bislang noch nicht ausgebeutet wurde», sagt Rohstoffexperte Guillaume Pitron, Autor eines Buchs über die Schattenseiten des «Kriegs» um Bodenschätze.

Seltene Erden wie Neodym, Praseodym oder Dysprosium, die unter anderem für Magnete in Windkraftanlagen oder für Elektroautos wichtig sind, kommen ebenfalls in Afghanistan vor. Afghanische Rohstoffvorkommen gibt es nach Angaben der US-Geologiebehörde auch beim Aluminiumerz Bauxit und bei Eisenerz.

China sichert sich Kupfermine für drei Milliarden Dollar

Viele der Bodenschätze schlummern allerdings noch unter der Erde. Bekannt ist Afghanistan bislang vor allem für seine Edelsteine, darunter Smaragde und Rubine, sowie für Lapislazuli, Turmaline und auch Marmor. Dabei gibt es nach Angaben der US-Geologiebehörde auch einen illegalen Handel mit dem Nachbarland Pakistan.

Nach der Machtübernahme der radikalislamischen Taliban stellt sich nun die Frage, wer künftig Zugriff auf die Bodenschätze hat. Die prekäre Sicherheitslage hat eine Ausbeutung der übrigen Rohstoffe bisher kaum zugelassen – wobei sich das absurderweise gerade durch den Abzug der westlichen Truppen ändern könnte.

Die Bemühungen etwa von Russland, der Türkei und vor allem von China um Gespräche mit den Taliban dieser Tage dürften nicht nur mit Sicherheitsinteressen zu tun haben, sondern auch mit den Aussichten auf diese reichen Bodenschätze.

So hatte die gestürzte afghanische Regierung bereits vor längerer Zeit die Ausbeutungsrechte einer grossen Kupfermine südöstlich von Kabul an einen chinesischen Staatskonzern verkauft: für drei Milliarden US-Dollar. Doch von dem Vertrag haben die Menschen bislang nichts. Die Förderung hat noch gar nicht recht begonnen, denn auch den Chinesen war die Lage bislang zu unsicher.

Nach der Machtübernahme der Taliban könnte nun insbesondere China seinen Zugriff auf die Rohstoffvorkommen in Afghanistan ausweiten. Die hinter den USA zweitgrösste Volkswirtschaft, die insbesondere bei den seltenen Erden bereits die weltweite Produktion dominiert, lotet dabei nach Angaben von Guillaume Pitron den Zugang zu besonders vielversprechenden Bodenschätzen auch mit verschiedenen Taliban-Gruppierungen aus. Dabei mache Peking Geschäftsverträge «nicht von demokratischen Prinzipien abhängig», erklärt er.

Ob Afghanistan aber tatsächlich zum neuen Eldorado für den in Zeiten des Klimawandels wachsenden internationalen Bedarf an bestimmten Rohstoffen wird, ist nach Experteneinschätzung noch ungewiss. Dafür sei ein «sehr stabiles politisches Klima» im Land nötig, betont Pitron.
Ausserdem dauert die Erschliessung von Rohstoffvorkommen von der Entdeckung bis zur Ausbeutung teils Jahrzehnte und ist mit enormen Investitionen verbunden. Wenn es nun aber in Afghanistan keine politische Stabilität oder sichere Rechtslage gebe, werde kein Unternehmen dort investieren wollen, sagt Pitron. Investoren könnten sich dann eher für Vorkommen an anderen Orten interessieren, die vielleicht «ein wenig teurer, aber dafür stabiler» seien.

Die Bevölkerung leidet unter extremer Armut

In der Gegenwart ist Afghanistan eines der ärmsten Länder der Welt. Den offiziellen Zahlen nach war bereits vor der Covid-Krise einer von vier Erwerbsfähigen arbeitslos. Eines von zehn Neugeborenen stirbt, das ist die höchste Sterblichkeit in der Welt. Die Lebenserwartung der etwa 38 Millionen Menschen liegt bei durchschnittlich 53 Jahren, nirgendwo in der Welt ist sie geringer.

In den vergangenen zwanzig Jahren hing Afghanistan am Tropf der internationalen Gemeinschaft, was das Bruttoinlandprodukt von etwa 20 Milliarden Euro verfälschen dürfte. Angesichts der Machtübernahme durch die Taliban haben mehrere Länder allerdings gerade einen Stopp aller Hilfe verkündet.

Mit Material der Agentur AFP