Kommentar zum NahostkonfliktChina – der nächste Weltpolizist?
Nachdem die Volksrepublik zwischen Iran und Saudiarabien vermittelt hat, strebt sie nun nach Höherem: einer Einigung zwischen Israel und den Palästinensern.

China als Friedensstifter im Nahen Osten, als Vermittler zwischen Israelis und Palästinensern? Vor wenigen Monaten hätte diese Meldung noch Lacher, zumindest aber Erstaunen hervorgerufen. Denn China hat sich bisher darauf konzentriert, seinen Einfluss in anderen Regionen über ökonomische Beziehungen auf- und auszubauen. Damit wurden finanzielle Abhängigkeiten geschaffen, die natürlich auch politische Auswirkungen hatten.
Doch Peking hat sich in den vergangenen Monaten als politischer Akteur auf der Weltbühne nicht nur positioniert, sondern mit einem Überraschungscoup bereits profilieren können. Den chinesischen Verhandlern ist es tatsächlich gelungen, dass sich die langjährigen Erzrivalen Saudiarabien und Iran wieder versöhnt haben. Das war eine Überraschung, denn vor der Verkündigung dieser Verständigung wurde nicht einmal bekannt, dass überhaupt verhandelt wurde.
Diese positive Nachricht hat weitreichende Auswirkungen auf die gesamte Region. Denn die Rivalität der beiden Staaten befeuerte seit Jahren Stellvertreterkriege – im Jemen, in Syrien, Bahrain, im Libanon. Eine der Folgen dieser unter Pekings Patronage geschlossenen Vereinbarung ist, dass seit Anfang April die Rivalen in dem seit fast zehn Jahren tobenden Bürgerkrieg über einen Waffenstillstand verhandeln.
Beflügelt durch diesen Erfolg, bietet sich China diese Woche nun öffentlich als aktiver Vermittler an in einem Konflikt, der wie kein anderer als unlösbar gilt: im seit Jahrzehnten tobenden Kampf um jenes Stück Land, auf das Juden und Palästinenser gleichermassen Anspruch erheben. In den vergangenen Jahren erschien auch deshalb eine Lösung immer unwahrscheinlicher, weil sich die Vermittler zurückzogen. Die Europäer beschränken sich so darauf, mantraartig die Zweistaatenlösung einzufordern, ohne sich dafür zu engagieren.
Die USA haben das Feld geräumt, auf das nun die chinesische Führung vorrückt.
Von den Israelis ernst genommen werden ohnehin nur die Amerikaner. US-Präsident Joe Biden hat jedoch entschieden, sich aus der Region möglichst herauszuhalten. Zum einen zieht er damit eine Lehre aus der Zeit der Ära von Barack Obama, dessen Aussenminister John Kerry hier trotz vielfältiger Bemühungen nichts zustande brachte. Ein weiterer Grund ist das schlechte Verhältnis zwischen Biden und dem israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanyahu, der seit Jahresbeginn eine Regierung leitet, die aus ideologischen Gründen ein, wie er es nennt, «Gross-Israel» verwirklichen will.
Die US-Regierung beschränkt sich auf Kritik am Siedlungsbau und an der Justizreform. Dabei hätten die USA einen Hebel, Israel unter Druck zu setzen: indem die Militärhilfe – immerhin drei Milliarden Dollar pro Jahr – gekürzt wird. Aber davor schreckt Biden bislang zurück.
Während die Handelsinvestitionen der Vereinigten Staaten in der Region seit dem Jahr 2019 von 120 auf 80 Milliarden Dollar zurückgingen, stiegen jene Chinas von 180 auf 259 Milliarden Dollar. Die USA haben das Feld geräumt, auf das nun die chinesische Führung vorrückt. Ist tatsächlich ein Frieden zwischen Israelis und Palästinensern möglich? Der Einstieg Pekings bringt zumindest Bewegung in den festgefahrenen Konflikt. Und China macht den USA die Rolle als Weltpolizist streitig, der Nahe Osten ist nur das erste Betätigungsfeld.
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