Überraschender Abgang bei der BundesbankEr warnte Draghi unablässig – jetzt tritt Weidmann ab
«Persönliche Gründe» bringt Jens Weidmann vor für seinen Rücktritt. Und er richtet warnende Worte an die EZB.
Jens Weidmann legt sein Amt als Chef der Deutschen Bundesbank nieder. Er habe Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier gebeten, ihn zum 31. Dezember 2021 aus dem Amt zu entlassen, teilte die Bundesbank mit. Das Haus verlasse er aus persönlichen Gründen. «Ich bin zur Überzeugung gelangt, dass mehr als zehn Jahre ein gutes Zeitmass sind, um ein neues Kapitel aufzuschlagen – für die Bundesbank, aber auch für mich persönlich», schreibt Weidmann in einem Brief an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der deutschen Zentralbank. Er hatte deren Leitung im Mai 2011 übernommen.
Der 53-Jährige ist studierter Volkswirt und hat über «Geldpolitik und europäische Währungsintegration» promoviert. Anfang 2006 machte Bundeskanzlerin Angela Merkel Weidmann zum Leiter der Wirtschafts- und Finanzabteilung im Kanzleramt. Er war damals 37 Jahre alt und ausserhalb von Expertenkreisen relativ unbekannt. Als Nachfolger von Axel Weber rückte er 2011 dann an die Spitze der Bundesbank.
Schreiben an die Belegschaft
Als deren Präsident sass er auch im Rat der Europäischen Zentralbank (EZB). Dort trat er als einer der schärfsten Kritiker der seiner Auffassung nach zu grosszügigen Geldpolitik der EZB in Erscheinung und avancierte dabei oftmals zum Gegenspieler des damaligen EZB-Präsidenten Mario Draghi. Die Kritik an dessen Kurs brachte Weidmann einigen Ärger ein und machte wohl auch seine Hoffnungen auf das Amt des EZB-Chefs zunichte. Im Süden Europas hatte der Deutsche kaum Fürsprecher und musste der Französin Christine Lagarde den Vortritt lassen.
Das Umfeld, in dem die Bank operiere, habe sich sehr geändert, schrieb Weidmann nun an die Belegschaft. «Die Finanzkrise, die Staatsschuldenkrise und zuletzt die Pandemie haben in Politik und Geldpolitik zu Entscheidungen geführt, die lange nachwirken werden.» Ihm sei es dabei wichtig gewesen, «dass die klare, stabilitätsorientierte Stimme der Bundesbank deutlich hörbar bleibt». So habe sich die Bundesbank in die Diskussionen über die richtigen Lehren aus der Krise und um den Ordnungsrahmen der Währungsunion einbringen können.
Drohende Inflation
Weidmann mahnte zugleich an, dass die EZB nun «perspektivische Inflationsgefahren nicht aus dem Blick» verlieren dürfe. Dazu müsse die Geldpolitik auf ihr enges Mandat achten und dürfe nicht «ins Schlepptau der Fiskalpolitik oder der Finanzmärkte» geraten. «Dies bleibt meine feste persönliche Überzeugung genauso wie die hohe Bedeutung der Unabhängigkeit der Geldpolitik.»
Die Bundesbank geht derzeit von einer länger anhaltenden Inflation aus und warnte in ihrem jüngsten Monatsbericht, dass auch der Klimawandel die Preisstabilität im Euro-System gefährde. Die Realwirtschaft und auch die Inflation würden als Folge von Extremwetterereignissen in Zukunft schwankungsanfälliger. Zugleich machte Weidmann aber klar, die EZB solle keine eigene Klimapolitik betreiben: «Es steht uns nicht zu, Ergebnisse der demokratischen Willensbildung von Parlamenten und Regierungen zu korrigieren oder vorwegzunehmen», sagte er jüngst. Der EZB-Rat hatte im Juli beschlossen, Klimaschutzaspekte stärker in seinen Handlungsrahmen einfliessen zu lassen.
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