Volksinitiative startet am DienstagLKW-Chauffeure fordern mehr Lohn und bessere Arbeitsbedingungen
Nach dem Vorbild der Pflegeinitiative verlangen die Lastwagenfahrer, dass ihnen der Bund unter die Arme greift.
Die Lastwagenfahrerinnen und -fahrer sind unzufrieden über zu viel Stress, lange Arbeitszeiten und Billigkonkurrenz aus dem Ausland. Jetzt soll es eine im Dezember angekündigte Volksinitiative richten: Der Berufsverband der Lastwagen-Fahrerinnen und -Fahrer startet morgen Dienstag mit der Unterschriftensammlung für eine eidgenössische Volksinitiative.
Laut David Piras, Generalsekretär von Les Routiers Suisses, sehen sich die Chauffeure dazu gezwungen, weil bisher alle Verhandlungen mit dem Schweizerischen Nutzfahrzeugverband Astag scheiterten, einen Gesamtarbeitsvertrag zu erarbeiten. Es gibt zwischen den beiden Verbänden nur eine Branchenvereinbarung, die Routiers Suisses aber zu wenig weit geht.
«Ziel der Initiative ist die Sicherstellung und Versorgung der Schweizer Bevölkerung und Wirtschaft», sagt Piras. Schweizer Chauffeure sollen wieder in der Schweiz und im nahen Grenzland leben: «Wir wollen, dass wir unseren Nachwuchs wieder in der Schweiz rekrutieren können». Zurzeit fehlen knapp 700 LKW-Fahrer in der Schweiz.
Viele Fahrer gehen in Pension, während gleichzeitig der Nachwuchs fehlt. Laut Astag hören jährlich rund 5000 der 100’000 Lastwagen- und Carchauffeure altersbedingt auf oder wechseln in einen anderen Beruf, während lediglich 2000 bis 2500 neue hinzukommen, davon nur 250 Lehrabsolventen. «Müssten pensionierte Chauffeure ersetzt werden, wäre wir eher bei 2000 bis 3000 Chauffeuren», schätzt Piras.
Es gehe nicht an, das Problem der stetig wachsenden Personallücke mit Fahrern aus dem Ausland zu stopfen, mit sogenannte «Grenzgängern», die für wenig Geld aus Osteuropa geholt werden. Diese verdienten 3000 bis 3500 Franken pro Monat, während ein Schweizer im Schnitt 5500 Franken Lohn habe: «Das führt zu einer Zweiklassengesellschaft in der Transportbranche, die langfristig schädlich ist.»
Die Pandemie und der Ukrainekrieg haben laut Piras gezeigt, wohin diese Abhängigkeit von ausländischen Fahrerinnen und Fahrern führt. Weil sie in den Heimatländern blieben, verschärfte sich in der Schweiz der ohnehin bestehende Mangel an Chauffeuren zusätzlich. Als Folge mussten die Einheimischen umso mehr Überstunden machen: «Die Arbeits- und Ruhezeitenverordnung musste teilweise sogar ausser Kraft gesetzt werden», sagt Piras.
Bund soll «für angemessene Arbeitsbedingungen» sorgen
Konkret fordern die Initianten im Initiativtext, der Tamedia vorliegt, dass der Bundesrat mittels Verordnung einen verbindlichen Mindestlohn festlegt und für «angemessene Arbeitsbedingungen für Chauffeurinnen und Chauffeure» sorgt. Die Arbeitsbedingungen und die Entlöhnung von Chauffeurinnen und Chauffeuren müssten vergleichbar mit jenen in anderen handwerklichen Berufen sein.
Ausserdem fordern die Lastwagenchauffeure, dass der Bund «zur Sicherstellung der Versorgung der Bevölkerung und der Wirtschaft mit Logistikdienstleistungen» für eine genügende Anzahl angemessen ausgebildeter Chauffeurinnen und Chauffeure sorgt.
In der Verfassung verankert werden soll, dass Chauffeure, die innerhalb der Schweiz Waren transportieren, auch in der Schweiz oder im grenznahen Ausland leben müssen. Transporte innerhalb der Schweiz mit Fahrzeugen, die im Ausland immatrikuliert sind, sollen verboten werden. Anbieter, die dagegen verstossen, sollen von den Bundesbehörden verfolgt werden.
Erfolgreiche Pflegeinitiative gab den Anstoss
Routiers Suisses will die nötigen 100’000 Unterschriften aus eigener Kraft zusammenbringen. Man setze auf die Kraft der 16’000 Mitglieder aus den eigenen Reihen, sagt Piras.
Als Vorbild für die Chauffeure dient die Pflegeinitiative, die am 28. November vom Stimmvolk deutlich angenommen worden ist. «Wir sehen uns in einer ähnlichen Situation, wie es die Pflegenden vor fünf Jahren waren», sagt David Piras.
Er bestätigt auch, dass der Erfolg der Pflegeinitiative die Routiers Suisses ermuntert hat, eine eigene Volksinitiative zu starten. Die Logistikbranche sei wie der Pflegebereich von hohem allgemeinen Interesse – und die Lastwagenfahrerinnen und -fahrer damit ebenfalls systemrelevant.
«Die Löhne im Strassentransportgewerbe sind fair, zusätzliche Regulierungsmassnahmen sind überflüssig bzw. sogar kontraproduktiv.»
Keine Freude an der Initiative hat die Astag. Die seit 2006 bestehende Sozialpartnerschaft im Schweizer Strassentransportgewerbe mit einer national gültigen Landesvereinbarung und ergänzenden Bestimmungen bzw. Lohnregulativen auf kantonaler Ebene habe sich bestens bewährt, sagt Vizedirektor André Kirchhofer: «Die Astag steht der «Chauffeurinitiative» von Les Routiers Suisses deshalb sehr skeptisch gegenüber. Die Löhne im Strassentransportgewerbe sind fair, zusätzliche Regulierungsmassnahmen – erst recht auf Stufe Bundesverfassung – sind überflüssig bzw. sogar kontraproduktiv.»
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