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Kantonsrat stoppt Förderprogramm
Ex-Secondas-Chefin Garcia stimmt gegen Migrantinnen

BILD: RETO OESCHGER, ZÜRICH, 11.04.12,
RESSORT: BB
Projekt " ChagALL "
Jugendliche mit Migrations-Hintergrund auf dem Weg ins Gymnasium
Samira und Kevin
Gymnasium Unterstrass, Seminarstrasse 29
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Der Kantonsrat stimmte am Montag dagegen, das sehr erfolgreiche Förderprogramm Chagall generell einzuführen. Es wird seit über zehn Jahren vom Gymnasium Unterstrass angeboten und richtet sich an Kinder aus bildungsfernen Migrantenfamilien, die ein grosses intellektuelles Potenzial haben.

Der Entscheid fiel mit 87:86 Stimmen. Den Ausschlag gab ausgerechnet Isabel Garcia, die ehemalige Präsidentin des Vereins Secondas Zürich. Sie war kurz nach den letzten Wahlen von der GLP zur FDP übergetreten und hat nun am Montag mit den Freisinnigen Nein gestimmt. Ihre ehemalige Partei, die GLP, stimmte Ja.

70 Prozent machen Matur

Am Programm Chagall haben unterdessen über 200 Jugendliche teilgenommen. Sie wurden auf Empfehlung ihrer Lehrpersonen in der Volksschule und nach persönlichen Motivationsschreiben und Gesprächen ins Programm aufgenommen und auf Aufnahmeprüfungen fürs Gymnasium oder für eine Berufsmittelschule vorbereitet. Die Jugendlichen müssen sich dabei zu zusätzlichen Schulbesuchen in der Freizeit verpflichten, und zwar auch dann, wenn sie bereits in ein Gymi eingetreten sind.

Eine Evaluation des Programms hatte ergeben, dass die Chagall-Jugendlichen nicht nur besonders intelligent und motiviert sind, sondern an den Aufnahmeprüfungen auch überdurchschnittlich erfolgreich. Von den 155 Jugendlichen, die in den ersten sechs Jahren am Programm teilnahmen, haben am Ende 70 Prozent eine Mittelschule abgeschlossen.

Im Jahr 2020, nach dieser Evaluation, haben Kantonsräte von SP, Grünen und GLP den Regierungsrat mit einer Motion aufgefordert, Programme einzurichten, die sich an Chagall orientieren.

Der Regierungsrat war der Meinung, es gebe genügend Förderprogramme. In der Antwort auf den Vorstoss listete er insgesamt 24 Programme auf, mit denen die Chancengerechtigkeit für Kinder und Jugendliche verbessert wird.

Er beantragte dem Rat deshalb am Montag, die Motion als «erledigt» abzuschreiben. Obwohl die Vielfalt der Programme beeindruckend ist, war ein Grossteil des  Kantonsrates damit nicht zufrieden. Es blieb ihm zwar nichts anderes übrig, als den Vorstoss abzuschreiben, er verlangte aber in einer abweichenden Stellungnahme von Bildungsdirektorin Silvia Steiner, eine gesetzliche Grundlage zu schaffen, damit ein Programm wie Chagall generell eingeführt werden könnte. Diese abweichende Stellungnahme hat der Rat nun mit dem knappsten der möglichen Resultate verhindert.

Mitte sieht den sozialen Frieden gefährdet

SP-Sprecherin Monika Wicki kritisierte Bildungsdirektorin Silvia Steiner für ihre Untätigkeit. Die Motion sei vor vier Jahren eingereicht worden, und nun bleibe davon nichts übrig. Das Programm Chagall ist laut Wicki finanziell nur noch zwei Jahre gesichert, weil der Kanton das Programm noch so lange mit Mitteln aus der ZKB-Jubiläumsdividende unterstützt. Dann sei es akut gefährdet.

Auch GLP, EVP, Grüne und AL bedauerten, dass damit ein erfolgreiches und funktionierendes Programm keine weitere kantonale Unterstützung bekommen soll.

Die bürgerliche Seite verwies zusammen mit Steiner auf die 24 Projekte, welche der Kanton anbietet und unterstützt. «Es ist naiv, zu glauben, dass wir Chancengerechtigkeit haben, wenn wir noch ein 25. Programm hinzufügen», sagte etwa Marc Bourgeois von der FDP.

Kathrin Wydler (Mitte) sah sogar den sozialen Frieden gefährdet, wenn Chagall im Kanton Zürich generalisiert werde. Als Grund führte sie an, Schweizer Jugendliche würden beim Programm ausgeschlossen. Isabel Garcia meldete sich nicht zu Wort.

Steiner lobte Chagall als ein gutes Projekt: «Darum haben wir es auch finanziell unterstützt.» Es sei allerdings unrealistisch, dieses Projekt auf alle auszudehnen, weil es äusserst aufwendig sei. Um 25 Jugendliche bei Chagall zu fördern, sind laut Steiner jährlich 300’000 Franken nötig. «Wir haben im Kanton Zürich gesamthaft 160’000 Kinder und Jugendliche in der Volksschule», sagte Steiner.

Ganz beerdigt ist das Thema noch nicht. Auf der Traktandenliste ist noch ein weiterer Vorstoss hängig, der eine Gesetzesänderung verlangt, damit Chagall generalisiert werden könnte.

Knappes Nein auch zu mehr frühkindlicher Förderung

Ebenfalls mit 87:86 Stimmen lehnte der Kantonsrat eine «abweichende Stellungnahme» zu einem Vorstoss ab, der mehr kantonale frühkindliche Förderung verlangt hatte. Damit wurde der Vorstoss «als erledigt abgeschrieben», wie es der Regierungsrat beantragt hatte. Auch hier hatte er auf die bereits bestehenden Angebote verwiesen und auf eine laufende Revision im Kinder- und Jugendhilfegesetz, mit der weitere Massnahmen möglich würden.