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Interview mit SP-Präsident
«Bundesrätin Baume-Schneider treibt ihre Kritiker zur Weissglut»

*Nach dem erneuten Sieg* Und jetzt: Wie weiter in der Steuerpolitik, Herr Abstimmungssieger? SP-Chef Cedric Wermuth im Interview zur grossen Schlacht zwischen Links und Rechts. © Adrian Moser / Tamedia AG
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Die Wahlen sind vorbei, aber von Entspannung ist nichts zu spüren. Im Gegenteil. Auch Sie sind verärgert. Weshalb?

Der migrationspopulistische Kurs der FDP macht mir Sorgen. Die Partei bietet quasi als Reaktion auf den Wahlsonntag an, das SVP-Programm umzusetzen. Und jetzt macht auch noch die GLP mit, mit der man bisher vernünftig die echten Probleme angehen konnte.

Sprechen Sie die Kritik von GLP-Präsident Jürg Grossen an?

Die Aussagen von Jürg Grossen sind gleich in mehrfacher Hinsicht befremdend. Er fordert SP-Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider tatsächlich zur Symbolpolitik auf. Sie solle so tun, als ob sie etwas machen würde, um das «Narrativ» zu korrigieren, wie Grossen sagt. Weltweit eskalieren die Kriege, über 100 Millionen Menschen sind auf der Flucht. Da ist der Aufruf zu Symbolpolitik zynisch und unangebracht. Die GLP sollte eigentlich wissen, dass es für diese Probleme eine europäische Antwort braucht.

Ausserdem fordert Grossen von Baume Schneider, mehr Personal für den Grenzschutz abzustellen. Erstens ist das im Tessin bereits gemacht worden, und zweitens ist FDP-Bundesrätin Karin Keller-Sutter dafür zuständig. Solche unsachlichen, populistischen Rundumschläge sind doch sehr fragwürdig.

Grossen hat Ihre Bundesrätin auch persönlich beleidigt.

Das war ein Fehler, aber er hat sich dafür entschuldigt, das ist für uns erledigt. Der aktuelle Kurs seit dem Wahlsonntag dagegen macht uns Sorgen. Die GLP war nie eine linke Partei. Aber bisher konnte man darauf vertrauen, dass sie vernünftig und auf Grundlage von Fakten agiert. Jetzt tönt es schon stark danach, als würde sie sich rechts anbiedern wollen. Ich hoffe, dieser Kurs setzt sich nicht durch.

Die SP will in den Zürcher Ständeratswahlen GLP-Kandidatin Tiana Moser unterstützen. Gefährdet der Streit ihre Wahl?

Die Kantonalpartei Zürich hat sich einstimmig für Moser ausgesprochen – frei von Emotionen und im Sinne der Sache. Wir unterstützen den Entscheid.

«Regieren bedeutet auch, Fehler zu machen.»

Bundesrätin Baume-Schneider wird scharf angegriffen. Ist sie die Richtige für das Amt?

Davon bin ich überzeugt. Wenn sie als sozialdemokratische Asylministerin nicht kritisiert würde, hiesse das, dass sie keine soziale Politik macht. Elisabeth Baume-Schneider bleibt trotz einiger Angriffe unter der Gürtellinie gelassen und versucht, die konkreten Probleme zu lösen. Im Gegensatz zu anderen – auch im Ausland – verfällt sie nicht in einen populistischen Aktivismus.

Die politische Konkurrenz scheint aber ein leichtes Spiel zu haben. Müsste Baume-Schneider nicht strategisch geschickter vorgehen und mehr Klartext reden?

Sie treibt ihre Kritiker zur Weissglut – gerade weil sie sich nicht provozieren lässt und sachlich bleibt.

Macht sie also gar nichts falsch?

Doch, natürlich. Regieren bedeutet auch, Fehler zu machen. Man kann darüber diskutieren, ob es mit mehr Unterbringungsplätzen für Asylsuchende früher geklappt hätte, wenn sie das Geschäft mit den Asylcontainern anders aufgegleist hätte.

Was hat Ihre Bundesrätin bisher konkret erreicht?

Sie macht Schritte in Richtung einer menschlicheren Asylpolitik. So verteidigt sie etwa aus Überzeugung den Verwaltungsentscheid, afghanischen Frauen Schutz zu bieten, wie es andere europäische Länder auch tun. Die Rechte hat im Parlament bewusst Lösungen für die Unterbringung von geflüchteten Menschen abgelehnt, um daraus politisches Kapital zu schlagen. Jetzt hat Elisabeth Baume-Schneider aber zusammen mit den Kantonen und der Armee schnell einen Plan B auf den Weg gebracht.

«Mieten und Krankenkassenprämien steigen, Löhne und Renten stagnieren, und das Parlament tut nichts.»

Die SVP hat am stärksten zugelegt. Nun scheinen sich die bürgerlichen Parteien nach rechts zu orientieren. Sie hingegen überlassen das Feld komplett der SVP.

Wir überlassen niemandem das Feld, wenn wir an einer menschlichen Politik festhalten – und nicht Ausländerinnen und Ausländer für sämtliche Probleme verantwortlich machen. Es stimmt: Mieten und Krankenkassenprämien steigen, Löhne und Renten stagnieren, und das Parlament tut nichts. Weil das Parlament von den Wirtschaftslobbys unterwandert ist, nicht wegen der Migrantinnen und Migranten. Ich finde es feige und billig, auf jene loszugehen, die sich an der Urne nicht wehren können. Die SVP betreibt reine Sündenbockpolitik.

Zuwanderung und Migration beschäftigen die Bevölkerung aber tatsächlich. Nimmt die SP das ernst?

Natürlich. Ernst nehmen bedeutet nicht, eine rechtspopulistische Migrationspolitik zu übernehmen. Die Schweiz war in den letzten Jahren gerade deshalb erfolgreich, weil sie das nicht getan hat. Vor 15 Jahren gab es das SVP-Plakat «Kosovaren schlitzen Schweizer auf». Heute sind wir alle stolz darauf, dass es mit der Integration geklappt hat. Natürlich gibt es Probleme, zum Beispiel mit den Konflikten in der eritreischen Diaspora. Die Frage ist aber, was zur Lösung beiträgt. Da macht die SVP jeweils nicht mit.

Die Bundesratswahlen rücken näher. Tritt die SP mit einem Zweierticket an? Soll eine Frau aufs Ticket?

Das wird die Fraktion am 25. November entscheiden, dazu äussere ich mich nicht.

Nach der Bundesratswahl wird es um die Departementsverteilung gehen. Will die SP das Innendepartement EDI behalten?

Für uns sind verschiedene Departemente interessant. Ein EDI in bürgerlicher Hand wäre für die Bevölkerung fatal, etwa für die AHV. Auch für Fortschritte in der Gleichstellung ist das EDI zentral. Aber die Verteilung ist Sache des Bundesrats.

Könnten Sie auch mit dem Aussendepartement EDA leben?

Ja, durchaus. Die Europapolitik wird eine der grossen Herausforderungen in dieser Legislatur. Wir würden diese Verantwortung gern übernehmen.