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Englands prominentester Covid-19-Patient
Captain Tom und das kranke Gesundheitswesen

Im Sommer von Queen Elizabeth zum Ritter geschlagen: Sir Tom Moore.
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Nicht jeder Hundertjährige in England, der in ein Spital eingeliefert wird, schafft es auf die Frontseiten der britischen Presse. «Captain Tom» aber – Sir Tom Moore mit vollem Titel und Namen – kann sich allgemeiner Anteilnahme sicher sein.

«Captain Tom» steht immerhin im Ruf eines regelrechten Helden der Nation. Diesen Ruf verdiente sich der Weltkriegsveteran aus Yorkshire, als er im vorigen April während der ersten Corona-Welle eine originelle Spendenaktion zugunsten des damals schon überstrapazierten Nationalen Gesundheitsdienstes, des NHS, startete.

Moore gelobte, mit seiner Gehhilfe bis zu seinem 100. Geburtstag am 30. April in seinem Garten hundert Runden von 25 Meter Länge zu drehen. Umgerechnet rund 1220 Franken an Spendengeldern hoffte er, seinen Landsleuten mit dieser Leistung zu entlocken. Am Ende kamen fast 48 Millionen Franken zusammen. «Captain Tom» wurde zur Symbolfigur humanitärer Hilfs- und Wehrbereitschaft im Land. Er wurde im Sommer von der Königin zum Ritter geschlagen, erhielt den Ehrentitel eines Obersten der britischen Streitkräfte und füllte alle Wochenendmagazine mit seiner Story. Seine Zuversicht, dass «die Sonne wieder scheinen, die Wolken sich wieder verziehen werden», war genau, was die Nation brauchte zu jener Zeit.

«Come on, Captain Tom!»

Zu Beginn dieser Woche aber musste sich der alte Herr in eine örtliche Klinik einweisen lassen, weil ihm das Atmen schwerfiel – und nachdem ein Corona-Test positiv ausgefallen war. Zuvor sei er schon eine ganze Weile wegen einer Lungenentzündung behandelt worden, erklärte seine Tochter. Deswegen konnte er offenbar auch nicht geimpft werden, während gestern bereits über neun Millionen meist ältere Briten eine erste Dosis erhalten hatten – eine beachtliche Zahl.

Ein Chorus guter Wünsche begleitete den Veteranen jedenfalls auf seinem Weg ins Bedford Hospital. Premierminister Boris Johnson wünschte ihm «volle Genesung». Oppositionsführer Sir Keir Starmer dankte ihm für «seine Inspiration». Die Boulevardblätter «Sun» und «Daily Mail» baten ihre Leser auf ihren Titelseiten, «für Tom zu beten». Andere gute Wünsche kamen mit der schulterklopfenden Aufforderung: «Come on, Captain Tom!»

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Eher zögernd warfen Kommentatoren zugleich die Frage auf, ob es denn wirklich notwendig gewesen sei, dass der Hundertjährige Weihnachten auf Barbados, in der Karibik, verbrachte. Dorthin hatte ihn British Airways in die Gratisferien geflogen, um ihn zu feiern. Vor allem aber verlangten Zeitgenossen «Captain Toms» von der Regierung zu wissen, wie viel sich seit der legendären Spendenaktion für den NHS eigentlich geändert habe. Denn von seiner eindrucksvollen Impfaktion abgesehen, steht das Gesundheitswesen im Vereinigten Königreich ziemlich angeschlagen da.

Selbst Krebskranke werden vertröstet

Nach neusten Informationen warten allein England gegenwärtig 4,5 Millionen Menschen auf Termine, die ihnen eigentlich binnen 18 Wochen zuteilwerden sollten. Rund 200’000 warten auf teils dringende Behandlung schon ein ganzes Jahr lang oder mehr. Selbst schwer kranke Krebspatienten werden neuerdings auf ungewisse Zeit vertröstet. Knie- und Hüftoperationen finden schlicht nicht mehr statt. Noch im letzten Herbst hatte der NHS versucht, die seit April komplett zum Erliegen gekommenen «normalen» Behandlungen wieder in Gang zu bekommen. Aber die erneuten Wellen von Corona-Kranken haben seither alle Planung zunichtegemacht. Die Zahl der 35’000 Infizierten, die zurzeit wie «Captain Tom» in Kliniken versorgt werden müssen, beginnt nur sehr langsam zu sinken.

Und selbst nach einem Abklingen der Pandemie werde es «monatelang» dauern, bis man wieder zu einem halbwegs normalen Klinikbetrieb zurückkehren könne, warnte am Montag Chris Hopson, einer der NHS-Generaldirektoren. Nicht zuletzt, weil das NHS-Personal völlig erschöpft sei: Viele Ärzte und Pfleger dächten mittlerweile an eine Frühpensionierung, einen Berufswechsel oder reduzierte Arbeitszeit.