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Die Mitte und ihr Bundesrat
Sie nannten ihn Janus: Wie Martin Pfister aus dem Schatten von Markus Ritter treten will

Martin Pfister, Bundesratskandidat der Mitte, in einem Anzug in Zürich am 5. Februar 2025.
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In Kürze:
  • Martin Pfister will Bundesrat werden und weiss: Er ist gegenüber Markus Ritter im Rückstand.
  • Wo Pfister in seinem bisherigen Leben hinkam, drängte es ihn in die Verantwortung.
  • Pfister analysiert seine ersten Tage als Kandidat und sieht einiges an Optimierungspotenzial.
  • Lange hielt er sich mit Positionen zurück. Nun sagt er, er wolle Kriegsmaterialexporte erleichtern.

Martin Pfisters grösster Nachteil im Bundesratsrennen ist: Er heisst nicht Markus Ritter. Sein grösster Vorteil: Er heisst nicht Markus Ritter.

Doch reicht das, um Bundesrat zu werden? 

Der Zuger Regierungsrat sitzt in seinem Büro und überlegt. «Ich sehe das sicher anders. Aber die kommenden Tage sind dafür da, um diesen Eindruck zu verändern.»

14 Tage sind vergangen, seitdem Pfister seine Kandidatur als Bundesrat bekannt gegeben und sich dem Land vorgestellt hat. Pfister ist solid und gefasst im Auftritt, geprägt von einer schweizerischen Zurückhaltung. Das ist gewöhnlich wohltuend, aber halt auch etwas defensiv, wenn man aufholen muss. Gesprochen wird darum vor allem über den grossen Favoriten Markus Ritter. Davon, wie mächtig er ist und wie viele Leute er kennt. Aber auch, wen er damit abschreckt und wem er auf die Füsse steht. 

Als Pfister am Hearing der Jungen Mitte neben Ritter sass, musste man für einen Moment an einen Klon denken. Da sassen zwei Männer mit Glatze, Brille und gräulichem Anzug, sogar die Krawatte war ziemlich deckungsgleich. 

Markus Ritter und Martin Pfister diskutieren beim Hearing der Bundesratskandidaten im Kongresszentrum Kreuz in Bern.

Dabei müsste Pfister sich spätestens in diesen Tagen von Ritter abheben. Wie will er das machen? «Mit meinen Positionen, mit meiner Erfahrung als Regierungsrat», sagt er. Er macht das bislang mit der Eloquenz eines Mannes, der nichts überstürzen will. Wenn andere sich um Kopf und Kragen reden, weil sie etwas nicht wissen – das kommt vor im Politmilieu –, dann sagt Pfister: «Ich weiss es nicht.» Oder: «Da muss ich den Joker ziehen.» Selten war jemand gelassener und selbstbewusster im Umgang mit seinem Unwissen.

Das ist ehrlich und authentisch, doch eben, reicht das?

Der gönnerhafte Markus Ritter

Vielleicht ist das alles Teil eines grösseren Plans, einer gerissenen Strategie des Oberst a. D. Martin Pfister auf dem Weg ins Verteidigungsdepartement. Der chinesische Philosoph Sun Tzu schrieb ein Standardwerk über Militärstrategie, darin steht auch, wie man mit übermächtigen Gegnern umgehen soll. Den Rivalen kommen lassen und ihn siegessicher machen. Dann: zuschlagen.

Teil 1 wäre schon einmal erfüllt. Markus Ritter will Bundesrat werden, er sagt das nicht, er hausiert damit. Je länger Ritter von seinen Ambitionen spricht, umso deutlicher scheint es, dass er seine Rechnung gemacht hat: Das sollte reichen. Er erzählt sogar gönnerhaft, dass er Pfister Tipps für das Bundesratsrennen gegeben habe. Er bezeichnete Städter als eher arbeitsscheu und die Mitte-Frauen als mässig militäraffin. Längst hat er seine Deckung aufgegeben. 

Also nun: Wie stösst man zu?

Pfister schüttelt den Kopf. «Das mache ich nicht. Ich mache nicht Wahlkampf auf Kosten von Markus Ritter. Ich will, falls ich gewählt werde, weiterhin mit ihm zusammenarbeiten können.»

Karikatur zeigt zwei Männer auf Fahrzeugen, einen auf einem Traktor mit Schild ’Ich bin kein Bauer!’ und einen auf einem E-Scooter in Richtung ’Bundesrat’.

Pfister ist der Besonnene und Verantwortungsbewusste, der fleissige und stille Schaffer, das sagen Bekannte und Wegbegleiter, das zieht sich durch sein Leben. Vielleicht ist das aber auch eine zu einfache Psychologisierung. Er sagt dazu: «Doch, doch, das kann man schon so sehen.» 

Er wuchs als ältester Sohn einer Zuger Familie auf. Er ging in die Pfadi und wurde Leiter. Er ging in die Armee und wurde Offizier. Er ging ans Lehrerseminar und wurde Lehrer. Er ging an die Uni und wurde Doktorand. Wo Pfister hinkommt, drängt es ihn in die Verantwortung. 

Er ging dann auch in die Politik und wurde Kantonsrat, dann kantonaler Parteipräsident, dann Regierungsrat. Er heiratete eine alleinstehende Frau mit zwei Kindern und gründete eine Patchworkfamilie mit zwei weiteren Kindern. Weil er als Familienvater Geld brauchte, brach er die Doktorarbeit über Bundesrat Philipp Etter ab und machte sich selbstständig als Berater. 

Vieles habe sich in seinem Leben einfach ergeben, sagt er, aber ja, er gestalte sehr gern. Darum wolle er nun Bundesrat werden. Auch weil er das Vertrauen in die Institutionen stärken wolle. 

Das klingt etwas verkopft. Pfister sagt, dass er es mit seinem eher introvertierten Naturell etwas schwerer habe, seine Leidenschaft für das Amt zu zeigen. «Aber was ich sagen kann: Ich will das machen. Mit aller Kraft.»

Sie nannten ihn Hecht und Janus

Zwei Randnotizen aus seinem Leben seien hier angefügt. Sein Pfadiname: Hecht. Wegen seines grossen Mauls. Offenbar kann der besonnene Pfister auch aufdrehen. Sein Name in der Studentenverbindung: Janus. Weil er zwei Gesichter hat? Nein, nein, sagt er. Janus sei auch der Gott der Geschichtsschreibung, das passe zu ihm als Historiker. 

Pfister hat seine ersten Tage als Bundesratskandidat analysiert. «Ich sehe viel Optimierungspotenzial.» Zum Beispiel? «Künftig werde ich keinen Joker mehr ziehen.» Er hat das bei der Frage nach Kriegsmaterialexporten gemacht, weil er die adäquate Antwort nicht wusste. Nun sagt er, dass er die Ausfuhr von Kriegsmaterial erleichtern wolle. Die Welt sei eine andere als noch vor drei Jahren. Letztlich gehe es aber auch darum, dass man die eigene Rüstungsindustrie stütze und gegenüber dem Ausland unabhängig bleibe.

Drei Fragen hat sich Pfister vor der Kandidatur gestellt. Habe ich die analytischen Fähigkeiten? Bin ich belastbar? Kann ich mich durchsetzen? 

Alle drei beantwortet er, natürlich, mit Ja. Spätestens die Pandemie habe ihm gezeigt, dass er den Werkzeugkasten für ein solches Amt mitbringe. 

Der Zuger Kantonsarzt Rudolf Hauri und Regierungsrat Martin Pfister im Impfzentrum im Spinnereiareal Baar, 8. Januar 2021.

Er erzählt als Beleg für seine Standfestigkeit, dass er vier Monate vor den Zuger Wahlen eine Klinik von der Zuger Spitalliste gestrichen habe. Eine unpopuläre Entscheidung, will Pfister sagen. Das war in anderen Kantonen tatsächlich auch schon ein Grund für eine Abwahl. «Der Entscheid war richtig, ich habe ihn durchgezogen, auch gegen grossen Widerstand», sagt er. Er brauche vielleicht etwas länger für seine Entscheide, doch er setze diese konsequent durch. «Ich bin einer, der riskiert. Ich bin kein Fehlervermeider.» 

Es ist das erste Mal so etwas wie eine selbstbewusste Ansage. Das muss er nun auch dem Wahlkörper beibringen, den 246 Parlamentarierinnen und Parlamentariern. Er reist in diesen Tagen häufig nach Bern, telefoniert, stellt sich vor. Er geht von Zeitungsredaktion zu Fernsehstation, weil die Politikerinnen und Politiker sich nicht nur von ihm persönlich, sondern auch von den Dingen zwischen den Zeilen beeinflussen lassen. So lautet jedenfalls die Erzählung einer erfolgreichen Bundesratswahl.

Pfister hat in den vergangenen Tagen ein Medientraining gemacht, sich in Dossiers eingelesen, an seiner Leichtigkeit im Auftritt gearbeitet. Die Aufgabe ist gross. Er muss in drei Wochen die 13-jährige nationale Politik- und Bauernverbandskarriere von Markus Ritter aufholen. Damit es irgendwann womöglich doch noch über seinen grössten Vorteil heisst: Martin Pfister.