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Krankenkassen dürfen eingreifen
Vom einen Arzt zum nächsten: Bundesgericht stoppt «Ärztehopping»

Ein Hausarztin hoert ein Patient im Aerzthaus Seebach am 19. August 2019  in Zuerich zu. (KEYSTONE/Gaetan Bally)
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Eine Krankenversicherung darf bei einer Person eine Erstanlaufstelle für die Koordinierung ärztlicher Behandlungen einsetzen, wenn die Versicherte unkoordiniert ärztliche Leistungen in Anspruch nimmt. Dies hat das Bundesgericht entschieden. Die freie Arztwahl und das System der Pflichtleistungen sind mit einem solchen Gatekeeper vereinbar.

Im konkreten Fall nahm eine Versicherte hauptsächlich im psychiatrischen Bereich verschiedene, untereinander nicht koordinierte ärztliche Leistungen in Anspruch. Mit ihrer Krankenkasse hatte sie das Standard-Versicherungsmodell mit freier Arztwahl abgeschlossen, wie aus einem am Montag veröffentlichten Urteil des Bundesgerichts hervorgeht.

Im Zusammenhang mit einem von der versicherten Frau gewünschten Massnahme zur Behandlung von Adipositas liess die Krankenkasse ein Gutachten bei einer Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Neurologie beim medizinischen Abklärungsinstitut Medas erstellen.

Notfälle ausgenommen

Gestützt auf das Gutachten und eine vertrauensärztliche Einschätzung verfügte die Krankenkasse im Februar 2023 eine Anordnung für die künftige Kostenübernahme im Rahmen der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (OKP).

Die Regelung wurde vom Aargauer Versicherungsgericht 2023 so formuliert, dass die Krankenkasse nur noch Kosten für Leistungen übernehmen müsse, die von einer bewilligten Erstanlaufstelle – einem so genannten Gatekeeper – selbst erbracht werden. Auch vom Gatekeeper mittels Überweisung an Dritte veranlasste Behandlungen seien von der Krankenkasse zu tragen. Ausgenommen wurden Notfälle und gynäkologische Vorsorgeuntersuchungen.

Das Bundesgericht hat die dagegen erhobene Beschwerde der Versicherten abgewiesen. Gemäss dem Krankenversicherungsgesetz (KVG) übernimmt die obligatorische Krankenpflegeversicherung die Kosten für Leistungen, die wirksam, zweckmässig und wirtschaftlich sind. Sie werden auch WZW-Kriterien genannt.

Die Versicherungen sind gemäss Bundesgericht verpflichtet zu prüfen, ob diese Voraussetzungen erfüllt sind. Im vorliegenden Fall kam die Krankenkasse zum Schluss, dass die bisherige unkoordinierte Inanspruchnahme von ärztlichen Leistungen durch die Beschwerdeführerin eine unwirksame und unzweckmässige Behandlungsmethodik darstelle.

Freie Arztwahl nicht tangiert

Aus diesem Grund sei ein Behandlungsplan durch eine federführende medizinische Institution als Gatekeeper angezeigt. Dieses Vorgehen ist mit dem Grundsatz der freien Arztwahl und dem System der Pflichtleistungen vereinbar, wie das höchste Schweizer Gericht in seinen Erwägungen schreibt.

Bei den ärztlichen Pflichtleistungen bestehe zwar die gesetzliche Vermutung, dass sie die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme durch die OKP erfüllen würden. Diese Vermutung könne durch den Krankenversicherer jedoch umgestossen werden.

Die freie Arztwahl stehe unter dem Vorbehalt der WZW-Kriterien. Daran ändere nichts, dass es sich im vorliegenden Fall nicht um eine einzelne therapeutische Massnahme handle, sondern um ein gesamtheitliches koordiniertes Vorgehen mittels einer Erstanlaufstelle.

Schliesslich bedeute die verfügte Regelung auch keinen unrechtmässigen Eingriff in die Grundrechte der Beschwerdeführerin. Das Bundesgericht gibt zu bedenken, dass das Vorgehen der Krankenkasse auch den Interessen der Versicherten selber dienen könne, die so vor medizinisch objektiv unnötigen Behandlungen oder Eingriffen geschützt würden. (Urteil 9C_340/2024 vom 4.10.2024)

SDA/sme