Analyse zum VerteilkampfBei der Budgetdebatte ging es zu wie auf einem Basar – mit klaren Gewinnern und Verlierern
Alle Parteien müssten Abstriche machen, hiess es im Vorfeld der Verteildebatte für das Bundesbudget 2025. Von diesem Ziel ist nicht viel übrig geblieben. Es ging im Bundeshaus zu wie auf einem Basar.
Wenn in der Schweizer Politik über Finanzen gestritten wird, ist oft vom Begriff der «Opfersymmetrie» die Rede. Das hehre Prinzip dahinter lässt sich einfach erklären: Alle Parteien müssen bereit sein, auf gewisse Vorteile ihrer Klientel zu verzichten, damit die Rechnung am Ende für alle aufgeht. Kaum ein Wort bemühte Ex-Finanzverwalter Serge Gaillard öfter, als er letzten September die Sparpläne des Bundes vorstellte.
So viel zur Theorie. In der Praxis funktioniert das Prinzip der Opfersymmetrie in der Schweizer Finanzpolitik kaum. Drei Wochen lang haben Parlamentarierinnen und Parlamentarier nun um jeden Franken gestritten wie auf einem Basar. Keine Partei war bereit – selbst bei kleineren Abstrichen für ihre eigene Lobby –, das Feld zu räumen.
So kam es, dass es am Ende klare Verlierer gibt. Und ebenso klare Gewinner.
Entwicklungshilfe wird stark gekürzt
Zuerst zu den Verlierern. Keine starke Lobby hatte die Entwicklungshilfe. Dass sie unterliegen wird, war schon seit rund einem Monat klar. Damals gab die Finanzkommission des Nationalrats bekannt, dass sie die Gelder für die internationale Zusammenarbeit um pauschal 250 Millionen Franken kürzen will. Als der Kommissionspräsident und FDP-Nationalrat Laurent Wehrli am selben Tag an einer Veranstaltung der Helvetas gefragt wurde, was genau der Plan hinter dieser Kürzung sei und aus welchen Ländern sich die Schweiz nun zurückziehen wolle, konnte er die Frage nicht beantworten. Immerhin darf man Wehrli zugutehalten, dass er im Parlament als einziger FDPler auch konsequent gegen die wenig durchdachte Sparübung votierte.
Die angedrohte Sparübung über 250 Millionen Franken war ein Hüftschuss. Die nun definitiv beschlossenen Kürzungen von 110 Millionen Franken sind aber die Folge einer wochenlangen Debatte – und sie haben noch immer drastische Auswirkungen. Bundesrätin Karin Keller-Sutter machte mehrmals klar, dass bei der so kurzfristigen Streichung von Geldern in dieser Höhe der geordnete Rückzug aus Ländern und Projekten nicht möglich sein wird. Die Schweiz – ein reiches Binnenland ohne Rohstoffe, das wie kaum ein anderes Land auf funktionierende Handelswege und gute Beziehungen zum Ausland angewiesen ist – geht ein Risiko ein, wenn es die internationale Zusammenarbeit so schleifen lässt. Auch für ihre Reputation.
Nicht hoch im Kurs sind dieser Tage auch die Bundesangestellten. 70 Millionen Franken will das Parlament im Personalbereich sparen. Unter anderem werden die für den Teuerungsausgleich vorgesehenen Mittel um 30 Millionen gekürzt. Der ansonsten eher für seine zurückhaltenden Töne bekannte Personalverband des Bundes reagierte mit der Mitteilung: «Wenn Vernunft ins Groteske abdriftet».
Während die Abstriche bei der Entwicklungshilfe und beim Personal real und unmittelbar sind, handelt es sich bei den beschlossenen Kürzungen von 100 Millionen Franken in der Asylsozialhilfe eher um einen Entscheid «pour la galerie». Diese Gelder sind gebundene Abgaben an die Kantone. Künftig werden sich nicht etwa zwei Geflüchtete die Sozialhilfe teilen müssen. Stattdessen muss der Bundesrat dem Parlament irgendwann im kommenden Jahr wohl einen teuren Nachkredit vorlegen.
Rüstungsindustrie, Bauern und Randregionen können sich freuen
Nun zu den Gewinnern: die Rüstungsindustrie, die Bauern und die Randregionen.
Ein geradezu absurder Entscheid ist die Aufstockung von 6 Millionen Franken für die «Neue Regionalpolitik». Dieses Geld fliesst an einen Fonds, der Projekte in den Randregionen finanziert. Darin schlummern bereits über 530 Millionen. Kein einziges laufendes oder kommendes Projekt wäre gefährdet gewesen, wenn die Zahlung einmalig ausgesetzt worden wäre. «Wir parkieren hier im Moment Steuergelder», warnte Mitte-Finanzpolitiker Benedikt Würth. Vergeblich.
Die Aufstockung von 42 Millionen Franken für die Direktzahlungen an die Landwirtschaft überraschte einmal mehr niemanden. Die Bauern sind ihrem Ruf, die am besten organisierte Lobby im Bundeshaus zu sein, einmal mehr gerecht geworden.
Was machte die Schweizer Armee mit dem erhöhten Budget?
Während die höheren Beiträge an die Landwirtschaft zumindest zielgerichtet sind, stellen sich bei den beschlossenen Mehrausgaben von 530 Millionen Franken für die Aufrüstung der Armee ungleich mehr Fragen. Ob Duro-Lastwagen, Hermes-Drohne, Mörser 16 oder jüngst das Luftüberwachungssystem Skyview: Die Armee bekundete bereits in der jüngeren Vergangenheit grosse Mühe, die ihr zugesprochenen Gelder sinnvoll und effizient einzusetzen. Ob es mit denselben Leuten am Ruder und einem kurzfristig stark erhöhten Budget besser klappt, darf bezweifelt werden.
GLP-Fraktionspräsidentin Corina Gredig warnte in ihrem Schlussvotum, dass die Budgetdebatte 2025 nur «ein Gewitterchen» sei, im Vergleich zu dem Sturm, der sich am finanzpolitischen Horizont auftürme. Eine Einigung darüber, wie unser Zusammenleben finanziert werden soll, wird im nächsten Jahr nicht einfacher zu finden sein – so viel ist sicher. Vielleicht sollten sich einige Parlamentarierinnen und Parlamentarier die Sache mit der Opfersymmetrie nochmals zu Herzen nehmen.
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