Umstrittene RechtshilfeDie Bundesanwaltschaft dient Russland trotz Bärenjagd-Fiasko
Die Schweizer Justiz hilft Moskau in einem fragwürdigen Fall. Andere Staaten haben die russischen Gesuche abgelehnt.
Eine wichtige Woche beginnt für Bundesanwalt Michael Lauber. Am Mittwoch will die parlamentarische Gerichtskommission entscheiden, ob sie wegen der Affäre um die Fifa-Geheimtreffen ein Amtsenthebungsverfahren gegen ihn anstrebt.
Alles dreht sich um die Fussball-Fälle, während weitere heikle Dossiers kaum Beachtung finden – so der Russland-Komplex, der weltpolitisch noch grössere Bedeutung hat. Denn es geht um den Fall Magnitski, mit dem sich Moskau und der Westen politisch und juristisch bekämpfen. Die Sache spielt mittlerweile sogar in Donald Trumps Russland-Affäre eine zentrale Rolle.
Jagd-Fall wird aufgerollt
Im Kern geht es im Fall Magnitski um einen mutmasslichen 230-Millionen-Dollar-Betrug in Russland. Viel Geld wurde, ebenfalls mutmasslich, über Schweizer Banken gewaschen. Seit über neun Jahren ermittelt deswegen die Bundesanwaltschaft, ohne ersichtliche Resultate.
Parallel zum nicht unwahrscheinlichen Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber kommt das Bärenjagd-Fiasko wieder aufs Tapet.
Vor Gericht landete in der Schweiz wegen der Sache einzig ein Russland-Experte der Bundeskriminalpolizei. Der Berner Ermittler hatte lange Zeit Michael Lauber beraten, insbesondere im Magnitski-Fall. Verurteilt wurde er, weil er sich im Anschluss an eine Dienstreise mit Michael Lauber noch zu einem mehrtägigen Ausflug auf die sibirische Halbinsel Kamtschatka einladen liess. Die gemischte Reisegruppe aus Justizvertretern und Privatpersonen schoss dort Bären.
Der Zufall will es, dass nun parallel zum nicht unwahrscheinlichen Amtsenthebungsverfahren gegen Lauber das Bärenjagd-Fiasko wieder aufs Tapet kommt. Bereits in drei Wochen wird der Vorteilsannahme-Fall von der Berufungskammer des Bundesstrafgerichts noch einmal aufgerollt.
Direkter Draht gekappt
Der längst entlassene Bundeskriminalpolizist will in zweiter Instanz einen Freispruch erreichen. Er beteuert, dass seine Reise mit Vorgesetzten abgesprochen gewesen sei und der Bundesanwaltschaft gedient habe, insbesondere im Magnitski-Fall.
Dazu muss man wissen: Russische Staatsanwälte ermitteln nicht gegen jene, die im Westen als Betrüger gelten. Sondern gegen jene, die dort als Aufklärer und Whistleblower gelobt werden: insbesondere gegen Rechtsberater Sergei Magnitski, der dann in einem Moskauer Gefängnis qualvoll umkam.
Der ehemalige Berner Ermittler macht kein Geheimnis daraus, dass er die russische Sichtweise auf den Fall für plausibler hält als die westliche. Er stand den Moskauer Ermittlern sehr nahe, nicht nur auf der Bärenjagd. Ende 2017 war er sogar auf eigene Faust und entgegen Weisung seines Vorgesetzten nach Moskau gereist, um sich mit der Generalstaatsanwaltschaft und einer umstrittenen Strafverteidigerin über den Magnitski-Fall auszutauschen.
Mit der Entlassung des Bundeskriminalpolizisten kurz darauf wurde dieser direkte Draht gekappt. Einige Monate später klopfte Moskau in Bern an. Es wollte nun offiziell Einsicht bekommen in Schweizer Protokolle zu Befragungen von Personen, die mit Magnitski einst zusammengearbeitet hatten und sich nun für die juristische Aufarbeitung seines Todes einsetzen.
Andere weigern sich
Die Schweizer Justiz soll also Material aus der Pro-Magnitski-Strafuntersuchung herausrücken, damit Russland es in der Anti-Magnitski-Strafuntersuchung verwenden kann. Wie es jetzt ausschaut, geschieht dies nun, trotz Bärenjagd-Fiasko. Die Bundesanwaltschaft teilt auf Anfrage mit, es würden gleich mehrere Rechtshilfeersuchen des russischen Staats zum Magnitski-Fall «vollzogen».
Andere Staaten wie Grossbritannien, aber auch Interpol, haben ähnliche Ersuchen Russlands zurückgewiesen. Der Europarat fordert in einer Resolution die Mitgliedsstaaten auf, «auf eine Kooperation bei jeglicher politisch motivierter Strafverfolgung im Zusammenhang mit der Magnitski-Affäre zu verzichten».
Die Schweiz, die Mitglied ist, könnte dies auch tun. Ihre Justiz hat sich aber selber hohe Hürden gesetzt, wenn es darum geht, Rechtshilfe aus politischen Gründen zu verweigern. Trotzdem könnten Bundesanwaltschaft und Bundesamt für Justiz sich den Wünschen aus Moskau – auch aufgrund der Beeinflussung durch die Vorteilsgewährung und der Empfehlung des Europarats – widersetzen.
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