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Historische Allianz in Genf
Bürgerliches Powerplay gegen Pierre Maudet

Der ehemalige Genfer Staatsrat Pierre Maudet und seine Bewegung Freiheiten und soziale Gerechtigkeit waren am Sonntag die grossen Wahlsieger. Doch nun muss er sich gegen eine grosse bürgerliche Allianz durchsetzen.
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Es knistert in der Genfer Politik, am Montag geschah Historisches. Die Parteileitungen von FDP, Mitte, SVP und Mouvement Citoyens Genevois (MCG) beschlossen, zum zweiten Wahlgang der Regierungswahlen vom 30. April mit einer grossen bürgerlichen Allianz anzutreten. Mit vereinten Kräften wollen sie SP und Grüne die Regierungsmehrheit entreissen. Aktuell besetzt die Linke vier der sieben Regierungssitze. 

Eine grosse bürgerliche Allianz ist ein Novum in der Genfer Kantonalpolitik. Die Parteien hielten am Montagabend Delegiertenversammlungen ab. Journalisten waren unerwünscht. Die FDP startete um 19 Uhr. MCG, SVP und Mitte begannen um 20 Uhr. Alle belauerten sich. Alle misstrauten sich. Die parteipolitischen Unterschiede schienen unüberbrückbar. Doch nach über zwei Stunden Debatte wagte die FDP, die stärkste Genfer Partei, den Schritt. Sie will die bürgerliche Allianz. Die anderen Parteien folgten der FDP am späteren Abend. Am Mittwoch wollen sie ihre bürgerliche Allianz an einer Medienkonferenz präsentieren. 

Hinter den Kulissen lauert auch der ehemalige Genfer Staatsrat Pierre Maudet mit seiner Bewegung Freiheiten und soziale Sicherheit. Maudet ist der Sieger des Wahlsonntags. Der vom Bundesgericht wegen Vorteilsannahme verurteilte 45-Jährige schaffte ein respektables Comeback. Bei den Regierungswahlen bekam er am sechstmeisten Stimmen. Gleichzeitig wurde er mit zehn weiteren Mitgliedern der Bewegung in den Kantonsrat gewählt. Für einen Wahlerfolg am 30. April muss Maudet darauf hoffen, dass die Solidarität unter den bürgerlichen Partnern ausbleibt.

Genf ist anders

Maudet selbst wird ohne Allianz bleiben. Die langjährige Genfer FDP-Staatsrätin und Nationalrätin Martine Brunschwig Graf sagte über Maudet im Radio RTS: «Ich habe ihm nicht verziehen, auch weil er die Justiz belogen hat. Ich weiss nicht, ob er verstanden hat, was er getan hat. Für mich bleibt das etwas Schwerwiegendes.» Und doch ist Maudets Comeback als Politiker seit Sonntag Tatsache. 

Daran stören sich Genfer Politiker von rechts bis links. In Gesprächen wiederholten sie noch und noch: «Wir wissen, dass Pierre Maudet in der Deutschschweiz keine Chance mehr hätte, sowieso nach einer Verurteilung vor Bundesgericht. Aber Genf ist anders.» Worin liegt das Anderssein? 

«Pierre Maudets Wiedererstarken bei den Genfer Wahlen ist ein Mysterium.»

Pascal Sciarini, Professor für Politologie an der Universität Genf

Die Frage geht an jemanden, der sich in der Genfer Politik im Speziellen und mit politischen Phänomenen im Allgemeinen bestens auskennt: Pascal Sciarini, Professor für Politologie an der Universität in Genf. «Pierre Maudets Wiedererstarken bei den Genfer Wahlen ist ein Mysterium», sagt Sciarini. Der Politologe hat einige Hypothesen, dabei denkt er auch an Donald Trump, der während seiner Präsidentschaft eine Atmosphäre geschaffen hat, in der Gesetzesbrüche toleriert werden.

«Ein Teil der Genfer Wählerschaft ist bereit, bestimmten Politikern viel zu verzeihen, und neigt dazu, strafrechtlich verurteilte Politiker nicht schlechter zu behandeln als alle jene, die sich nie etwas zuschulden kommen liessen», sagt Sciarini. Maudet habe sich zunehmend als Mann ausserhalb des Establishments positioniert, der sich gegen das Establishment wehrt, sagt er. Jenes Establishment, dem Maudet und seine Anhänger vorwerfen, alles zu tun, um ihnen Steine in den Weg zu legen. Bei Maudet wiegt dies besonders schwer, weil seine Anhänger ihn gemäss Sciarini als «brillanten Staatsmann» verehren. «Diese Sichtweise ist natürlich komplett falsch und irreführend», sagt der Politologe.