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Schutz der Pressefreiheit
Bürgerliche machen eine Kehrtwende beim Bankgeheimnis

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Selbst die intimsten medizinischen Daten der Schweizer Bevölkerung sind von den Gesetzen hierzulande schlechter geschützt als Informationen über Bankkonten russischer Oligarchen. Das liegt an einer Verschärfung des Bankgeheimnisses 2015.

Seit damals ist es allen – auch Journalisten – verboten, Daten bekannt zu machen, die aus einer Bankgeheimnisverletzung stammen. Selbst wenn es sich dabei um kriminelle Kunden handelt oder eben um Oligarchen. Wer es dennoch tut, riskiert bis zu fünf Jahre Gefängnis.

Im Februar 2022 berichteten Dutzende namhafte Redaktionen weltweit, von der «Süddeutschen Zeitung» bis zur «New York Times», über Kundendaten der Credit Suisse. Die sogenannten «Suisse Secrets» offenbarten beispielsweise, dass zahlreiche korrupte Venezolaner, umstrittene Ex-Regierungschefs oder Kriegsverbrecher Kunden bei der CS waren.

Protest von Reporter ohne Grenzen

Doch ausgerechnet das Tamedia-Recherchedesk als Vertreter der Schweiz konnte sich wegen des rigiden Gesetzes nicht an der Recherche beteiligen. «Journalisten können strafrechtlich belangt werden», bestätigt damals das Staatssekretariat für internationale Finanzfragen.

Der Verzicht schlug hohe Wellen. Reporter ohne Grenzen, die Europäische Journalistenföderation und der Schweizer Journalistenverband protestierten scharf. «Das ist Krimi­nali­sierung von Journalismus», erklärte die UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit, Irene Khan. «Der pauschale Schutz des Bankgeheimnisses im Schweizer Gesetz verstösst gegen Artikel 10 der Europäischen Menschenrechtskonvention.»

Harsche Kritik von Irene Khan, UNO-Berichterstatterin für Meinungsfreiheit am Schweizer Bankengesetz.

Khan verschickte nach der Credit-Suisse-Affäre einen sechsseitigen Brief an Aussenminister Ignazio Cassis und forderte eine Erklärung. Der Bund versicherte ihr schriftlich, das Gesetz werde im Parlament nochmals geprüft. Das hat nun die Kommission für Wirtschaft und Abgaben (WAK) des Nationalrats getan.

SP und Grüne hatten die Debatte angestossen, doch selbst bürgerliche Verteidiger des Bankgeheimnisses zeigten sich inzwischen besorgt, dass dieses Gesetz die Pressefreiheit in der Schweiz verletzt.

Sie wollten den umstrittenen Paragrafen des Bankengesetzes zwar nicht einfach streichen, wie dies eine parlamentarische Initiative von SP-Nationalrätin Samira Marti fordert. Doch die Kommission verabschiedete mit 13 zu 11 Stimmen eine eigene Motion mit dem Titel «Für mehr Pressefreiheit in Finanzplatzfragen», die sich direkt an den Bundesrat richtet. Er soll «prüfen, ob die aktuelle Gesetzgebung geändert werden soll, um die Pressefreiheit in Finanzplatzfragen zu gewährleisten».

Namhafte Rechtsexperten haben bereits erklärt, dass das Bankengesetz in seiner jetzigen Form die Pressefreiheit tatsächlich massiv einschränkt. Der Zürcher Rechtsprofessor und Medienrechtler Urs Saxer erklärte dies im Mai als Experte persönlich vor der WAK. Für ihn sei es «ein klarer Fall», dass das Gesetz angepasst werden sollte. «Eine so rigide Regelung, wie wir sie jetzt haben, steht im Konflikt mit der Medienfreiheit», sagt Saxer. «Ein Gericht muss zumindest die Möglichkeit haben, im Einzelfall das öffentliche Interesse an Informationen und das Bankgeheimnis gegeneinander abzuwägen.» David Zollinger, Anwalt, Strafrechtsexperte und langjähriger Staatsanwalt in Zürich, stimmte zu: «Dieses neue Gesetz hat tatsächlich eine einschneidende Wirkung auf die Pressefreiheit.»

Dass die WAK den Bundesrat nun zum Handeln aufruft, ist eine Überraschung. Noch im Mai hat sich dieselbe Kommission gegen eine Änderung des Bankengesetzes ausgesprochen. «Aus Sicht der Kommissionsmehrheit besteht kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf», hiess es damals in einer Medienmitteilung.

Als die Verschärfung von 2015 ursprünglich beschlossen worden war, sagte FDP-Parlamentarier Andrea Caroni: «Es gehört nicht zur Aufgabe von Journalisten, geheime, intime, persönliche Daten, die gestohlen wurden, in den Medien auszubreiten.» Inzwischen sagt auch er, dass der Regler beim Bankgeheimnis «möglicherweise nicht perfekt eingestellt» sei.

Kommissionspräsident Leo Müller (Mitte) bestätigt, dass auch in der WAK der Wind gedreht hat. «Anders als im Frühling ist eine Mehrheit der Kommission der Ansicht, dass der Bundesrat prüfen muss, ob die Arbeit der Presse eingeschränkt ist.» Für Samira Marti (SP) besteht inzwischen dringend Handlungsbedarf. «In einer liberalen Demokratie können wir es uns schlicht nicht leisten, die Pressefreiheit einzuschränken, nur um Wirtschaftskriminelle zu schützen.»