Andrea Caroni zu Medien-Maulkorb«Möglicherweise ist der Regler nicht perfekt eingestellt»
In der Schweiz droht Medienschaffenden ein Strafverfahren, wenn sie über geleakte Bankdaten berichten. FDP-Ständerat Andrea Caroni ist offen für Lockerungen. Doch auch Verschärfungen sind ein Thema.
Das Datenleck bei der Credit Suisse hat eine Debatte über Medienfreiheit ausgelöst. Wegen der geltenden Regeln konnte sich Tamedia nicht an der Recherche eines internationalen Journalistennetzwerks beteiligen.
Die Linke fordert nun eine Änderung von Artikel 47 des Bankengesetzes. Gemäss diesem kann mit Gefängnis bestraft werden, wer Informationen über Bankkunden «weiteren Personen offenbart». Die SP spricht von einem «skandalösen Eingriff in die Pressefreiheit» – und will in der Frühjahrssession einen Vorstoss dazu einreichen, wie SP-Nationalrätin Samira Marti am Montag an einer Medienkonferenz der Partei sagte. «Wer Verbrechen aufdeckt, wird heute zum Verbrecher», stellte Marti fest. Das müsse sich ändern.
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Regula Rytz, Nationalrätin der Grünen, will in der Frühjahrssession ebenfalls einen Vorstoss einreichen. Sie hat die Motion mit dem Titel «Pressefreiheit in Finanzplatzfragen sicherstellen» bereits ausformuliert. Berichte über Finanzkriminalität seien von öffentlichem Interesse und dürften nicht durch Strafandrohungen behindert werden, schreibt Rytz zur Begründung. Konkret fordert sie, dass die Verschärfung von 2015 rückgängig gemacht wird.
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Das Parlament hatte den umstrittenen Gesetzesartikel 2015 auf Anregung der FDP beschlossen. Der damalige FDP-Nationalrat und heutige Ständerat Andrea Caroni machte sich als Sprecher seiner Fraktion dafür stark. Damals sagte er: «Es gehört nicht zur Aufgabe von Journalisten, geheime, intime, persönliche Daten, die gestohlen wurden, in den Medien auszubreiten und die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen zu verletzen; das gehört schlichtweg nicht zu ihrem Job.»
Heute zeigt sich Caroni offen für eine Diskussion. Damals sei die Stimmung im Zusammenhang mit dem Diebstahl und Verkauf von Bankkundendaten etwas aufgeheizt gewesen, sagt er auf Anfrage. «Möglicherweise ist der Regler nicht perfekt eingestellt.»
Aus Sicht von Caroni sollte das Berichten über geleakte Bankdaten zwar weiterhin grundsätzlich verboten sein, aber mit einer Ausnahmebestimmung: «Erlaubt sein könnte es dann, wenn Journalistinnen und Journalisten darlegen können, dass das Verbreiten der Informationen zum Schutz eines übergeordneten Interesses unerlässlich ist», sagt Caroni.
Quellenschutz einschränken?
Caroni schwebt allerdings eine umfassende Regelung vor, die nicht nur den Umgang von Medien mit Bankdaten, sondern auch mit anderen gesetzlich geschützten Informationen regelt – namentlich jenen aus Sitzungen von Parlamentskommissionen. Hier fordert Caroni eine Verschärfung: Journalistinnen und Journalisten sollen sich nicht mehr in jedem Fall auf Quellenschutz berufen können, sondern nur dann, wenn sie zumindest glaubhaft machen können, dass die Veröffentlichung einem übergeordneten Interesse dient. «Dass ein Kommissionsmitglied an der Sitzung geweint hat, fällt zum Beispiel nicht darunter», sagt Caroni.
Medien müsse es möglich sein, Missstände aufzudecken. Das bedeute aber nicht, dass sie alles veröffentlichen dürften. Zum Beispiel sollte es weiterhin nicht erlaubt sein, zur reinen Blossstellung von Personen geschützte Informationen über deren Kontostand zu veröffentlichen. Auch bei Leaks aus vertraulichen Kommissionssitzungen sei das übergeordnete Interesse bisweilen nicht ersichtlich, der Schaden für die parlamentarische Debatte aber real.
Caroni hatte als Präsident der Gerichtskommission in der Affäre um den früheren Bundesanwalt Michael Lauber mit der Verletzung des Kommissionsgeheimnisses zu kämpfen. Medien berichteten damals unter anderem über Bewerber für die Nachfolge, was laut Caroni Kandidierende abschreckte.
Skepsis in der Mitte
Mitte-Nationalrat Martin Landolt kann den Vorschlägen Caronis einiges abgewinnen. Die Berichterstattung über Fehlverhalten dürfe nicht eingeschränkt sein, sagt er. Allerdings müsse auch verhindert werden, dass über die Konten von Personen berichtet werde, die sich nichts zu Schulden kommen liessen. Die Frage sei, wie «übergeordnetes Interesse» definiert werde.
Gegen Lockerungen spricht sich Mitte-Nationalrat Leo Müller aus, der Präsident der Wirtschaftskommission des Nationalrates. «Entweder gilt das Bankgeheimnis für alle oder für niemanden», sagt sagt er. «Wenn es für die Banken gilt, muss es auch für die Journalisten gelten.» Er selber sei gegen eine Aufhebung: «Es gehört zur schweizerischen Tradition und zu unserer Selbstverantwortung.» Auch FDP-Ständerat Ruedi Noser sieht keinen Handlungsbedarf. SVP-Vertreterinnen und -Vertreter wollten sich am Montag nicht äussern.
Die Schweizer Sektion der Organisation «Reporter ohne Grenzen» ruft ihrerseits den Bundesrat und das Parlament dazu auf, den fraglichen Gesetzesartikel zu ändern. «Es ist nicht akzeptabel, dass die Schweiz ein solches Rechtsregime fortbestehen lässt», heisst es in einer Mitteilung. Das sei einer Demokratie, welche die Informationsfreiheit respektiere, unwürdig.
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