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Schweiz als Vermittlerin
Wie zwei Tod­feinde auf dem Bürgen­stock Frieden schlossen

Abdal Azis Adam El Hilu, left, head of the Sudanese SPLM Delegation, and Mutrif Sidig, right, head of Delegation of the Sudanese Government, shake hands after signing the cease fire agreement concerning the Sudanese Nuba mountains, at the Swiss resort Buergenstock, near Lucerne, Saturday, January 19, 2002, observed by Swiss ambassador Josef Bucher, second right, Chairman of the Swiss-american mediation team, and Cecil D. Giddens, second left, US-delegate and member of the mediation team. (KEYSTONE/Guido Roeoesli)
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Dank ihm erlebte die Schweizer Diplomatie auf dem Bürgenstock eine Premiere: Josef Bucher, 76 Jahre alt, studierter Soziologe, im luzernischen Malters geboren und heute Wahlberner. Seine Diplomatenkarriere verbrachte Bucher in der halben Welt. Er arbeitete in Ägypten, Amman, Saudiarabien, Norwegen, Genf, London, Libyen, Nairobi, Finnland und Estland.

Die aufreibendste Woche seiner Diplomatenkarriere verbrachte Bucher aber auf dem Bürgenstock. Als «Botschafter für Konfliktbearbeitung» leitete der Luzerner auf «seinem» Hausberg Friedensverhandlungen für den Sudan. Regierungstruppen und Rebellen lieferten sich damals blutige Gefechte. Damit entdeckte auch das Eidgenössische Departement für auswärtige Angelegenheiten (EDA) den Bürgenstock als Konferenzort.

Urvertrauen in die Schweiz

Bucher erinnert sich: «Das amerikanische Aussendepartement machte Druck für einen Waffenstillstand im Sudan.» Mit ein Grund war, dass Regierungstruppen die Bevölkerung im Berggebiet Nuba auszuhungern drohten.

Die Konfliktparteien willigten in Friedensverhandlungen ein, wünschten sich aber Gespräche in einem Drittstaat. Die sudanesische Regierung drängte auf Verhandlungen in der Schweiz, der alle Beteiligten vollumfänglich vertrauten. Die Amerikaner lenkten ein.

Weil Josef Bucher als Diplomat im Sudan seit Jahren mit allen Parteien in Kontakt war, machten ihn die Amerikaner zum Verhandlungsleiter, obschon ein Spitzenbeamter im US-Aussendepartement bei einer Besprechung in Washington noch gefragt hatte: «Hat denn die Schweiz überhaupt eine Armee?»

Dank seinem Diplomaten Josef Bucher, einem gebürtigen Luzerner, entdeckte das EDA den Bürgenstock als Konferenzort.

Sie hatte eine. Noch fehlte Josef Bucher allerdings ein geeigneter Verhandlungsort. «Die Städte Bern, Zürich und Genf kamen nicht infrage, weil wir die Verhandlungen so diskret wie möglich halten mussten», erinnert sich Bucher. Er dachte zunächst auch an Davos, doch weil die Verhandlungen im Januar stattfinden mussten, wäre man dort dem Weltwirtschaftsforum in die Quere gekommen.

Der vermeintliche Familienbesitz

Spontan erinnerte er sich an Schulreisen und Familienausflüge auf den Bürgenstock. «Das Hotel bot Diskretion und Komfort, wegen kaum vorhandener Zufahrtswege brauchten wir kein grosses Sicherheitsdispositiv», sagt Bucher. Im Januar sei zwar nur ein Hotel geöffnet gewesen, doch es habe genügend Betten und Konferenzräume gegeben. Also lud Bucher die sudanesischen Kriegsparteien auf den Bürgenstock ein.

Members of the Sudanese government delegation walk to the press conference to sign the cease fire agreement concerning the sudanese Nuba mountains, at the Swiss resort Buergenstock, near Lucerne, Saturday, January 19, 2002, observed by Swiss ambassador Josef Bucher, second right, Chairman of the Swiss-american mediation team, and Cecil D. Giddens, second left, US-delegate and member of the mediation team. (KEYSTONE/Guido Roeoesli)

Als die Regierungsdelegation auf dem Berg eintraf, sagte ihm jemand, er schätze es sehr, dass er, Josef Bucher, sie in sein Familienanwesen eingeladen habe. Der sudanesische Offizielle hatte bei Recherchen herausgefunden, dass ein gewisser Franz Josef Bucher, Unternehmer, Hotelier und Eisenbahnpionier, den Bürgenstock in den 1870er-Jahren gebaut hatte. Daraus schloss er, dass Franz Josef Bucher ein Vorfahre von Josef Bucher sein musste.

Den ehemaligen Diplomaten amüsiert die Bemerkung bis heute. Er sagt: «Ich bin tatsächlich ein weit entfernter Verwandter von Franz Josef Bucher, aber der Bürgenstock war und ist natürlich nicht in Familienbesitz. Trotzdem liess ich die Bemerkung unwidersprochen.»

Denn auch Josef Bucher wusste: Wenn Konferenzteilnehmer von der Schönheit eines Orts und seiner Historie beeindruckt sind, kann das die Chancen auf einen Verhandlungserfolg erhöhen. Ein Ort kann helfen, Denkmuster zu beseitigen, sich mit bislang Undenkbarem zu beschäftigen und neue Lösungen zu finden. Die grünen Wiesen, die steilen, felsigen Abhänge, die phänomenale Aussicht auf den Vierwaldstättersee: All das macht den Bürgenstock einzigartig.

Perfekte Dramaturgie

«Von dieser Einzigartigkeit war Mitte Januar leider wenig zu sehen», erinnert sich Bucher. «Es war kalt, neblig und es fielen auch Schneeflocken.» Doch wurden die Verhandlungen besonders zäh, sei jeweils die Sonne durchgebrochen und man habe durch den Nebel auf den See gesehen. «Diese Dramaturgie war perfekt. Das waren symbolisch wichtige Momente», so der ehemalige Diplomat.

Aller Diskretion zum Trotz trat Bucher auf dem Bürgenstock nach Abschluss der Verhandlungen vor einige wenige Fernsehkameras, darunter al-Jazeera. Bilder vom Bürgenstock gingen um die Welt. Und natürlich auch die Verhandlungsresultate. Nach sechs Konferenztagen, oft bis in die Nachtstunden hinein, unterzeichneten die Konfliktparteien ein Waffenstillstandsabkommen. Das Abkommen hielt neun Jahre lang. Dann versank der Sudan erneut im Kriegschaos – bis heute.

Dass die Friedenskonferenz für die Ukraine auf dem Bürgenstock stattfindet, ist für Josef Bucher «keine Überraschung». Auch 2004 organisierte die Schweiz dort Friedensgespräche für das geteilte Zypern. Sogar UNO-Generalsekretär Kofi Annan reiste auf den Berg, um den türkischen Ministerpräsidenten Recep Tayyip Erdogan und seinen griechischen Amtskollegen Kostas Karamanlis von einer Wiedervereinigung zu überzeugen. Zwar wurde dort ein umfassendes Abkommen zur Wiedervereinigung der geteilten Insel unterzeichnet, aber dieses Friedensabkommen wurde durch die Griechischzyprioten in einer Volksabstimmung schliesslich abgelehnt.