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Deal mit EU
Brüssel schiebt die Verantwortung voll auf Parmelin

Damals war die Stimmung noch gut: Guy Parmelin (Mitte) bei einem Treffen mit Ursula von der Leyen 2018 in Bern. Damals waren beide noch Verteidigungsminister – er in der Schweiz, sie in Deutschland. 
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Kurz vor dem Minigipfel zwischen Ursula von der Leyen und Guy Parmelin diesen Freitag in Brüssel gibt ein Sitzungsprotokoll Einblick in Erwartungen und Stimmungslage der EU. Das Ziel des Treffens umriss die Vertreterin der EU-Kommission vor den Botschaftern der Mitgliedsstaaten so: Es gelte zu verstehen, inwiefern die Schweiz noch interessiert sei, das Rahmenabkommen zu einem Abschluss zu bringen. Im Idealfall könne das Treffen neue Impulse für die Gespräche geben. Brüssel warnt aber gleichzeitig vor zu hohen Erwartungen.

Es habe bisher kein Momentum gegeben, um wirkliche Lösungen zu finden, heisst in der Gesprächsnotiz. Dort ist zusammengefasst, wie Stéphanie Riso, stellvertretende Kabinettschefin von Ursula von der Leyen, vergangenen Freitag vor dem Ausschuss der ständigen Vertreter informiert hat. Man sehe trotz Kompromissangeboten der EU kein Entgegenkommen der Schweizer Seite. Die grössten Streitpunkte seien die flankierenden Massnahmen und die Unionsbürgerrichtlinie, berichtete die Verhandlungspartnerin von Staatssekretärin Livia Leu. Das ist wenig überraschend, aber erstmals werden die Positionen etwas deutlicher.

Knackpunkt Lohnschutz

Laut Darstellung der EU-Kommission will die Schweiz das Protokoll zu den flankierenden Massnahmen nicht mehr akzeptieren, wie es beide Seiten 2018 als Anhang zum Rahmenabkommen verhandelt haben. Dort ist unter anderem festgeschrieben, dass Handwerker aus Süddeutschland sich vier Tage vor Einsatz in der Schweiz anmelden müssen. Bislang gilt in der Schweiz eine Achttageregel, während im Binnenmarkt keine Voranmeldung nötig ist. Aus der Sicht der EU sind die vier Tage deshalb bereits eine Konzession.

Die Kommission vermutet nun, dass die Schweiz den Lohnschutz überhaupt ganz vom Geltungsbereich des Rahmenabkommens ausschliessen will. Die Schweiz wolle sich hier der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs entziehen, was jedoch nicht im Sinne des Rahmenabkommens sei.

Ähnlich ist die Lage bei der Unionsbürgerrichtlinie. Sie ist neben dem Lohnschutz der eigentliche Grund, weshalb die EU seit Jahren auf einer neuen Rechtsgrundlage für die bilateralen Beziehungen mit dynamischer Übernahme von EU-Recht beharrt. Das statische Freizügigkeitsabkommen der Schweiz widerspiegelt den Stand des EU-Rechts von 1999. Laut Sitzungsprotokoll lehnt es die Schweiz pauschal ab, die Unionsbürgerrichtlinie von 2004 zu übernehmen, aus Brüsseler Sicht eine Fortentwicklung des EU-Rechts.

Zugang zu Sozialversicherungen

Die Schweiz wolle unter anderem die neuen Regeln für einen dauerhaften Aufenthalt, für den dreimonatigen Aufenthalt und für den Zugang zur Sozialversicherung bestimmter Personengruppen nicht akzeptieren, so die Kommissionsvertreterin. Die Schweiz habe ursprünglich Klarstellungen zu den drei Bereichen Lohnschutz, Unionsbürgerrichtlinie und Staatsbeihilfen gefordert. Nun wolle die Schweiz offenbar weit darüber hinausgehen. Die EU könne jedoch das Ausklammern («carve-outs») ganzer Bereiche nicht akzeptieren. Die Homogenität des Binnenmarktes und die gleichen Wettbewerbsregeln stünden auf dem Spiel.

Es sei nach wie vor möglich, Kompromisse zu finden, sagte die Kommissionsvertreterin. Dazu brauche man aber einen Partner, um diese zu identifizieren. In der Schweiz gebe es über die drei Klarstellungen hinaus offenbar grundsätzliche Vorbehalte zur dynamischen Rechtsübernahme und zur Rolle des EuGH, beides jedoch Kernteile des Rahmenabkommens.

Die Kommission hat sich vergangene Woche bereits in der sogenannten Efta-Arbeitsgruppe der Mitgliedsstaaten über die Schweizer Verhandlungsführung beklagt. Die Botschafter der Mitgliedsstaaten unterstützten nun in der Runde generell die Linie der Kommission gegenüber der Schweiz. Insbesondere Deutschland und Frankreich drängten gleichzeitig darauf, die Möglichkeiten für Kompromisse weiter auszuloten.

Kritische Osteuropäer

Gefragt sei ein konstruktiver Dialog, um eine Verschlechterung der Beziehungen zu verhindern. Besonders kritisch äusserten sich die Botschafter osteuropäischer EU-Staaten. Die Schweiz habe ungehinderten Zugang zum Binnenmarkt und halte gleichzeitig ihre Beiträge zur Kohäsionspolitik zurück. Aus EU-Sicht ist die Schweiz hier seit 2014 im Zahlungsrückstand.

Ursula von der Leyen werde beim Treffen mit Guy Parmelin versuchen herauszufinden, ob die Schweizer Regierung noch hinter dem Rahmenabkommen stehe, so die Kommissionsvertreterin. Brüssel werde jedenfalls keine Verantwortung für ein mögliches Scheitern übernehmen. Dies werde allein ein Entscheid der Schweiz sein. Für den Fall eines Scheiterns gebe es keinen Alternativplan.

Die Drohkulisse ist die schleichende Erosion der bilateralen Verträge. So will die EU im Mai das Abkommen über technische Handelshemmnisse für Medizinalprodukte nicht erneuern. Die EU könne nicht in endloser Zeitschleife mit der Schweiz verhandeln. Die Schweizer Art der Verhandlungsführung dürfe nicht ohne Konsequenzen bleiben. In Bern hat der Bundesrat am Montag an einer Sondersitzung über das Mandat beraten, mit dem Guy Parmelin am Freitag nach Brüssel reisen soll. Zum Inhalt der Gespräche wurde nichts bekannt, der Bundesrat will sich am Mittwoch noch einmal damit befassen.

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