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Erneute Evakuierung in Brienz
«Ich höre oft: ‹Wir können nicht mehr›»

Mediensprecher Christian Gartmann an einer Infoveranstaltung fuer die Bevoelkerung zur Evakuierung des Dorfes Brienz-Brinzauls unter dem "Brienzer Rutsch", aufgenommen am Dienstag, 9. Mai 2023, in Tiefencastel. Die Anwohner muessen ihr Zuhause bis Freitagabend wegen eines drohenden Ereignisses raeumen. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)
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In Kürze:
  • Die Behörden planen eine erneute Evakuierung des Bündner Dorfs Brienz.
  • Ein gigantischer Schuttkegel bewegt sich täglich 30 Zentimeter Richtung Dorf.
  • Der Schuttstrom könnte Brienz mit über 80 Stundenkilometern treffen.
  • Es kommt jetzt aufs Wetter an. Kommt der Regen oder der Schnee?

Bad News am Samstagabend. In der Turnhalle von Tiefencastel ging es abermals um nichts weniger als die Zukunft eines ganzen Dorfs. Brienz, weiter oben gelegen, droht verschüttet zu werden. Denn der Berg wackelt. Eine Steinlawine könnte das Bündner Bergdorf mit über 80 Stundenkilometern erreichen.

Die Behördenvertreter sprachen von einer möglichen Evakuierung. «Bereiten Sie sich bitte umgehend darauf vor», hiess es. Mit auf der Bühne sass wieder Christian Gartmann. Der Bündner erlangte als Sprecher des Gemeindeführungsstabs Albula/Alvra nationale Berühmtheit. Wochenlang musste er im Sommer 2023 nach der ersten Evakuierung von Brienz erklären, warum diese aussergewöhnliche Massnahme erforderlich war.

Am 16. Juni 2023 gingen dann 1,2 Millionen Kubikmeter Fels als Schuttstrom ab und stoppten kurz vor dem Dorfeingang. Die Menschen von Brienz kehrten zurück. Die Ungewissheit aber blieb. Dennoch kehrte im Bündner Dorf so etwas wie Ruhe ein. Aber seit einigen Wochen bewegt sich der gigantische Schuttkegel wieder. Und Gartmann steht Red und Antwort:

Am Samstagabend mussten Sie der Bevölkerung von Brienz schlechte Nachrichten überbringen. Zum zweiten Mal steht eine Evakuierung bevor. Wie waren die Reaktionen?

Einige sind hässig, einige am Limit. Alle haben die Nase voll. Ich höre oft: «Diese Ungewissheit zermürbt uns. Wir können nicht mehr.»

Und Sie können den Menschen keine Gewissheit geben, oder?

Nein. Leider nicht. Die Lage am Berg ist zu instabil. Wir versuchen derzeit, die Menschen bestmöglich zu informieren. Und das bedeutet, dass die Menschen von Brienz wohl bald wieder aus ihren Häusern müssen. Wir verstehen, dass dies sehr, sehr schwierig ist. Alle im Gemeindeführungsstab haben grosses Verständnis für jede Art von Emotion.

Blick auf Brienz, am Samstag, 9. November 2024, in Brienz-Brinzauls. Am 15. Juni 2023 erreichte ein Schuttstrom beinahe das damals evakuierte Dorf. Nun drohen weitere 1,2 Millionen Kubikmeter Felsschutt abzugleiten. Das Dorf muss sich auf eine erneute vorsorgliche Evakuierung vorbereiten. (KEYSTONE/Gian Ehrenzeller)

Offiziell will es niemand zugeben. Aber eine erneute Evakuierung wird wohl das Ende dieses Dorfs bedeuten.

Nein, ich sehe das anders. Auch nach einer Evakuierung werden wir alles dafür tun, dass die Leute zurückkehren können. Wir wollen, dass Brienz weiterlebt.

Dafür braucht es aber viel Optimismus: Oben rutscht der gigantische Schuttkegel, der letztes Jahr hinabgedonnert ist, pro Tag 30 Zentimeter ans Dorf heran. Dazu gleitet die ganze Platte, auf der sich Brienz befindet, weiter hinab.

Ja, jährlich bewegt sich das Dorf 2,4 Meter. Das tut ihm nicht gut.

Dabei wird gerade an einem Entwässerungsstollen gebaut, der genau dies verhindern sollte. Die Massnahme, die knapp 40 Millionen Franken kostet, greift also nicht.

Auch das sehe ich anders. Der Stollen wird zwei Kilometer lang. Und er wird funktionieren. Wir haben jetzt etwa 880 Meter in den Berg unterhalb des Dorfs getrieben, fertig wird er im Jahr 2027.

Hat Brienz so viel Zeit?

Im Sondierstollen, der bis 2022 gebaut wurde, haben wir gesehen, dass diese Entwässerungsmassnahme wirkt. Er hat viel Wasserdruck aus dem Berg genommen, und die Bewegung hat abgenommen. Zuversichtlich stimmt uns auch das Beispiel aus dem Maggiatal. Dort wurde etwas Ähnliches gemacht. Die Lage hat sich dort entspannt.

Das Problem mit dem Schuttkegel oben bleibt jedoch. Was kann man da tun?

Wir sorgen dafür, dass Menschen und Tiere des Dorfes sicher sind. Da bleibt nur die frühzeitige Evakuierung. Denn im Gegensatz zum Abbruch vom letzten Jahr kann es diesmal viel schneller gehen.

Die Rede ist von einem Schuttstrom, der mit 80 Stundenkilometern ins Tal geht.

Das ist der Worst Case. In den Berechnungen, die wir zusammen mit der ETH Zürich durchführen, ist das wahrscheinlichste Szenario eine Beruhigung. Das Dorf bleibt bestehen, und alle können wieder zurück. Aber es hängt in den nächsten Tagen sehr viel vom Wetter ab.

Sie wollen sagen: Kommt der grosse Schnee oder Regen, kann sich die Lage in Kürze ändern.

Korrekt.