Papablog: Diversität in KinderbüchernBrauchen wir eine schwarze Kinderbibliothek?
Auf jeden Fall, findet unser Autor. Und sagt, warum es höchste Zeit ist, unsere zu weisse Kinderliteratur kritisch zu hinterfragen.
Im vergangenen Sommer wurde in Bremen die erste «schwarze Kinderbibliothek» im deutschsprachigen Raum gegründet. Sie folgte damit einem Beispiel aus der Stadt Köln, in der einige Monate zuvor die Theodor Wonja Michael Bibliothek geschaffen wurde – die erste schwarze Bibliothek für Erwachsene. Nun wurde die schwarze Kinderbibliothek in neuen Räumlichkeiten feierlich eröffnet.
Hier wird Inhalt angezeigt, der zusätzliche Cookies setzt.
An dieser Stelle finden Sie einen ergänzenden externen Inhalt. Falls Sie damit einverstanden sind, dass Cookies von externen Anbietern gesetzt und dadurch personenbezogene Daten an externe Anbieter übermittelt werden, können Sie alle Cookies zulassen und externe Inhalte direkt anzeigen.
Diese Bibliotheken sind Notwendigkeit und Glücksfall zugleich. Sie sind ein dringend erforderlicher Einspruch in die allzu weisse, sich selbst vergewissernde Erzählung einer eigentlich vielschichtigen Gesellschaft. Und sie sind sichere Orte, an denen Repräsentation und Verortung auf eine Weise möglich werden, die uns seit Jahrzehnten aus Desinteresse, Ignoranz und durchaus auch aus Boshaftigkeit nicht gelingt.
Allerdings sind solche Projekte nicht unumstritten. Wann immer sie an den Start gehen, wird der Vorwurf laut, dass mit ihnen eine Form der Markierung und Spaltung betrieben wird, die nicht nur unnötig, sondern sogar gesellschaftsschädigend sei.
Es ist unumgänglich, dass wir Weissen uns von rassistischen Literaturklassikern distanzieren und trennen, die uns lieb und teuer sind.
«Können unsere Bibliotheken nicht einfach für alle da sein?», lautet der Vorwurf in diesem Fall. Und natürlich: «Müssen wir wirklich für jede gesellschaftliche Kleingruppe einen Extraaufwand betreiben?» Tatsächlich sollten wir das in diesem und in vielen anderen Fällen tun. Denn die seit Jahren immer wieder aufflammenden Debatten um Rassismus, Herkunft und Identität verkennen vollkommen, dass es sich hierbei um eine Gegenbewegung handelt.
Seit Jahrhunderten werden schwarze Menschen in der europäischen Literatur unsichtbar gemacht, missachtet und exotisiert. Sie sind entweder nicht vorhanden, dienstbar oder «wild» und «anders». Dieses Problem lässt sich nicht nur damit lösen, dass alte Erzählweisen kritisiert und auf den Prüfstand gestellt werden.
Einfach erzählen, was ist
Zweifellos ist es unumgänglich, dass wir Weissen uns von rassistischen Literaturklassikern distanzieren und trennen, die uns lieb und teuer sind. Aber darüber hinaus müssen Räume für Repräsentation geschaffen werden, in denen Teile unserer Gesellschaft die Möglichkeit haben, sich selbst zu erzählen und zu gestalten. Denn Diversität ist kein Gimmick. Diversität ist Realität.
Diversität bedeutet anzuerkennen, dass unser «wir» bisher viel zu weiss und eindimensional erzählt wurde.
Diverse Kinderbücher, die diverse Lebensrealitäten thematisieren und abbilden, sollen und dürfen sich nicht darin erschöpfen, dass Steffie mit ihren Eltern im Urlaub Menschen mit schwarzer Hautfarbe trifft und ganz fasziniert davon ist. Oder dass Konrad sich nach dem Unterricht manchmal gerne einen Döner kauft. Sondern, dass Steffie und Konrad womöglich auch schwarz sind. Zu erzählen, wie sie spielen und lernen. Wen sie lieben. Was ihnen wichtig ist. Wovor sie sich ängstigen. Was sie bewegt. Und zwar nicht mit dem Ziel, etwaige Unterschiede und Gemeinsamkeiten herauszustellen, sondern einfach um zu erzählen, was ist. Wie schwarzes Leben in Deutschland, Österreich und der Schweiz ist. Es ist wichtig, darüber und dafür zu erzählen.
Diversität heisst also nicht, so zu erzählen, dass es neben «uns» auch «die» gibt. Es bedeutet anzuerkennen, dass unser «wir» bisher viel zu weiss und eindimensional erzählt wurde und es höchste Zeit ist, die Diversität dieses «wirs» nicht länger zu verleugnen oder lediglich zu behaupten. Es kann, nein es muss bessere Geschichten geben als die, die der Bub seinem Vater erzählt hat, als er in der Polybahn dem Afroschweizer Mohamed Wa Baile gegenüber sass: «Papa, Mama hat gesagt, es gibt einen schwarzen Mann, der Kinder klaut.»
Fehler gefunden?Jetzt melden.