Ermittlungen gegen Ex-PräsidentenHat sich Bolsonaro in Ungarns Botschaft versteckt?
Brasiliens Ex-Präsident Jair Bolsonaro bestreitet die Vorwürfe. Die Polizei ermittelt.
«Willkommen zu Hause!» steht gross auf der Homepage der ungarischen Botschaft in Brasília – und die Frage ist nun, ob Jair Bolsonaro das vielleicht etwas zu wörtlich genommen haben könnte. Mitte Februar hatte der rechtsextreme Ex-Präsident Brasiliens die ungarische Auslandsvertretung besucht und war für mindestens zwei Nächte dort geblieben. Das belegen Aufnahmen von Überwachungskameras, die zuerst der «New York Times» vorlagen.
Der Zeitpunkt war brisant: Wenige Tage zuvor hatte die Polizei die Wohnungen mehrerer enger Vertrauter Bolsonaros durchsucht und einige festgenommen. Es ging um mutmassliche Pläne für einen Putsch, und Bolsonaro selbst wurde aufgefordert, das Land nicht zu verlassen, um für die Ermittler erreichbar zu sein; dazu musste der 69-Jährige auch noch seinen Pass abgeben, weil die Behörden wohl befürchteten, er könnte fliehen.
Bolsonaro: «Ich pflege Freundschaften»
Der Verdacht ist nun, dass der ehemalige Staatschef sich in der Botschaft von Ungarn einem etwaigen Zugriff der brasilianischen Justiz habe entziehen wollen. Botschaften sind für inländische Behörden rechtlich nicht zugänglich. Jair Bolsonaro hat diesen Vorwurf bereits von sich gewiesen: Er streite nicht ab, dass er sich in der Botschaft aufgehalten habe, erklärte der Ex-Präsident am Montagabend. «Ich pflege Freundschaften mit Staatschefs aus der ganzen Welt. Punkt.» Alles andere sei Spekulation.
Tatsächlich verbindet den Brasilianer eine langjährige freundliche Beziehung mit seinem ehemaligen Amtskollegen Viktor Orban, Ungarns Ministerpräsident, der zugleich einer der prominentesten Vertreter der extremen Rechten in Europa ist. Erst im Dezember hatten sich die beiden Politiker bei der Amtseinführung von Javier Milei getroffen, dem neuen rechts-libertären Präsidenten Argentiniens. Bolsonaro nannte Orban einmal seinen «Bruder», dieser wiederum den Brasilianer einen «Helden». Anwälte erklärten am Montag, der ehemalige brasilianische Präsident habe sich nun eben in der ungarischen Botschaft aufgehalten, um mit ungarischen Diplomaten über Politik zu diskutieren.
Allerdings laufen gegen Jair Bolsonaro auch eine ganze Reihe von Ermittlungen. Ihm wird vorgeworfen, Staatsgeschenke veruntreut zu haben. Dazu soll er gefälschte Impfpässe für sich und seine Familie in Auftrag gegeben haben. Mittlerweile gilt auch als weitestgehend sicher, dass Bolsonaro mit Teilen seiner Regierung einen Putsch geplant haben könnte, um auch nach einer Niederlage bei den Wahlen 2022 weiter an der Macht zu bleiben. Es gibt eine Reihe von Dokumenten, welche diese Vorwürfe belegen. Ebenso Videos und Zeugenaussagen, von ehemaligen engen Mitarbeitern des Ex-Präsidenten genauso wie von Politikern und Angehörigen der brasilianischen Streitkräfte.
Ein Gericht erklärt ihn für «unwählbar»
Es ist etwas mehr als ein Jahr vergangen, seit Bolsonaro aus dem Amt geschieden ist. In dieser Zeit wurde sein Mobiltelefon beschlagnahmt und sein Haus durchsucht. Ein Gericht erklärte ihn zudem für «unwählbar»: Bis Mitte 2030 darf er nicht für politische Ämter kandidieren.
Immer wieder gab es in der Vergangenheit Gerüchte, eine unmittelbare Festnahme Jair Bolsonaros stünde bevor. Bislang blieb die zwar aus, vieles spricht allerdings dafür, dass der Politiker tatsächlich einen Zugriff der Behörden fürchtet: Noch in den letzten Tagen seiner Amtszeit als Staatspräsident war er im Dezember 2022 nach Florida geflogen, wo er für drei Monate blieb, so lange also, wie es sein Visum für die USA erlaubte. Nun, da Bolsonaro seinen Reisepass abgeben musste, sind solche Auslandsreisen nicht mehr möglich. Wohl aber ein Aufenthalt in einer ausländischen Botschaft.
Bolsonaro trank Kaffee, vertrat sich die Beine
Was genau Bolsonaro in der Vertretung Ungarns gemacht hat, ist unklar. Es gibt Aufnahmen der Überwachungskamera, die zeigen, wie der Ex-Präsident am späten Abend des 12. Februar das Botschaftsgelände in der Hauptstadt Brasília betritt. Dort wurde dann eine Gästewohnung für ihn hergerichtet. Man brachte Bolsonaro am nächsten Morgen Kaffee, und später vertrat sich das ehemalige Staatsoberhaupt kurz die Beine an der frischen Luft, bevor er am Nachmittag des 14. Februar die Botschaft wieder verliess.
Das brasilianische Aussenministerium hat den Vertreter Ungarns am Montag bereits zu einem Gespräch einbestellt. Und gleichzeitig wurde Bolsonaro vom obersten Gerichtshof des Landes aufgefordert, sich innerhalb von 48 Stunden zu äussern, um seinen Aufenthalt in der Botschaft zu erklären. Dieser könnte am Ende auch juristisch relevant sein, weil er eventuell einen Verstoss gegen Gerichtsbeschlüsse darstellt. Die brasilianische Bundespolizei hat deswegen auch schon Untersuchungen aufgenommen.
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